„I can´t relax in Deutschland“

Die Diskussion zwischen Martin Lichtmesz und Stefan Hug berührt einen heiklen Punkt: Wie halten es Rechtskonservative mit der Popkultur?

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

Zwei­fels­oh­ne ist es ein leich­tes, kon­ser­va­ti­ve Vor­be­hal­te gegen­über allen For­men der Pop­kul­tur zu fin­den. Inter­es­sant ist aber auch die Wahr­neh­mung der „ande­ren Sei­te“. Vor ein paar Jah­ren grün­de­te sich die Initia­ti­ve „I can´t relax in Deutsch­land“, die natio­na­lis­ti­sche Ten­den­zen im Pop auf­de­cken wollte.

Die Theo­re­ti­ker hin­ter die­ser Initia­ti­ve (z.B. Roger Beh­rens) wer­fen der Unter­hal­tungs­bran­che vor, den „regres­si­ven Nerv der Zeit“ aus­zu­nut­zen. Ins Visier der Kul­tur­fahn­der gerie­ten dabei MIA (“Was es ist”), Paul van Dyk und Peter Hepp­ner (“Wir sind Wir”) aber auch Kino­fil­me wie Kein­ohr­ha­sen.

Mar­vin Als­ter etwa wit­tert hier einen „Schul­ter­schluß mit diver­sen Leder­wes­t­en­trä­gern und Alt­ro­ckern für Volk und Vater­land“ und warnt vor einem „völkische(n) Natio­na­lis­mus im Love­pa­ra­de-For­mat“. Als Reak­ti­on auf „I can´t relax in Deutsch­land“ zog der Zür­cher Tages­an­zei­ger das Fazit, man müs­se nicht nur zwi­schen Ernst­haf­tem und rein zur Unter­hal­tung gedach­tem Pop unter­schei­den, „son­dern auch zwi­schen U wie uni­ver­sell und N wie national“:

Ent­lang die­ser Tren­nungs­li­nie von E‑Pop und U‑Pop ver­läuft (…) auch eine Gren­ze zwi­schen „poli­tisch“ und „unpo­li­tisch“, also eher links und eher rechts. Unpo­li­tisch, unkom­pli­ziert, unprä­ten­ti­ös bis unschein­bar – so geben sich die Prot­ago­nis­ten der neu­en deut­schen Erfolgs­wel­le, die sich all­mäh­lich zur Kennt­lich­keit ent­wi­ckelt und auch im Kom­merz­ra­dio so gern genom­men wird, daß eine Quo­te gar nicht mehr nötig ist.

Nun kann man über die­se Wahr­neh­mung natür­lich schmun­zeln, weil der Groß­teil der deut­schen Pop-Kul­tur­schaf­fen­den nur all­zu offen­sicht­lich immer noch „eher links“ ist und sich mit uns nicht an einen Tisch set­zen wür­de. Den­noch ist unver­kenn­bar, daß es der­zeit eine Rei­he von Kul­tur­gü­tern in Musik, Kino, Fern­se­hen, Pop­li­te­ra­tur etc. gibt, die sehr ober­fläch­lich Patrio­tis­mus oder zumin­dest kon­ser­va­ti­ve Wer­te transportieren.

Ich den­ke da u.a. an patrio­ti­schen Rap, z.B. De3X oder Disszi­plin. Man soll­te deren Wir­kung  nicht unter­schät­zen: sie brin­gen Begrif­fe wie „Volk“ und „Vater­land“ einer brei­ten Mas­se an Jugend­li­chen zurück ins Vor­be­wußt­sein. Unter die­sem Gesichts­punkt sehe ich auch patrio­ti­sche bzw. in irgend­ei­ner Wei­se kon­ser­va­ti­ve Fil­me. Natür­lich sind die­se Pro­duk­tio­nen kei­ne Kunst. Man darf sich jedoch kei­ne Illu­sio­nen machen: In brei­te Schich­ten des Vol­kes trans­por­tiert man über Lie­bes­schnul­zen, Action­ge­bal­ler oder Sprech­ge­sang den Inhalt – und nicht über ein Lyrikbändchen.

