nicht vorkamen: Enteignung, Protektionismus und buy american (eine Art “Kauft nur bei Deutschen”).
Wir alle hier sind in Wirtschafts- und Finanzfragen nur interessierte Laien, und die meisten Leser dieses Netz-Tagebuchs dürften auch nicht mehr sein: interessierte Laien, die täglich aufs neue versuchen, Zusammenhänge und Tendenzen der weltweiten Wirtschaftskrise zu durchschauen.
Eine Tendenz scheint mittlerweile offensichtlich zu sein: Die Nation als Bezugs- und handlungsfähige Größe kehrt zurück (sie war nie abgeschafft, sondern nur zurückgedrängt), und mit ihr der im nationalen Rahmen handelnde Staat. Zu den drei Begriffen:
- Zur Verstaatlichung der maroden Bank Hypo Real Estate wurde heute morgen im Deutschlandfunk Justizministerin Zypries befragt: Recht lässig bekannte sie sich zu dieser ultima ratio, die dann anzuwenden sei, wenn eine Gefahr für das System an sich im Verzug sei. Einer Enteignung der Aktionäre stehe in solch einem Fall nichts im Wege. Wir erinnern uns: “Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet” (Carl Schmitt).
- Die Regierungschefs und ihre Vertreter sprechen auf ihren Krisensitzungen innerhalb supranationaler Gebilde (EU, WTO, OSZE u.ä.) ständig von gemeinsamen Lösungen und warnen vor nationalen Alleingängen. Aber zuhause verhalten sie sich anders, und mit Macht kehrt zurück, was als Teufelswort galt: der Protektionismus, der Schutz der heimischen Produktion vor der ausländischen Konkurrenz. Die Junge Freiheit hat dazu gestern einen Beitrag von Bernd-Thomas Ramb veröffentlicht. Der Merksatz ist einfach: Wenn es kriselt, wird selbstverständlich zwischen “Wir” und “die Anderen” unterschieden – und seltsamerweise gelingt diese Unterscheidung spielend entlang nationaler Grenzen.
- Ramb verweist in seinem Artikel auch auf das von Obama ausgerufene “Buy american”. Es ist lehrreich zu beobachten, daß angelsächsische Freihandelsdogmen anscheinend nur dann gelten, wenn sie von einer überlegenen Position aus gepredigt werden. Das war schon 1887 so: Damals erließ das britische Unterhaus den “Merchandise Marks Act”. Deutsche Importe mußten mit “Made in Germany” gekennzeichnet werden, und diese Kennzeichnung war abwertend gemeint. Gleichzeitig wurde “Buy british” als Parole ausgegeben. Dumm nur, daß sich “Made in Germany” bereits zehn Jahre später zum Gütesiegel gewandelt hatte. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Freihändler bis heute in dem Moment auf ihre Prinzipien pfeifen, in dem der Schutz des eigenen Wirtschaftsraums profitabler zu sein scheint.
Wie gesagt: Wir sind in solchen Fragen nur interessierte Laien, die das Auftauchen von Begriffen und Zeichen zu deuten versuchen, und zwar von Feldern her, auf denen wir wiederum mehr sind als Laien. Und so ist es kein Wunder, wenn wir in solchen Fragen mit unseren Prognosen richtig liegen. Zum Beispiel Karlheinz Weißmann in seinem Buch Nation? von dem wir gestern (!) das letzte Exemplar verkauften. Er zitiert darin den ehemaligen Innenminister Frankreichs, Jean-Pierre Chevenement:
Die Schwierigkeit liegt darin, daß die nationalen Identitäten existieren und in der Geschichte verwurzelt sind, während die europäische Identität eine Abstraktion bleibt, da sie nicht einem vitalen Bedürfnis der Völker entspricht. Wenn es ernst wird, in Krisenzeiten, wenden sich die Völker immer an die Nation.
Martin Lichtmesz
Siehe auch hier:
https://www.jf-archiv.de/online-archiv/file.asp?Folder=09&File=200904011619.htm