Holokunst für Offenbach

Mit einem fulminanten Holocaust-Mahnmal will sich meine Heimatstadt Offenbach demnächst in eine Reihe mit den Metropolen Chicago und Shanghai stellen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Der Künst­ler und Alchi­mist (Selbst­be­zeich­nun­gen) Ruben Tal­berg möch­te die Stadt mit einer 15 Meter hohen Skulp­tur, Zitat, „ver­edeln“.

Falls Ihnen der Name Ruben Tal­berg nichts sagt, ist das mög­li­cher­wei­se eine Bil­dungs­lü­cke. Sowohl die Offen­bach Post als auch OB Horst Schnei­der (SPD) nen­nen Tal­berg einen „inter­na­tio­nal renom­mier­ten Künst­ler“. (Zum Ver­gleich: Zu Tal­berg fin­det goog­le rund 5.500 Ein­trä­ge, zu Neo Rauch – des­sen Renom­mee unum­strit­ten ist – etwa 110.000, und selbst zu einer deutsch­land­weit rela­tiv bedeu­tungs­lo­sen, inter­na­tio­nal unbe­kann­ten Jour­na­lis­tin hat es dop­pelt so vie­le Fund­stel­len wie zum „Deutsch-Israe­li“ Tal­berg mit Geburts­ort Hei­del­berg und Wohn­ort „in Offen­bach und Südfrankreich.“)

Aber gut: Neben dem bean­spruch­ten ästhe­ti­schen Mehr­wert, den die „Krea­tiv­stadt“ Offen­bach durch den mar­ter­pfahl­ähn­li­chen, mit magisch-nai­ven Sym­bo­len bemal­ten Obe­lis­ken erhal­ten soll, möch­te Tal­berg ein Zei­chen set­zen gegen rech­te Gewalt. Die Idee sei ihm gekom­men, als 2007 die NPD durch Offen­bach mar­schie­ren durf­te. (Tat­säch­lich fan­den sich im Dezem­ber 2007 in Offen­bach – einer Stadt ohne bzw. mit allen­falls mar­gi­na­ler “rech­ter Sze­ne” – rund 50 NPD-Anhän­ger zu einer Demons­tra­ti­on ein, die aber durch eine anti­fa­schis­ti­sche Über­zahl am „Mar­schie­ren“ gehin­dert wurden).

Dane­ben habe der Künst­ler, der in sei­nen Arbei­ten Mate­ria­li­en wie Kno­chen, Blut und Schrott bevor­zugt, in Ausch­witz einen Kof­fer mit einer Offen­ba­cher Adres­se ent­deckt – Par­al­le­len, die ihn drauf brach­ten, die Migran­ten­stadt Offen­bach in eine ange­dach­te Ach­se „gegen das Ver­ges­sen” zwi­schen aus­ge­rech­net Chi­ca­go und Shang­hai ein­zu­bin­den. Dort möch­te Tal­berg ähn­li­che Monu­men­te auf­stel­len. Nun wird in Offen­bach inten­siv an einer ent­spre­chen­den Magis­trats­vor­la­ge gear­bei­tet. Allein die FDP äußert sich skep­tisch, da für den geplan­ten Auf­stel­lungs­platz eigent­lich erst eine Aus­schrei­bung statt­fin­den müß­te. Als güns­tig für die noto­risch hoch­ver­schul­de­te Stadt erweist sich aller­dings, daß Tal­berg sein gigan­ti­sches Werk (Titel: „Jakobs­lei­ter“), für das er eine Arbeits­zeit von einem Jahr ein­kal­ku­liert, durch einen unge­nann­ten Gön­ner selbst finan­zie­ren wird.

Ein geschenk­ter Gaul halt.

(Bild: sune p auf flickr.com)

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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