Neben der selbst­ver­ständ­lich drin­gend not­wen­di­gen Gegen­auf­klä­rung bedarf es des­halb emo­tio­na­ler Stra­te­gien, um die Deut­schen – bewußt pathe­tisch gespro­chen – für ihr Vater­land zurück­zu­ge­win­nen. Dies kann ins­be­son­de­re über mit­rei­ßen­de Ereig­nis­se (z.B. Fuß­ball-WM), Unter­hal­tungs­mu­sik und die popu­lä­ren Bild-Medi­en funk­tio­nie­ren. Aus die­sem Grund sehe ich bei De3X, Disszi­plin und poli­tisch kor­rek­ten Fil­men wie Die Gustl­off, Die Flucht sowie Dres­den immer zuerst das Positive.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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Kommentare (23)

Toni Roidl

11. Januar 2010 10:39

»Strategie«? »Funktionieren«? Entweder man ist - warum nicht auch als Konservativer? - authentischer Teil einer Popkultur oder nicht. Die Vorstellung, Rechte würden auf einen Zug aufspringen, um unterirdisch nationale Botschaften zu senden, ist doch eher das, was sich Leute wie Brodkorb immer ausdenken. Ob MIA mit Deutschlandfahne rockt, Joe Rilla patriotische Reime rappt oder dergleichen: Die tun das doch nicht, weil sie bewusst politisch missionieren wollen, sondern weil es für sie etwas natürliches, instinktiv richtiges und emotional positives ist. DAS ist wichtig, aber das kann man nicht strategisch erzeugen. Das entsteht von selbst und auch die Spinner von »I can't relax...« werden das nicht ändern.

Thorsten

11. Januar 2010 10:45

Zum unpolitischen Patriotismus, der leider immer noch von Nationalen hochgehalten wird, hat Ernst von Salomon schon alles gesagt:

"Der patriotische Deutsche ist der Schlagwortdeutsche, der kitschige Deutsche, der schlechte Deutsche, der passive Deutsche, der Ballast jeder Bewegung, der ein schlechter Herr ist und ein schlechter Knecht. Patriotismus, das ist, wenn Fahnen wehen und Bierkrüge klappern und ein Dunst schwebt über den Menschen, wenn ein Rausch da ist, wo Begeisterung sein sollte, wenn eine Gesinnung da ist, und keine Gestaltung."

Patriotismus ist per se weder rechts noch links, wie man anhand patriotischer Äußerungen ausgewiesen linker Politiker (z.B. Thälmann, Engels) noch bis in die 50er Jahre hinein (z.B. Schumacher) sehen konnte. Auf der Klaviatur des Patriotismus wird dann gespielt, wenn der Staat den Gürtel der kleinen Leute enger schnallen muss, um selbst zu überleben. Dass Patriotismus daher automatisch unserer, einer nationalen, Position dienlich ist, ist eine falsche Annahme. In den letzten 10 Jahren versucht die BRD ihrer Bevölkerung (nicht dem Volke!) zunehmend einen BRD-Patriotismus nahezubringen, der auf Geschichte, aber allein der BRD-Geschichte und allgemein auf dem Negativ zum Dritten Reich basiert und sich in einer bizarren Grundgesetzgeilheit äußert. Dieser BRD-Patriotismus, die Hingabe an und die Unterstützung eines Staates, welcher die planmäßige Zerstörung unserer deutschen Zukunft betreibt, läuft einer nationalen Erneuerung, die diese deutsche Zulunft sichern muss, völlig zuwider. Patriotismus kann also auch nicht von uns per se als positiv dargestellt werden.

Der Patriot liebt Staat und Land, unabhängig davon ob diese Liebe gerechtfertigt ist oder nicht. Der Nationalist liebt sein Volk, und nur den Staat und das Land, welches diesem Volk verpflichtet ist und sich dessen Wohl auf die Fahnen schreibt.

Hesperiolus

11. Januar 2010 11:07

Mein rechtes (?) Welt- und Menschenbild ist schlechthin Ant-Pop. Die anthropologische Fundierung einer Wiedergeburt alles Edlen und Schönen forderte die - ich weiß: aussichtslose! - Überwindung dieser säkularen Deformation. Pop ist die Oberfläche unserer gattungsgeschichtlichen Entartung, irreversibel und indiskutabel.

