Jüdisch

Das jüdische Baumfest, Tu Bi Schwat, steht vor der Tür. Alle Kinder freuen sich. Nur der kleine Jonathan ist skeptisch. Nach langem Überlegen fragt der Kleine seine Mutter: „Und welches Unglück ist dem jüdischen Volk zu Tu Bi Schwat passiert?“

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Lachen? Oder nicht? Wer druckt sol­che Wit­ze ab, wer lacht drü­ber? Den Witz habe ich aus der aktu­el­len Aus­ga­be einer Zei­tung, von der mir ein Leser vor eini­ger Zeit ein paar Aus­ga­ben zuge­sandt hat. Seit­her hab´ ich kei­ne Num­mer ver­paßt (sie ist zuver­läs­si­ger an Kios­ken zu haben als die Welt­wo­che), eine Men­ge gelernt und immense Lese­freu­de genossen.

Die Rede ist von der Jüdi­schen Zei­tung, die 2010 ihr fünf­jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­ert. Kei­nes­falls zu ver­wech­seln ist die Monats­schrift mit der Wochen­zei­tung Jüdi­sche All­ge­mei­ne. Der Unter­schied könn­te grö­ßer nicht sein. Letz­te­re ist ein Kampf­or­gan des Zen­tral­rats, pflegt einen auf­ge­bla­se­nen und in jeder Hin­sicht ein­di­men­sio­na­len Ton. Die israe­li­sche Poli­tik wird hier bedin­gungs­los ver­tei­digt, Holo­caust und Anti­se­mi­tis­mus bil­den Schwer­punkt­the­men. Der Stil, in dem in der ers­ten Janu­ar­aus­ga­be auf gro­ßem Raum eine säch­si­sche NPD-Frau (der haupt­säch­lich vor­ge­wor­fen wird, daß sie eine Stel­le als Schöf­fin „ergat­tert“ hat und sich in der Schu­le ihrer Kin­der enga­giert) por­trä­tiert wird (vom ein­schlä­gig bekann­ten Olaf Sun­dermey­er), spricht wie­der Bände.

Nicht, daß nun die Jüdi­sche Zei­tung hin­ge­gen auf dem „rech­ten Auge“ blind wäre, wie­so auch? Der Ton und das erwei­ter­te Spek­trum der The­men machen die Musik. Die Janu­ar­aus­ga­be der Monats­zeit­schrift macht mit dem asso­zia­ti­ons­rei­chen Titel „Wer ist Jude?“ auf. Es geht um einen Fall aus dem eng­li­schen Ken­ton, den die JZ schon seit eini­ger Zeit ver­folgt. Die dort ansäs­si­ge Eli­te­schu­le Jews´ Free School (JFS) hat­te die Auf­nah­me eines Schü­lers M. ver­wei­gert, weil des­sen Mut­ter nicht nach ortho­do­xen Regeln, son­dern in einer libe­ra­len Gemein­de kon­ver­tiert sei. JZ: „Im Grun­de sind in Fäl­len wie dem von M. die­je­ni­gen aus ‘ras­si­scher´ Per­spek­ti­ve im Vor­teil, die von einer jüdi­schen Mut­ter gebo­ren wur­den. Ras­sis­mus, ja oder nein?“ Die Eltern klag­ten – und gewan­nen nun, weil die Ableh­nung eben auf­grund „ras­si­scher Dis­kri­mi­nie­rung“ erfolgt sei: „Die Rich­ter wie­sen jedoch expli­zit dar­auf hin, daß die JFS nicht ´ras­sis­tisch im pejo­ra­ti­ven Sinn´ gehan­delt habe.“

In der Tages­pres­se wird man der­glei­chen Infor­ma­tio­nen schwer fin­den. Jen­seits des poli­ti­schen Teils – in dem Isra­el­kri­tik weder Man­tra noch Tabu ist – besticht der leich­te und oft selbst­iro­ni­sche Ton, der nicht nur in der Wit­ze­ru­brik (die alte Jun­ge-Frei­heit-Feder Sal­cia Land­mann läßt post­hum grü­ßen!) die Feder führt. Zeit­geis­tig wird etwa ver­mel­det, daß David Beck­ham, der sei­nem jüdi­schen Groß­va­ter sehr nahe stand, sei­nen Sohn in einem jüdi­schen Kin­der­gar­ten ange­mel­det haben soll. O‑Ton JZ: „Bei so viel jüdi­scher Sen­ti­men­ta­li­tät soll­te es nicht wun­dern, wenn wir David Beck­ham bald mit Kip­pa auf dem Fuß­ball­platz erleben.“

Mit dem Zen­tral­rat geht man noto­risch hart ins Gericht, in punk­to Glau­bens­pra­xis wer­den ortho­do­xe jüdi­sche Gemein­den gele­gent­lich als beto­niert dar­ge­stellt. Auf den Leser­brief­sei­ten las­sen har­te Atta­cken unter­ein­an­der auf eine weit­ge­streck­te Hete­ro­ge­ni­tät des­sen schlie­ßen, was „moder­nes Juden­tum“ heu­te ausmacht.

Eines der Glanz­lich­ter der ver­gan­ge­nen Aus­ga­ben stell­te ein Inter­view mit dem jüdi­schen Publi­zis­ten Alfred Gros­ser (neu­es Buch: Von Ausch­witz nach Jeru­sa­lem, rowohlt) dar, in dem der in Deutsch­land gebo­re­ne Fran­zo­se sich nicht zu scha­de ist, die (von ihm als über­reich­lich emp­fun­de­ne) Anwen­dung der „Ausch­witz­keu­le“ zu brandmarken.

Ich mag die­ses Blatt. Darf´s noch ein Witz sein – der über den Afro­ame­ri­ka­ner, der im öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel eine jid­di­sche Zei­tung liest? Lie­ber nicht – sel­ber lesen.

Bild­quel­le: zeev­veez

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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