Lachen? Oder nicht? Wer druckt solche Witze ab, wer lacht drüber? Den Witz habe ich aus der aktuellen Ausgabe einer Zeitung, von der mir ein Leser vor einiger Zeit ein paar Ausgaben zugesandt hat. Seither hab´ ich keine Nummer verpaßt (sie ist zuverlässiger an Kiosken zu haben als die Weltwoche), eine Menge gelernt und immense Lesefreude genossen.
Die Rede ist von der Jüdischen Zeitung, die 2010 ihr fünfjähriges Jubiläum feiert. Keinesfalls zu verwechseln ist die Monatsschrift mit der Wochenzeitung Jüdische Allgemeine. Der Unterschied könnte größer nicht sein. Letztere ist ein Kampforgan des Zentralrats, pflegt einen aufgeblasenen und in jeder Hinsicht eindimensionalen Ton. Die israelische Politik wird hier bedingungslos verteidigt, Holocaust und Antisemitismus bilden Schwerpunktthemen. Der Stil, in dem in der ersten Januarausgabe auf großem Raum eine sächsische NPD-Frau (der hauptsächlich vorgeworfen wird, daß sie eine Stelle als Schöffin „ergattert“ hat und sich in der Schule ihrer Kinder engagiert) porträtiert wird (vom einschlägig bekannten Olaf Sundermeyer), spricht wieder Bände.
Nicht, daß nun die Jüdische Zeitung hingegen auf dem „rechten Auge“ blind wäre, wieso auch? Der Ton und das erweiterte Spektrum der Themen machen die Musik. Die Januarausgabe der Monatszeitschrift macht mit dem assoziationsreichen Titel „Wer ist Jude?“ auf. Es geht um einen Fall aus dem englischen Kenton, den die JZ schon seit einiger Zeit verfolgt. Die dort ansässige Eliteschule Jews´ Free School (JFS) hatte die Aufnahme eines Schülers M. verweigert, weil dessen Mutter nicht nach orthodoxen Regeln, sondern in einer liberalen Gemeinde konvertiert sei. JZ: „Im Grunde sind in Fällen wie dem von M. diejenigen aus ‘rassischer´ Perspektive im Vorteil, die von einer jüdischen Mutter geboren wurden. Rassismus, ja oder nein?“ Die Eltern klagten – und gewannen nun, weil die Ablehnung eben aufgrund „rassischer Diskriminierung“ erfolgt sei: „Die Richter wiesen jedoch explizit darauf hin, daß die JFS nicht ´rassistisch im pejorativen Sinn´ gehandelt habe.“
In der Tagespresse wird man dergleichen Informationen schwer finden. Jenseits des politischen Teils – in dem Israelkritik weder Mantra noch Tabu ist – besticht der leichte und oft selbstironische Ton, der nicht nur in der Witzerubrik (die alte Junge-Freiheit-Feder Salcia Landmann läßt posthum grüßen!) die Feder führt. Zeitgeistig wird etwa vermeldet, daß David Beckham, der seinem jüdischen Großvater sehr nahe stand, seinen Sohn in einem jüdischen Kindergarten angemeldet haben soll. O‑Ton JZ: „Bei so viel jüdischer Sentimentalität sollte es nicht wundern, wenn wir David Beckham bald mit Kippa auf dem Fußballplatz erleben.“
Mit dem Zentralrat geht man notorisch hart ins Gericht, in punkto Glaubenspraxis werden orthodoxe jüdische Gemeinden gelegentlich als betoniert dargestellt. Auf den Leserbriefseiten lassen harte Attacken untereinander auf eine weitgestreckte Heterogenität dessen schließen, was „modernes Judentum“ heute ausmacht.
Eines der Glanzlichter der vergangenen Ausgaben stellte ein Interview mit dem jüdischen Publizisten Alfred Grosser (neues Buch: Von Auschwitz nach Jerusalem, rowohlt) dar, in dem der in Deutschland geborene Franzose sich nicht zu schade ist, die (von ihm als überreichlich empfundene) Anwendung der „Auschwitzkeule“ zu brandmarken.
Ich mag dieses Blatt. Darf´s noch ein Witz sein – der über den Afroamerikaner, der im öffentlichen Verkehrsmittel eine jiddische Zeitung liest? Lieber nicht – selber lesen.
Bildquelle: zeevveez