Jan P.

11. Januar 2010 12:45

Interessant wäre auch zu wissen, ob wir es dabei mit ehrlicher Rückbesinnung auf Heimat und Deutschland zu tun haben, oder ob die Entdeckung einer Marktlücke Musiker zu patriotischen Tönen veranlasst.
Schließlich hat die Begeisterung während der WM 2006 vielen Produzenten und Musikern gezeigt, daß Patriotismus in Deutschland nach wie vor ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, aus dem man gewissen Profit erwirtschaften kann, wenn man nur die richtige Verpackung wählt. Im Fall Fler (Neue Deutsche Welle: "schwarz, rot, gold - hart und stolz!") und Dissziplin ("Ich bin Deutschland!") beispielsweise der deutschsprachige Sprechgesang, bei Mia die Popmusik.
Wobei ich Felix' Beispiel Dissziplin sogar stark einschränken würde, da der Patriotismus von Ostmob und Dissziplin schlicht und ergreifend modernisierte Ostalgie darstellt.

Nichtsdestotrotz, allein die positive Verwendung und die damit einhergehende prinzipielle Bejahung nationaler Begrifflichkeiten (Volk, Vaterland, Deutschland) hilft m.E., eine gewisse Grund-Enttabuisierung rechter Positionen in der Popmusik konsumierenden Jugend zu schaffen.

M.L.

11. Januar 2010 13:58

Oberstes Kriterium also: "Ist es gut für die Deutschen"?

Ich bin ein bekennender Pop-Rechter!

Martin

11. Januar 2010 15:44

In Allem und Jedem etwas politisches zu sehen, ist eigentlich doch etwas typisch linkes. Man denke nur an Brecht etc. und die totale Politisierung aller Lebensbereiche durch die 68er.

Als Konservativer, der doch eher dem ästhetischem Kunstgenuß verpflichtet ist und der darin zunächst erst einmal nichts konkret politisches sieht, wundert man sich dann immer wieder, dass manche Künstler einen "Rechts-" Vorwurf eben von jenen linken, für die alles "politisch" ist, bekommen. Alles außerhalb einer streng materialistischen Weltanschauung bekommt von dieser Seite doch den "Faschismus"- Vorwurf um die Ohren gehauen.

Die Aufgabe eines "Konservativen" oder "Rechten" sehe ich daher, solange es diese Dominanz des politisch Korrekten und der linken "Meinungshoheit" in Kunst und Medien gibt, eher als Hüter der Freiheit der Kunst - auch im Pop-Bereich, wobei man sich hier jedoch nicht allzu gemein mit so manchem "Act" machen darf, da doch das Kommerzinteresse in allen "Pop"-Belangen eindeutig durchschimmert.

"Pop" als bewusstes, direktes Mittel in der politschen Auseinandersetzung einzusetzen, ist für mich doch sehr fragwürdig - auch wenn es die linke selbstverständlich gerne tut. Aber man muss ja nicht alles machen, was linke machen.

Das man bei Veranstaltungen etc. sich bspw. auch populärer Musik zur Umrahmung etc. bedient, ist etwas anderes. Nur extra Kompositionen für einen bestimmten Zweck anzustoßen ...? Na, ja, ich weis ja nicht ...

Rudolf

11. Januar 2010 16:25

Nun ja, man muss sich vielleicht auch gar nicht so sehr für das Geschwätz irgendwelcher Popper interessieren.

Jan S.

11. Januar 2010 16:29

@Jan P.:

Fler hat damit aber schon vor der Fußball-WM begonnen, als es noch nicht modisch war, Flagge zu zeigen, was ihm hoch anzurechnen ist.

