Erfurt hörte – wie schon so oft nicht eingeleuchtet, warum die öffentlichen Kassen mit dem Sparen nicht dort beginnen, wo es so richtig was zu holen gibt.
Damit sind heute ausnahmsweise einmal nicht die Zahlungen an den Brüsseler Wasserkopf und den Reisanbau auf Rügen oder die Kosten der auch heute wieder scheiternden Integration gemeint, sondern die Aufwendungen im Bereich des “Sozialen”. Ich wills nicht statistisch aufbereiten oder durchrechnen, sondern bloß drei Beispiele beschreiben:
Beispiel 1: Mir erzählte neulich ein Taxifahrer (den ich aufgrund einer mangelhaften Busanbindung in Anspruch nehmen und bezahlen mußte), daß er zwei Jahre lang fette Beute gemacht habe mit zwei lernbehinderten jungen Männern aus der nahe gelegenen Kreisstadt. Diese Burschen seien von der Sekundarschule auf die Sonderschule gewechselt und hätten dann ohne Abschluß vor der Frage gestanden, welchen Beruf man würde erlernen können. Es sei unmöglich gewesen, sie auf dem freien Markt unterzubringen. Also habe man ihnen verschiedene, staatlich getragene Angebote gemacht: Beide hätten sich für eine Lernbehinderten-Schreinerei in der Nähe von Stuttgart (etwa 550 km) entschieden, die einen etwas anderen Schwerpunkt ausbildet als diejenige in Dessau (etwa 100 km). Zwei Jahre lang habe nun der Staat für die beiden Herren
+ die Unterbringung in Stuttgart,
+ das Schulgeld und die Verpflegung sowie
+ eine Heimfahrt alle vierzehn Tage bezahlt.
Diese Heimfahrt konnte aber aufgrund bestimmter infantiler Ängste nicht mit der Bahn erfolgen, und so kam mein Taxifahrer ins Spiel: Er fuhr alle zwei Wochen freitags nach Stuttgart, sammelte die Burschen auf, brachte sie vor die Haustür und fuhr sie am Sonntag wieder zurück. Dies war jedoch noch nicht alles: Denn jeder der beiden Herren wollte stets vorn sitzen, und auch über diese Frage hinaus gab es oft Streit, und so beschloß das Duo, ab sofort im Wechsel zu reisen. Für anderthalb Jahre fuhr nun der Taxifahrer an jedem Wochenende.
2. Beispiel: Im Nachbardorf verfault seit Jahren ein Knabe vor der Playstation. Er ist in der 1. und in der 2. Klasse sitzengeblieben und nun auf die Sonderschule gewechselt. Seine Mutter arbeitet nicht, hat also Zeit und sollte mit ihrem Auto ihren Sproß nun morgendlich zur Einrichtung bringen (7km) und am frühen Nachmittag wieder abholen. Sie hielt diese an den finalen Rettungsversuch ihres Kindes geknüpfte Eigenleistung für unzumutbar. So startet nun jeden Morgen wiederum in der Kreisstadt ein Taxi, chauffiert den Knaben, fährt zurück, startet gegen 13.30 Uhr wieder und fährt die ganze Runde nochmal.
3. Beispiel: Dieser Fall dreht sich nicht ums Taxifahren, sondern um den Reichsarbeitsdienst, dem der Hesse Roland Koch anscheinend anzuhängen beginnt. Auch ich halte viel von der den Menschen fordernden, aber nicht überfordernden, froh erbrachten Gegenleistung für die Grundversorgung durch die Allgemeinheit. Unter Grundversorgung verstehe ich nicht den einen Teller warmer Suppe pro Tag und einen Sack Kohle, mit dem die fünfköpfige Familie im dritten Hinterhof eines Berliner Wohnblocks ihr einziges Zimmer heizen muß (wie so um 1930); ich verstehe darunter den Standard, den ein Alkoholiker-Pärchen pflegt, das ich seit Jahren im Alltag beobachten darf: Es lebt in einem Sozialhäuschen, hat den Strom umsonst und ist auch um die horrenden Kanalanschlußgebühren herumgekommen, die jüngst hier im Geviert jeder Hausbesitzer zu entrichten hatte.
Die beiden sind rüstig, machen täglich weite Gänge, und wenn gerade Monatsanfang war und die knapp tausend Euro Sozialhilfe ausgezahlt sind, dann wandern eine Flasche Korn und andere Schädelbrecher mit. Dann fährt man auch zweimal am Tage in die Stadt und kauft ein, und wenn gerade kein Bus geht, dann darfs auch mal ein Taxi sein. Irgendwann um den 20. ist das Geld immer alle, aber auf die Barmherzigkeit der Nachbarn kann man sich verlassen. Neulich sah ich den Mann Schnee schippen vor seinem Häuschen. Warum läßt man ihn nicht das ganze Dorf freischaufeln? Jeden Tag so drei, vier Stunden, das wär schon was. Kraft hat er. Und er könnte Holz spalten und Kanteln säubern und Müll einsammeln …
Übrigens: Die beiden Schreiner aus Beispiel 1 haben es in den Betrieben, in die man sie mit staatlichen Fördergeldern hineinvermitteln konnte, nicht lange ausgehalten. Der eine ist seit zwei Jahren krankgeschrieben, der andere fegt auf einer ABM-Stelle die Straße. Aber: Stuttgart gesehen!
eo
Tja, unsere
Betreuungsindustrie
ist halt ein mächtiger Wirtschaftsfaktor
in Dummland, äh Deutschland.
Schönen Dank übrigens
für den Dreckfuhler,
Herr Kubitschek.
'Alktag' ist
spitzenmäßig.
Der graue Alltag
ist für nicht wenige
Menschen heute nur
schwer erträglich,
weshalb sie ihn
zum Alktag
machen.