Helau!

Ist doch klar, daß sich die ambitioniertesten Fastnachter unterm Dach dieses weblogs verbergen, oder? Im Ernst: Sich verkleiden macht Spaß.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Zuletzt kos­tü­mier­te ich mich, als mei­ne Töch­ter wegen ihrer Zöp­fe und Leder­rän­zen in der Schu­le von über­mü­ti­gen Kna­ben gehän­selt wur­den. Weil in den sieb­zi­ger Jah­ren Perü­cken bei Damen auch in außer­kar­ne­va­lis­ti­schen Zusam­men­hän­gen en vogue waren und mei­ne Mut­ter eine mode­be­wuß­te Frau war, zäh­len ein paar sehr schö­ne Echt­haar­pe­rü­cken zum häus­li­chen Fun­dus. Mit dunk­ler Locken­mäh­ne, dazu Leder­ja­cke,  Bun­des­wehr­ho­se und einer Kip­pe im Mund­win­kel, ver­klei­de­te ich mich als obsku­re Type.

Die­se ertapp­te die Rüpel an der Schul­bus­hal­te­stel­le auf fri­scher Tat, rüt­tel­te sie am Schul-Ruck­sack und gebot her­risch Ein­halt. Schock­schwe­re­not: „Wer sind Sie denn?!” – „Ich bin dei­ne gute Fee. Und glaub mir, es ist bes­ser für Dich, wenn Du Dir Dein Maul­hel­den­tum sparst!” Die Töch­ter berich­ten, der kos­tü­mier­te und nie ent­tarn­te Auf­tritt habe erfolg­reich für nach­hal­ti­ge Ver­wir­rung gesorgt.

Mas­ke & Mime­sis - wir fin­den vor: eine Sehn­sucht nach Authen­ti­ti­zi­tät, nach unmas­kier­ter Wahr­haf­tig­keit in einer Welt vol­ler Ent­frem­dungs­phä­no­me­ne einer­seits, ein Illu­si­ons­be­dürf­nis ande­rer­seits: weil alles ent­zau­bert und ent­my­thi­siert ist. Es ist doch so: Das Schö­ne & Gute kön­nen wir leich­ter iden­ti­fi­zie­ren als das Wah­re. Was ist schon wahr und wer wahr­haf­tig; was Schein, was Sein, gera­de unterm gän­gi­gen Zei­chen vol­un­t­a­ris­ti­scher Iden­ti­täts­kon­zep­te? Das Gebot „Wer­de, der du bist” zieht sich von Pin­dar über Höl­der­lin bis Nietz­sche durch den abend­län­di­schen Kate­chis­mus. Wer spielt wel­che Rol­le, und mit wel­cher Notwendigkeit?

Mer­ke: Das Wort „Kos­tüm” stammt von lat. con­sue­tu­do und wur­de einst in Zusam­men­hän­gen mit „Sit­te” und „Her­kom­men” (vor allem in Bezug auf Trach­ten, Waf­fen und Gebäu­de, also: das Eige­ne) ver­wen­det. Das eben­falls latei­ni­sche per­so­na, das wir heu­te mit per­sön­li­cher Indi­vi­dua­li­tät asso­zi­ie­ren, mein­te das Gegen­teil, näm­lich die Mas­ke, die zu spie­len­de Rol­le. Auch das alt­grie­chi­sche pro­so­pon mein­te Gesicht/Mensch eben­so wie Maske.

Was sagt uns das heu­te? Der Begriff der „Uni­form” jeden­falls ist weit­hin nega­tiv kon­no­tiert, er mutet sol­da­tisch an oder wenigs­tens kol­lek­ti­vis­tisch. Den­noch fin­den wir selbst­ge­wähl­te Uni­for­mie­run­gen heu­te reich­lich genug. In der Mode, der denk­bar kol­lek­tivs­ten Ver­klei­dungs­art, sowie­so, zudem in zahl­rei­chen nomi­nell indi­vi­dua­lis­ti­schen Grup­pie­run­gen: Unter Kar­ne­va­lis­ten (Fun­ken­ma­rie­chen, Elfer­rat) mit ihrem an alte Uni­for­men ange­lehn­ten Dreß sowie­so, zudem etwa unter Fuß­ball­fans, Man­ga-Jün­gern, den soge­nann­ten Trans­gen­dern, Punks oder Gothics oder den Freun­den des his­to­ri­schen Re-Enactment.
Alles, was tief ist, liebt die Mas­ke, sagt Fried­rich Nietz­sche. Als was gehst Du? , fragt der Gat­te, der sich für “Yukio Mishi­ma” ent­schie­den hat. „Ali­ce Schwar­zer”, sag ich, was sonst? Weil die Luft­bal­lons vor­ne dau­ernd und läs­ti­ger­wei­se ver­rutsch­ten, dis­po­nie­re ich um. Lou Salo­mé, yes, mit Peit­sche, da erkennt mich wenigs­tens keiner.

Bild­quel­le: ilkin.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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