godeysen

11. Januar 2010 16:43

Als Musikwissenschaftler sehe ich die Popkultur als grundsätzlich neuartiges Phänomen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, symptomatisch für die gesellschaftliche Entwicklung und den Bildungsverlust.
Hauptträger der Popkultur ist die Musik. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gab es keine Kluft zwischen sogenannter E- und U-Musik. Natürlich galt Operette und Tanzmusik als "leichte Muse", aber die sprach nicht eine andere Publikumsschicht an. Dann passierten zwei Dinge gleichzeitig, die die Spaltung von E und U rasant vorantrieben:
Schönberg und seine Epigonen, die für sich die Fortsetzung des "Ernsthaften" in Anspruch nahmen, erreichten mit ihrer Musik nur noch eine kleine intellektuelle, elitäre Schicht - weil die atonale Musik den Menschen eben nicht auf einer emotionalen Ebene ansprechen kann. Die breite Masse der "E"-Hörer blieb bei dem, was nun "klassische" Musik hieß: Musik aus vergangenen Zeiten.
In die Lücke der breitenfähigen Moderne stieß ab den 20er Jahren, verstärkt aber in der Nachkriegszeit die Popularmusik amerikanischen Zuschnitts, und zwar vor allem durch die rasante Ausbreitung von Radio und Schallplatte. "Modern" wurde für eine zunehmende Zahl von zunächst jüngeren Menschen synonym mit Pop - kein Wunder, da ja die Tanz- und Schlagermusik (und ihre vielfältigen Nachkommen) die wesentlichen Qualitäten anthropologisch begründeter Breitenwirkung liefert: steady beat und simple Harmonik.
Problematisch an der musikalischen Popkultur ist die Verschiebung vom Selbermachen zum Rezipieren. Das erreicht mit der allgegenwärtigen öffentlichen Berieselung und mit dem iPod in jeder Hosentasche einen bisherigen Höhepunkt. Das Selbermachen verlagert sich auf außermusikalische Gruppen-Codes, heute vor allem das Sprayen, das mittlerweile die Stadtbilder beherrscht. Andere mit der Popkultur assoziierte Gruppen-Codes, etwa Kleidung (Jeans, T-Shirt), Essen (Fast food) und diverse Freizeitaktivitäten haben die ehemals bürgerliche Gesellschaft mittlerweile tief durchdrungen, denn die Beatles-Generation ist mittlerweile 60 Jahre alt.
Natürlich tut die Popkultur mit ihren Großgruppen- und Grüppchen-Identifikaten den anthropologisch normalen Bedürfnissen genüge (so wie sich in a-religiösen Gesellschaften schnell Ersatzreligionen etablieren), doch die über Jahrhunderte gewachsene, tragfähige kulturell-ästhetische Heimat geht darüber verloren.
Die letzte national-identische und künstlerisch interessante U-Kultur Deutschlands war für mich der UFA-Tonfilm der 30er und 40er Jahre mit seiner Musik (Hollaender, Jary, Kreuder, Igelhoff u.v.a.). Noch in den frühen 80er Jahren wurden alte UFA-Filme ständig im Fernsehen gezeigt - offenbar war die Erlebnisgeneration noch stark genug in den Programmdirektionen vertreten. Heute werden diese Filme nicht mehr gesendet - schon einmal aufgefallen? Das Fernsehen ist gründlichst gesäubert von allem, was die bürgerliche Kultur vor 1945 in einem positiven Licht erscheinen lassen könnte und sie nicht auf den 'Holocaust' bezieht.

d.n.

11. Januar 2010 17:59

„Wie halten es Rechtskonservative mit der Popkultur?“

Die Fragestellung ist ebenso verkrampft wie die Texte der betreffenden Popsänger. Wie es Rechtskonservative, Linksliberale oder sonst wer mit der Popkultur hält, sollte doch ziemlich gleich sein. Wer’s mag, soll’s hören. Und wenn sich nun die Pop- und insb. Rap-Musik mit Themen wie Volk, Vaterland, Nationalstolz beschäftigt, so muß ich diese Musikrichtung nicht mögen, um eine solche Tendenz zu begrüßen. Dogmatismus ist bei kulturellen Fragen nur ein Klotz am Bein.

Zu anderen: Wenn man sich einige dieser „patriotischen Raps“ angehört hat, wird man schnell in das hier und jetzt des Jahres 2010 zurückgeholt: Diese teils sehr verkrampften Texte sind keine Renaissance des Nationalismus im Gewand des 21. Jahrhunderts, ja nicht einmal eine gesunde Portion Nationalstolz, sondern schlicht eine typische Erscheinung des BRD-Patriotismus: ein Schritt nach rechts, zwei nach links.

