Hegemanns wohlfeil-„intertextuelle“ Spannungsliteratur fuhr keine weiteren Lorbeeren ein, und Norbert Leitholds Buch hatte man wegen dessen beizeiten „enttarnter“ Porno-Karriere ja noch kurz vor Wahlurnenschluß von der Liste genommen. Werte gelten also noch was hierzulande, wie wunderbar.
Mit größerer Spannung hatte ich auf die ebenfalls gestern bekanntgegebene Liste der Nominierungen zum Deutschen Jugendliteraturpreis gewartet. In den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten hatte sich nämlich gezeigt, daß es um das deutsche Kinder- und Jugendbuch anscheinend noch viel schlechter steht, als ich schon immer unkte. Stets handelte es sich sowohl bei den Nominierungen als auch bei den tatsächlichen Preisträgern (die zur Frankfurter Buchmesse im Herbst verkündet werden) in der deutlichen Mehrzahl um Übersetzungen – und somit um Zukäufe aus dem Ausland, die sich für die Verlage relativ risikoarm gestalten, da es sich ausnahmslos um Titel handelt, die in Frankreich, den USA oder Holland bereits Kassenschlager waren. (Und daß es sich bei solchen Preisen vor allem um Werbeeffekte handelt, ist klar.)
Die Bilanz in diesem Jahr ist diesbezüglich traurig wie immer. Allein im Bereich „Sachbuch“ (wo in den Vorjahren stets überwiegend ausländische Titel nominiert wurden, was verstehe, wer will!) gibt es Hoffnung: Hier sind unter den sechs für preiswürdig befundenen Titeln fünf ursprünglich deutschsprachige Titel. Beim Bilderbuch (!) sowie beim Jugendbuch stehen drei übersetzte Werke drei deutschen Schöpfungen gegenüber, beim Kinderbuch haben wir gar vier Übersetzungen, und die sogenannte Jugendjury – fraglich bleibt, welche Auswahl da zur Verfügung gestellt wurde – wählte keinen einzigen originell deutschen Titel.
Grundsätzlich bezweifele ich nicht, daß beispielsweise “Das Mädchen mit den drei Namen” (über eine kleine Jüdin im von den Deutschen besetzten Holland – übrigens ‚wie seit Jahrzehnten “üblich”, von Miriam Pressler übersetzt) oder “Ihr kriegt mich nicht” (ein aus dem Schwedischen übersetztes Sozialdrama) herzzerreißend gute Bücher sind. Nur: Ich glaube nicht, daß deutsprachige Autoren nicht ähnliches zu bieten hätten. Sollte man nicht wenigstens den Titel des Preises modifizieren? Statt Deutscher Jugendliterauturpreis lieber Preis für Jugendliteratur in Deutschland? Oder so? Immerhin handelt es sich bei der Auszeichnung um den einzigen literarischen Staatspreis, er wird vom Bundesfamilienministerium gefördert.
Das Logo des DJLP übrigens finde ich ästhetisch ansprechend, komme aber nicht umhin, auf die Zweifelhaftigkeit der inbegriffenen Symbolik zu verweisen. Der Hase (der mich sehr an die Hauptfigur eines meiner Lieblingskinderbücher – eine Übersetzung wohlgemerkt!-, an Edward Tulane erinnert) stellt ein Kind dar, soviel ist klar. Wer ist aber das große Tier mit den Bockshörnern und dem seltsam übergroßen schwarzen Mantel?! Die Erdbeere als Symbol der sexuellen Verführung jedenfalls ist von Theodor Storm (Immensee) bis Ernst Jünger (Burgunder-Szene) inventarisiert. Ganz schön unsensibel …