Demokratie-Check

Demokratie-Check: Woher stammen bloß immer diese Vokabeln, die einem in ihrer süßlichen Aufdringlichkeit vorkommen wie...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

ver­fas­sungs­pa­trio­ti­sche Huren auf dem Gesinnungsstrich.

Aber gut, machen wir ernst mit dem Gesin­nungs-TÜV: Es soll Leu­te geben, die den Hit­ler-Atten­tä­ter Claus Graf Schenk von Stauf­fen­berg nicht für einen Demo­kra­ten hal­ten. Und sie haben recht.

Hät­te Stauf­fen­berg 1944 den Volks­wil­len ernst genom­men, er hät­te sich selbst erschie­ßen müs­sen, um sein eige­nes Atten­tat zu ver­hin­dern. Aber er hat es nicht getan, denn er hielt von Mas­sen­ak­kla­ma­ti­on eben­so­we­nig wie von einer Über­tra­gung des Gleich­heits­ge­dan­kens auf alle Lebens­be­rei­che. Und so rums­te es in der Wolfschan­ze gewal­tig, und uns und der Welt wur­de bewie­sen, daß es eine Aris­to­kra­tie des Geis­tes geben kann, die zur Tat fin­det, und sei sie bloß eine sym­bo­li­sche Geste.

Oberst von Stauf­fen­berg ist also schon mal sau­ber durch­ge­fal­len durch den Demo­kra­tie-Check. Ob es den vie­len Bür­ger­meis­ter-Kan­di­da­ten und anste­hen­den Staats­die­nern in Meck­len­burg-Vor­pom­mern bes­ser gehen wird? Dort hat vor zwei Wochen die Regie­rungs­ko­ali­ti­on aus CDU und SPD gegen die Stim­men der Oppo­si­ti­on ein Gesetz durch­ge­wun­ken, das eben unter dem Schlag­wort Demo­kra­tie-Check läuft: Wahl­aus­schüs­se kön­nen künf­tig den Ver­fas­sungs­schutz um Aus­kunft über die demo­kra­ti­sche Zuver­läs­sig­keit eines Kan­di­da­ten befragen.

Die Oppo­si­ti­on aus Lin­ke, FDP und NPD hat gute Argu­men­te gegen das Gesetz vor­ge­tra­gen, und so ist man ein biß­chen rat­los, war­um so klar nach Regie­rung und Oppo­si­ti­on abge­stimmt wur­de. Für Demo­kra­tie-Prü­fer und Ver­fas­sungs­schüt­zer wäre es wich­tig, die Aus­wir­kun­gen der Regie­rungs­be­tei­li­gung auf die Zugäng­lich­keit für gute Argu­men­te zu prü­fen. Macht regie­ren blind für die Gefah­ren aus der Büch­se der Pan­do­ra? Oder gibt die Macht ihren Trä­gern tat­säch­lich kla­re Kri­te­ri­en für das ein, was wirk­lich gefähr­lich ist? Lest Gün­ter Maschke:

Die Bun­des­re­pu­blik, halb ordent­li­cher Indus­trie­hof, halb Nah­erho­lungs­zo­ne mit regel­mä­ßig geleer­tem Papier­korb, die­ses hand­tuch­brei­te Rest­land, des­sen Bewoh­ner nach Harm­lo­sig­keit gie­ren, ist zugleich das Land, in dem jeder zum Ver­fas­sungs­feind des ande­ren wer­den kann. Geht es um Ein­stel­lung oder Ent­las­sung, so mag die Staats­bü­ro­kra­tie die Mit­glie­der der DKP der Ver­fas­sungs­feind­schaft bezich­ti­gen, wäh­rend dar­auf­hin die DKP, schon immer in hem­mungs­lo­ser Lie­be zum Grund­ge­setz ent­zün­det, die Staats­bü­ro­kra­tie und, bei Bedarf, die Jus­tiz, für ver­fas­sungs­zer­stö­re­risch erklärt.

Und­so­wei­ter, die­ser gran­dio­se Auf­satz aus dem Jah­re 1985, der natür­lich heu­te in einem Punkt nicht mehr stimmt: Mitt­ler­wei­le ist unser Land wie­der zwei Hand­tü­cher breit.

Aber zurück zur Sache: Ja, man muß nicht weit gedacht haben, um über die Gren­zen der Frei­heit und der Recht­staat­lich­keit abstim­men zu dür­fen, und noch nicht ein­mal der Umkehr­schluß ist erlaubt: Auch bei der Oppo­si­ti­on, die in Meck­len­burg-Vor­pom­mern dage­gen war, kann man ver­tief­te Lek­tü­re nicht vor­aus­set­zen. Ver­mut­lich rührt das gesam­mel­te “Nein” aus der Not her, sich von der Regie­rung unter­schei­den zu müs­sen. “Nein”: das ist Oppositions-Reflex.

Den Beweis, neben dem Par­tei­ge­hirn noch ein eige­nes zu besit­zen, hat bloß einer erbracht: der über sein Inter­net-Por­tal End­sta­ti­on rechts bekannt gewor­de­ne Alt­phi­lo­lo­ge und SPD-Mann Mathi­as Brod­korb. Er ent­hielt sich der Stim­me, ver­mut­lich weil ihm über sei­nen Stu­di­en des Alt­grie­chi­schen die ober schon erwähn­te Büch­se der Pan­do­ra als Para­bel für das Unaus­ge­go­re­ne im Gedächt­nis haf­ten blieb: Er nann­te das anläß­lich eines ande­ren The­mas die Gefahr, sich selbst in den Schwitz­kas­ten zu nehmen.

Fazit: Abstim­mungs­ver­hal­ten ist Selbstdenker-Check.

Und der wich­ti­ge Lek­tü­re-Nach­weis: Das Maschke-Zitat fin­det sich im Auf­satz Die Ver­schwö­rung der Flak­hel­fer. Der wie­der­um fin­det sich in der Samm­lung Das bewaff­ne­te Wort.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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