Konkret meine ich etwa das Bedürfnis der betreffenden Musiker, sich vorauseilend, ganz ohne Grund bei jedem Hinweis auf die eigene Herkunft rechtfertigen zu müssen:

- Dissziplin: „Ich bin Deutschland; ich scheiß auf Dein Hakenkreuz“
- De3X: „Ich muß kein Nazi werden, um meiner Heimat treu zu sein.“
- Fler: „Ich bin kein Nazi, ich bin ein Deutscher mit Identität.“

Emotionalität kommt da kaum auf; und wer sich rechtfertigt, hat bekanntlich schon verloren.

Tiberius

11. Januar 2010 18:09

Martin hat doch recht:

Das ganze erscheint mir eher ein Beispiel für den ununterbrochenen "Verbotskampf" linker Meinungshoheitler zu sein,als dass es irgendetwas mit konservativen Inhalten zu tun hätte.

Es kann außerdem als Warnung dienen, was passiert wenn diese Leute weiterhin auf null Gegenwehr stoßen...

d.n.

11. Januar 2010 18:40

Nachtrag:

Was Filme wie Die Gustloff, Die Flucht und Dresden angeht, muß ich Felix widersprechen. Dies ist schlicht Feind-Propaganda aus eigener Hand. Wenn etwa ein polnisch-revanchistischer Regisseur die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten inszenieren würde – das Ergebnis wäre aus deutscher Sicht nicht minder unerträglich als Die Flucht.

Auf Dauer überwiegen die Nachteile solcher historisch grob verfälschenden Unterhaltungskost gegenüber dem einzigen positiven Punkt, nämlich dem, daß Verbrechen an Deutschen im / nach dem 2. Weltkrieg überhaupt filmisch thematisiert werden: Nicht nur, daß das kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation verfälscht wird; nicht nur, daß der Völkermord und andere Verbrechen an Ostdeutschen auf abstoßende Weise als Hintergrund für emotionslos-langweilige Romanzen verharmlost werden; vor allem: Allzu Versöhnliche dürfte allein die Existenz von Filmen wie Die Flucht besänftigen, das Tabu könnte als gebrochen gesehen werden.

Henning K.

11. Januar 2010 22:13

Das Konzept einer rechten Kulturrevolution, welches von Benoist Anfang der 80er verbreitet wurde, hat bisher nur wenige wirklich fähige Anhänger gefunden. Wenn man rechte Publikationen, egal welcher Art, durchblättert stößt man unvermeidlich auf die schlechte Angewohnheit alles Übel von heute auf das Jahr 45 zurückzuprojizieren. Das entspricht nicht meiner Wahrnehmung der Welt, in der auch die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges mit den selben Problemen zu kämpfen haben wie Deutschland. Obwohl ich selbst starke historische Neigungen habe, ärgere ich mich jedesmal über die Unfähigkeit der meisten Rechten die relevanten Strömungen der Gegenwart zu erkennen und auch zu nutzen. Die Ärgernisse reichen von der Südtirol- Jammerei der neuen Zeitschrift "Zuerst!" bis zum hartnäckigen Desinteresse an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der aktuellen Populärkultur (Musik, Film). Lichtmesz und Hug sind in dieser Hinsicht Leuchttürme in der Dunkelheit. Günter Maschke hat einmal hinsichtlich der 68er Revolte gesagt: "Ich war schon Anfang der 60er bei der Subversiven Aktion. Ich konnte diesen primitiven Aktivismus 68 nicht mehr verstehen. Ich war der Meinung wir müssen mehr nachdenken, tiefer denken." Wir haben heute auch noch in Sachen Theoriearbeit einen weiten Weg vor uns.

Pat Bateman

12. Januar 2010 00:50

Grundsätzlich muß ich natürlich den Worten von EvS zustimmen, die Thorsten hier dankenswerterweise zitiert hat. Allerdings muß man natürlich auch anerkennen, daß wir heute in der BRD leben.
Wir können nicht mehr aus der Masse der Vaterländischen Vereine die besten Elemente heraussuchen um Großes mit ihnen in Angriff zu nehmen. Den Luxus haben wir nicht mehr, und daher müssen wir wohl sogar über den Weg der Popkultur politisieren. Wobei man da natürlich auch zugeben muß, die Möglichkeiten sind extrem begrenzt.

