Steine im Osten

 

von Claus Wolfschlag

Wir leben in architektonisch schwierigen Zeiten. Die Herrschaft des Baumodernismus ist hierzulande immer noch umfassend.

Jun­ge Archi­tek­tur-Stu­den­ten wer­den an den vom moder­nis­ti­schen Lehr­per­so­nal beherrsch­ten Hoch­schu­len früh­zei­tig auf Linie gebracht und tre­ten dann in die Fuß­stap­fen ihrer Meister.

Gegen­po­si­tio­nen, etwa jene von Leon Krier oder von Patzschke und Part­ner haben es immer noch schwer, aus­rei­chend Gehör zu fin­den. Beson­ders, wer sich die Ver­ga­be deut­scher Archi­tek­tur­prei­se ansieht, bekommt einen Ein­druck davon, was der­zeit oder immer noch als „hip“ in Archi­tek­ten­krei­sen gilt: ein­tö­ni­ge und schmuck­lo­se Beton- und Glas­kis­ten, gele­gent­lich gar­niert durch selbst­ver­lieb­te Form­spie­le­rei­en von Archi­tek­ten mit Ambi­tio­nen.  Das alles natür­lich inter­na­tio­na­lis­tisch und aus­tausch­bar bis zum Abwinken.

Bedenk­lich ist aller­dings, daß all die­se ermü­den­den Flach­dach­schach­teln aus der Bau­haus-Tra­di­ti­on oder man­che auf “inter­es­sant” machen­den Groß­mons­tro­si­tä­ten nicht nur ihren Preis bekom­men, son­dern meist auch gebaut wer­den und dann in der Gegend her­um­ste­hen, sie also gra­vie­ren­den Ein­fluß auf die Lebens­welt der Bür­ger neh­men. Und dabei zur all­ge­mei­nen Ent­frem­dung beitragen.

Eini­ge Bei­spie­le, wahl­los ausgesucht:
Alu­mi­ni­um-Archi­tek­tur-Preis
– Archi­tek­tur­preis „Zukunft 2000“
– Leip­zi­ger Architekturpreis
– Bran­den­bur­gi­scher Architekturpreis
– Archi­tek­tur­preis Nordrhein-Westfalen
– Deut­scher Archi­tek­tur­preis (oder alter­na­tiv)
– „Das bes­te Haus“ – Architekturpreis
– Son­der­preis der Fach­ver­ei­ni­gung Deut­scher Betonfertigteilbau
– Archi­tek­tur­preis Beton
– Unipor-Architekturpreis
– BDA-Archi­tek­tur­preis „Gro­ße Nike“

Deut­sche Archi­tek­tur­prei­se sind also höchst frag­wür­di­ge Aus­zeich­nun­gen. Die Ergeb­nis­se ähneln sich und sind dabei sel­ten von der Gra­zie geküßt. Erst recht nicht von Tra­di­ti­on, also tra­di­tio­nel­ler oder regio­na­ler Bau­kul­tur. Hier sind die Leu­te, die immer noch unse­re Städ­te und Land­schaft gestal­ten, unter sich.

In ande­ren west­li­chen Län­dern  ist es kaum besser:
– TECU Archi­tec­tu­re Award 2007
– Capa­rol Architekturpreis
– Archi­tek­tur­preis Far­be – Struk­tur – Oberfläche

Ein ein­dring­li­ches Bei­spiel für den gegen­wär­ti­gen Zustand der Bau­ge­sin­nung ist auch die Mon­te Rosa Berg­hüt­te in den Wali­ser Alpen (Schweiz). Die ganz tra­di­tio­nel­le alte Hüt­te hat man nun durch ein angeb­lich “öko­lo­gi­sches” dekon­struk­ti­vis­ti­sches Mons­trum ersetzt, in dem sich ver­mut­lich nur noch irgend­wel­che “Trek­ker” oder “Biker” ganz wie zu Hau­se füh­len mögen.

Daß es auch ganz anders gehen kann, ver­rät hin­ge­gen ein Blick in den Osten. Drei Beispiele:

1. Zuerst neue tra­di­tio­nel­le Bau­kul­tur in Ost­eu­ro­pa. Man schaue nur ein­mal auf die Sei­te 1 die­ses Forums und man wird ange­sichts eini­ger rus­si­scher Neu­bau­pro­jek­te ins Schlu­cken gera­ten. (Wie gesagt, Sei­te 1 des Forumstran­ges reicht.)
2. In Polen baut man der­zeit die im Krieg zer­stör­te Alt­stadt von Elbing/Elblag wie­der auf. Nicht als Rekon­struk­ti­on, aber als Wie­der­her­stel­lung des Stadt­grund­ris­ses mit moder­ner, aber tra­di­tio­nell aus­ge­rich­te­ter Archi­tek­tur. Ich fin­de, gro­ßen­teils recht gelun­gen. Man betrach­te Foto 1, Foto 2 und Foto 3.
3.  Der neue Land­wirt­schafts­kom­plex in Kasan, Haupt­stadt des rus­si­schen Lan­des­teils Tatar­stan. Wie gesagt, ein Neu­bau. Und recht gro­ßes Kino, vor allem die Nacht­auf­nah­men. Bau­kos­ten offen­bar rela­tiv schlap­pe 25 Mil­lio­nen Euro.

Das alles ist natür­lich kei­nes­wegs feh­ler- und makel­los. Die Gren­ze zum Kitsch ist statt des­sen nahe. Den­noch erfri­schen die­se unbe­küm­mer­ten Ansät­ze ange­sichts der fest­ge­fah­re­nen west­eu­ro­päi­schen Situa­ti­on. Und der Beweis ist erbracht: Es geht also auch anders. Bloß, der Wil­le fehlt hier­zu­lan­de (noch).

 

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