Zweifelsohne ist es ein leichtes, konservative Vorbehalte gegenüber allen Formen der Popkultur zu finden. Interessant ist aber auch die Wahrnehmung der „anderen Seite“. Vor ein paar Jahren gründete sich die Initiative „I can´t relax in Deutschland“, die nationalistische Tendenzen im Pop aufdecken wollte.
Die Theoretiker hinter dieser Initiative (z.B. Roger Behrens) werfen der Unterhaltungsbranche vor, den „regressiven Nerv der Zeit“ auszunutzen. Ins Visier der Kulturfahnder gerieten dabei MIA (“Was es ist”), Paul van Dyk und Peter Heppner (“Wir sind Wir”) aber auch Kinofilme wie Keinohrhasen.
Marvin Alster etwa wittert hier einen „Schulterschluß mit diversen Lederwestenträgern und Altrockern für Volk und Vaterland“ und warnt vor einem „völkische(n) Nationalismus im Loveparade-Format“. Als Reaktion auf „I can´t relax in Deutschland“ zog der Zürcher Tagesanzeiger das Fazit, man müsse nicht nur zwischen Ernsthaftem und rein zur Unterhaltung gedachtem Pop unterscheiden, „sondern auch zwischen U wie universell und N wie national“:
Entlang dieser Trennungslinie von E‑Pop und U‑Pop verläuft (…) auch eine Grenze zwischen „politisch“ und „unpolitisch“, also eher links und eher rechts. Unpolitisch, unkompliziert, unprätentiös bis unscheinbar – so geben sich die Protagonisten der neuen deutschen Erfolgswelle, die sich allmählich zur Kenntlichkeit entwickelt und auch im Kommerzradio so gern genommen wird, daß eine Quote gar nicht mehr nötig ist.
Nun kann man über diese Wahrnehmung natürlich schmunzeln, weil der Großteil der deutschen Pop-Kulturschaffenden nur allzu offensichtlich immer noch „eher links“ ist und sich mit uns nicht an einen Tisch setzen würde. Dennoch ist unverkennbar, daß es derzeit eine Reihe von Kulturgütern in Musik, Kino, Fernsehen, Popliteratur etc. gibt, die sehr oberflächlich Patriotismus oder zumindest konservative Werte transportieren.
Ich denke da u.a. an patriotischen Rap, z.B. De3X oder Dissziplin. Man sollte deren Wirkung nicht unterschätzen: sie bringen Begriffe wie „Volk“ und „Vaterland“ einer breiten Masse an Jugendlichen zurück ins Vorbewußtsein. Unter diesem Gesichtspunkt sehe ich auch patriotische bzw. in irgendeiner Weise konservative Filme. Natürlich sind diese Produktionen keine Kunst. Man darf sich jedoch keine Illusionen machen: In breite Schichten des Volkes transportiert man über Liebesschnulzen, Actiongeballer oder Sprechgesang den Inhalt – und nicht über ein Lyrikbändchen.
Neben der selbstverständlich dringend notwendigen Gegenaufklärung bedarf es deshalb emotionaler Strategien, um die Deutschen – bewußt pathetisch gesprochen – für ihr Vaterland zurückzugewinnen. Dies kann insbesondere über mitreißende Ereignisse (z.B. Fußball-WM), Unterhaltungsmusik und die populären Bild-Medien funktionieren. Aus diesem Grund sehe ich bei De3X, Dissziplin und politisch korrekten Filmen wie Die Gustloff, Die Flucht sowie Dresden immer zuerst das Positive.
Toni Roidl
»Strategie«? »Funktionieren«? Entweder man ist - warum nicht auch als Konservativer? - authentischer Teil einer Popkultur oder nicht. Die Vorstellung, Rechte würden auf einen Zug aufspringen, um unterirdisch nationale Botschaften zu senden, ist doch eher das, was sich Leute wie Brodkorb immer ausdenken. Ob MIA mit Deutschlandfahne rockt, Joe Rilla patriotische Reime rappt oder dergleichen: Die tun das doch nicht, weil sie bewusst politisch missionieren wollen, sondern weil es für sie etwas natürliches, instinktiv richtiges und emotional positives ist. DAS ist wichtig, aber das kann man nicht strategisch erzeugen. Das entsteht von selbst und auch die Spinner von »I can't relax...« werden das nicht ändern.