M.R.

12. Januar 2010 14:18

An M.L.: Ist der Begriff „Pop-Rechter" nicht ein Antagonismus? Mit Pop verbinde ich alles massentaugliche, das dafür bestimmt ist, sich gut zu verkaufen. Popkultur bedient doch das Verlangen der Masse, meist niedere Instinkte. „Fressen, saufen, huren", um es mit den Worten von E. Stahl zu sagen.
Wie kann man das denn als Rechter vereinbaren?
Oder ist für dich Pop nur ein ästhetischer Anspruch? Da wären wir aber wieder bei dem Vorwurf der Mimikry von T. Roidl.

M.L.

12. Januar 2010 19:40

An M.R. : Ist der Begriff "Konservative Revolution" nicht auch ein Antagonismus?

Jedenfalls, die Vorstellung, daß "Pop", nichts weiter als den Appeal an niedere Instinkte bedeutet, kann ich nicht nachvollziehen. Mit der pauschalen Miesmacherei des Populären, von dem sich ja der Pop ableitet, habe ich keine Geduld. Und immer weniger mit der stereotypen Rede von der ewig bösen und niederen "Masse", die oft auch nur eine Form höheren Banausentums kaschiert. Die populären Medien haben gerade im 20. Jahrhundert Großartiges und Überdauerndes hervorgebracht. Da lassen sich Massenunterhaltung und Kunst nicht mehr sauber trennen. Die großen Filme von etwa Chaplin, John Ford oder Hitchcock (um nur ein paar kanonische Klassiker zu nennen, die Liste sich endlos verlängern) vereinen beides in sich, ebenso wie die großen Rockalben der Beatles, Who, Doors, Rolling Stones, Dylan, Scott Walker, Bowie, Lou Reed usw. usf. Oder was ist mit den genialen Euro-Liedermachern wie Georges Brassens, Jacques Brel, Fabrizio de André, Paolo Conte... was mit Kurt Weill, Bernstein, Porter und Gershwin? Theodorakis, Maurice Jarre und Morricone? Das alles ist "Pop", und wer dafür blind und taub ist, dem ist einfach nicht mehr zu helfen.

Und zuletzt: man muß nicht immer jedes Bonmot in seine Einzelstücke zerlegen. Definitionen wollen umgesetzt, nicht ständig diskutiert werden.

M.L.

12. Januar 2010 19:44

... und: umso mehr spielten im letzten Jahrhundert die populären Künste ein herrausragende Rolle, als die traditionellen E-Künste in Selbstzerfleischung, Ungenießbarkeit und Selbstdemontage untergegangen sind.

Hesperiolus

12. Januar 2010 23:50

Im rechten Pop, einer contradictio in adjecto in der Tat, dementiert das Medium immer die Botschaft. Davon affizierter Lebenstakt ist für die Aufnahme und Weitergabe der Traditionen gebrochen. Pop ist wohl die "letzte Weltstimmung", die klebrige Limonade in der alle Daseinsvollzüge jämmerlich ertrinken. Affekt und Habitus eines rechten In-der Welt-Seins müsste sich dieses Gift in unser aller Adern aus dem Körper bluten. Und welche Zäsur hier der von godeysen angesprochene Abgang der vor-popkulturellen Generationen bedeutet, welchen Verlust an Heterochronie in der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, wird sich sehr bald in der Weltverdüsterung eines total gewordenen pop age zeigen. Pop ist die aufgeschminkte Verwesung unserer sterbenden Rasse, eine nubische Nemesis, bewirtschaftet vom Triumph der ewigen Feinde von Nomos und Heros.

godeysen

13. Januar 2010 02:07

@ Martin Lichtmesz

… und: umso mehr spielten im letzten Jahrhundert die populären Künste ein herrausragende Rolle, als die traditionellen E-Künste in Selbstzerfleischung, Ungenießbarkeit und Selbstdemontage untergegangen sind.

Ich stimme zu - aber was haben die populären Künste dem entgegengesetzt? Ist die Popkultur denn nicht auch wesentlich durch Destruktion und Negation geprägt? Da, wo sie das nicht ist, sondern heile Welt darstellen will (Hummel-Figuren, Richard Clayderman), kommt Kitsch heraus.

