eine Motor-Säge anzuschmeißen oder einen Farb-Eimer zu entleeren. Dabei gibt es doch dutzende lohnender Ziele für eine Erneuerung und Wiederbelebung des Manifests. Falls also doch noch jemand einen “Salto mortale” vorhat: Wir interessieren uns IMMER für “fiebrige Schlaflosigkeit” und unangebrachten “Laufschritt”.
Da heute auch der 100. Jahrestag der “Verachtung des Weibes” ist, werde ich in wenigen Minuten den Rechner verlassen und in die Küche eindringen, um ein Menü zu kochen:
Ich werde es zusammenstellen aus Rezepten der futuristischen Luftpoeten Marinetti und Fillia. Die futuristische Revolution der Kochkunst nähmlich setzt sich
das hohe, edle und gemeinnützige Ziel, die Ernährung unserer Rasse radikal zu ändern, um diese zu stärken, zu dynamisieren und zu spiritualisieren, und war durch ganz neue Speisen, bei denen Erfahrung, Intelligenz und Phantasie so wichtig sein werden wie bei den bisherigen Quantität, Einfallslosigkeit, Wiederholung und Preis.
Die Kinder werden – aus der Schule kommend – das gültige Bild rasender Verschwendung wahrnehmen dürfen und sich an einem “Extremistenmahl” delektieren (ich lese soeben, daß man sie zur Steigerung des Eindrucks zwei Tage lang hätte fasten lassen müssen). Da die futuristische Küche vom Zusammenwirken der Sinne lebt, muß ich passende Texte rezitieren, während sich die Mäuler an den “eingekerkerten Düften”, den “Simultanspeisen” und dem “Frühlingsparadoxon” abarbeiten.
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Gut, es ist aus: Meinem Weib, das zu verachten mir selbst an einem Jahrestag wie dem heutigen unmöglich ist, trug ich eben mit hohem Ton den rasanten Küchen-Plan vor. Sie war nicht beeindruckt, sondern voll des Spotts: Musealer als ich könne man nicht sein. Ausgerechnet am 100. Jahrestag des Futuristischen Manifests so ein bißchen Erinnerungs-Dynamik verspritzen? Scher dich ins Büro, Mann. Wenn, dann koche aggressiv, wenn dir danach ist: überfallartig und ohne historischen Auftrag.
(Es wird Kartoffelbrei und Gulasch geben, nachher).