M.L.

13. Januar 2010 13:10

@ godeysen: Siehe mein Posting vom 12.1, 19:40.

corvusacerbus

15. Januar 2010 14:33

The medium is the message, ein Blog ist ein Blog ist ein Blog, insofern sind wir hier alle popkulturell unterwegs, damit muß sich auch der größte Popverächter abfinden - und eigentlich ist damit schon alles gesagt. Im Übrigen stecken im und hinter dem Trivialen und Populären fundamentale Erkenntnisse, und auch ansonsten allerlei Wertvolles, in der Musik zum Beispiel Harmonien, Melodien und Arrangements, was die geschätzten Mitblogger nicht verachten sollten. Wer zum Beispiel das effekt- und wirkungsvolle Reden lernen will, kann sich das von einem normal-guten US-amerikanischen Pop-Album, nehmen wir mal „Midnight Train to Georgia“ von Gladys Knight, abgucken. Er kann auch bei Cicero, Quintilian, Aristoteles et al. was nachlesen, aber lernen, wie man’s macht und damit erst eigentlich begreifen, worum es geht bei der Rhetorik, das kann er, selbst wenn er ansonsten den Antiamerikanismus wie ein Feldzeichen vor sich her trägt und nicht weiß, wie er sich vor lauter Verachtung von Obama, Pop und Starbuck’s lassen soll, mit guter populärer Musik besser als mit viel klugem Lesen und Drumherumreden. Das mag dem deutschen Textmenschen nicht gefallen – und es gefällt ihm ja auch nicht – aber es ist so. Und noch mehr: Man kann nicht nur das Reden – und also das Denken – mit populärer Kultur üben, man kann auch richtig was lernen, man muß nur richtig hinschauen und zuhören. Wenn man nur daran denkt, wie in Schwänken, „Tratsch im Treppenhaus“ zum Beispiel, die Soziologie und Psychologie der Vergemeinschaftung als Grundlage der Vergesellschaftung, vorgeführt und in den Dialogen auch erläutert wird, das ist doch großartig. Nix gegen Shakespeare und all’ die anderen alten Knaben, aber da kommt richtig Substanz rüber. Oder – ich kenne Schlager besser als Rap und bringe deshalb dieses Beispiel fürs Triviale und Populäre – mit welcher lebensklugen Tiefe und Klarheit Udo Jürgens erklärt, was einem beim Älterwerden unweigerlich passiert, das hat Klasse und ist wertvoll. Substantiell wertvoll wegen des Inhalts und ästhetisch wegen der schönen Melodie, des perfekten Arrangements und des Gesangs, in diesem Fall den der wunderbaren Alexandra (die muß der Leser beim Lesen am besten innerlich mithören): "Illusionen blühn im Sommerwind - Treiben Blüten, die so schön doch so vergänglich sind - Pflückt sie erst an deinem Wege die Erfahrung, welken sie geschwind...". Muß man in diesem Blog versichern, daß man die Kindertotenlieder von Mahler und die Vier letzten Lieder von Richard Strauß liebt, damit einem der Appell für Udo Jürgens und Alexandra wenigstens verziehen wird? Dann sei das hiermit getan, auch wenn ich dieses ganze E- und U-Getue in Deutschland, so lange ich denken kann, dämlich finde (wenn wir schon dabei sind: die Mahlerlieder in der Erato-Aufnahme von Waltraud Meier und die Straußlieder bei Sony von Lucia Popp! Stimme, Technik, Tiefe, Ausdruck, Andringlichkeit, alles da und alles hörbar, wunderbar!). Also, keine Angst vor der Popkultur und ihren Formen. Das Schöne, Gute, Wahre, Wahrheit und Wahrhaftigkeit werden auch im Populären und Mainstreamigen dargestellt und sind dort zu entdecken. Es gibt im Pop- und Hochkulturellen dämliche, spießige und blöde, verlogene und peinlich-sentimentale Hervorbringungen genauso wie kluge, lebensechte und weltumspannende, ewig-gültige, tief-wahrhaftige und wahrhaft berührende. Im Beritt der Ästhetik und Kultur kommt es auf die Distinktion im Genre an, nicht darauf, ein Genre als solches a priori abzulehnen. Oder, um es rheinisch-fröhlich auszudrücken: hett jitt överall sonne un sonne. Und auch der ernste deutsche Rechte darf über einen Witz lachen, wenn er einfach nur witzig ist und nicht zugleich – die Deutschen werden über allem schwer und alles wird über den Deutschen schwer – tiefgründig zur Erklärung der ganzen Welt beiträgt und also zweifellos dem Trivialen und Populären zuzurechnen ist. Kenn’se den zum Beispiel? Unterhalten sich zwei Frauen. Meint die eine: „In letzter Zeit habe ich so Sprachschwierigkeiten. Letztens wollte ich sagen: 'Ich will Wein trinken.' Stattdessen sagte ich: 'Ich will Trein winken.'" - Darauf die andere: "Mir ging es neulich ganz ähnlich. Beim Frühstück wollte ich zu meinem Mann sagen: 'Gib mir bitte mal den Kaffee.' Stattdessen sage ich zu ihm: 'Du verdammtes Arschloch hast mein ganzes Leben versaut!'" … Der ist doch gut, oder? In diesem Sinne, nicht alles und schon gar nicht das Popkulturelle zu verkrampft sehen, s’Läbbe geht weiter, vieles versendet sich und am Ende siegt das Wahre, Gute und Schöne doch, weil es nämlich wahr, gut und schön ist. Da beißt die Maus keinen Faden ab, da ist kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun davor und ganz sicher können das weder die multikulturell-heutig-aliceschwarzeraffine Merkelkanzlerin ändern, noch rechte Blogger oder linke Rapper (und umgekehrt). – Ein PS als Aufruf, bei allem Grübeln über Pop versus Avantgarde die leibkörperliche Komponente des persönlichen Seins bzw. die Relativität alles Kulturellen nicht zu vergessen (mit dem Zuruf, Bertold Brecht zu entdecken, heißt auch für einen Rechten, viel Wahres, Gutes, Schönes zu entdecken, man denke nur an seinen Spruch über das Verhältnis von Bankraub und Gründung einer Bank; das ist hochaktuell, Leute): „Der größte Teil der kulturellen Produktion der letzten Jahrzehnte wäre durch einfaches Turnen und zweckmäßige Bewegung im Freien mit großer Leichtigkeit zu verhindern gewesen…“ ;-)

godeysen

15. Januar 2010 18:12

Ich rate allen Apologeten der Popkultur: Hört Euch die Winterreise mit Hotter oder Fischer-Dieskau an, Bachs Goldberg-Variationen und eine Symphonie von Mahler. Aber bitte das alles nicht nur einmal, sondern je zehnmal - soviel Zeit muß schon sein, um das kontaminierte Hirn freizuspülen. Und dann sagt mir bitte, was die Bumsmusik an Emotionalität, Wahrhaftigkeit, Rhetorik liefern kann, das Bach, Schubert und Mahler nicht haben.

Ich sehe durchaus einzelne überwältigende Begabungen und Persönlichkeiten im Pop - etwa die Namen, die Lichtmesz nannte. Doch 95% dessen, was seit ca. 1970 an U produziert wurde, ist Plastik statt Holz, Glutamat statt Rosmarin. Die Welt braucht es nicht.

Svensktyska

10. Februar 2010 14:49

Wenn mir die Hunnen die Bude einrennen und mir der weiser Ingenieur sagt, seine hochwirksame Strahlenkanone bedarf noch ausgiebigen Tests und Feinjustierungen und wenn mir der einfacher Schmied ein grobe Axt in die Hand drückt – ja, warte ich dann auf das intelelektuelle Wunderwerk des Teoretikers oder ergreife ich beherzt das Angebot des Praktikers?

Viele Nationale sind gewiss gescheiter als junge Musikerinnen wie z.B. Dee Ex. Aber sie wagt sich raus und schlägt zu, während Ihr drinnen hockt und gescheit daherredet. Und hat sie nur einen Funken Eurer Weisheit, sie entfacht ihn während tatenlos die heißeste Glut erlöschen muß. – Geht raus und helft ihr.

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