dann auch Wein mit im Spiel. Jedenfalls aber ist aller Argwohn fort, und die Gespräche, Fragen, Äußerungen haken sportlich ineinander. Die Kontrahenten sind nicht auf Vernichtung aus.
Es muß schrecklich sein, immer etwas sagen zu müssen, wenn man weiß, daß es nicht so ist. Ich sah es vor Tagen Herrn Westerwelle – der sonst so gern spricht – an, daß er wußte: Nun würde er wieder etwas sagen müssen zu einem Thema, von dem er nichts verstand. Er würde gleich vor laufender Kamera eine Antwort geben müssen auf eine Frage, die er nicht vorausahnen konnte. Jedes Zögern würde so interpretiert, jedes Wort so gewogen, jeder Satz so gestutzt werden, daß Millionen von Zuschauern Kompetenz oder Inkompetenz würden ablesen können – und so, wie Lage und Erwartungshaltung waren: sicherlich Inkompetenz.
Was für ein Privileg, nicht ständig etwas sagen zu müssen! Kommentatorin Löffelstiel schrieb vor ein paar Tagen:
Lieber Götz Kubitschek, taugt die Sparte ‘Zur Diskussion gestellt’ für gestandenen Themen/Personen? Ich vermisse übergreifende Finanz- und Wirtschaftsthemen: Ruin deutscher Traditions-/ Familienunternehmen und Hintergründe. Ich vermisse: Zorn über den systematische Verhökern deutscher Unternehmen. Stichworte: Ratiofarm, Karstadt… Hier fehlt mir ein Einhaken, ein In-Frage-Stellen…, wenigstens ein Antippen. Nicht einmal in der Presseschau. Carl Schmitt geht uns doch wahrlich nicht verloren.
Nein, er geht uns nicht verloren, so wie – zumindest in unserem Geviert – nichts verlorengeht, was wir einmal bedacht haben. Aber verloren gingen wir selbst, wenn wir der Gefahr erlägen, alles bedenken zu wollen und zu allem – vor allem dem Flüchtigen – etwas zu sagen zu haben.
Ich habe zur Wirtschaftsordnung keine Meinung und kann Fragen danach nur ganz kleinteilig, konkret, lebenspraktisch beantworten, mithin: subjektiv, mithin: mit beiden Füßen in der “Beispielfalle”. Ich kann meinen Kindern noch nicht einmal erklären, bei wem sich unser Staat nun erneut 80 Milliarden Euro leiht, und wer den Zins einstreicht, den wir alle dafür Jahr für Jahr aufzubringen haben.
Ich kann nur wieder mit Schmitt kommen und sagen, daß jeder Staat einen “Beutewert” hat, und daß es der liberale Staat ist, der sich selbst zur Beute macht, indem er das Primat der Politik zugunsten des Primats der Wirtschaft aufgibt. Ist das nun die “Abstraktionsfalle”?
Ja, so kann man das sehen: Abstraktion oder Beispiel, das ist das, was wir können (oder “nur” können), und das ist das, was erwarten kann, wer dieses Netztagebuch liest oder die um vieles konzentriertere Druckausgabe: das Grundsätzliche und das Konkrete, und nur zu Themen, von denen wir etwas verstehen. Denn zum Glück haben wir es so einrichten können, daß wir nicht zu allem etwas sagen müssen.
rautenklausner
Voller sprachneid schaue ich manchmal von links unten auf gk herab. So einen wuenschte ich mir fuer das neue deutschland oder die junge welt, so wie ich mir frueher einen ernst oder fg juenger in die eigenen reihen hinein gewuenscht habe. So jemand muss auch zu detailfragen der staatlichen besoldungsordnung fuer fachkraefte im innerstaedtischen gartenbauwesen nichts zu sagen haben. Und dabei gewinne ich immer mehr den eindruck, dass da einer s e i n leben verfehlt, anscheinend in folge einseitiger jugendlektueren und eines vermeintlich abenteuerlichen herzens. Der ksa-kinderkram, aktionsformen, mit denen wir linke uns seit jahrzehnten blamieren und ueber unsere hilfslosigkeit hinwegzutaeuschen versuchen, freundschaften, die sich nicht bewaehren werden: 'du musst dein leben aendern', moechte man da ausrufen, wenn der rilke-spontispruch nicht schon so ausgeleiert waere. Aber gk ahnt da vielleicht auch etwas, der heutige eintrag scheint es anzudeuten. Warum sollte man sich auch fuer eine kontemplative existenz schaemen. Freilich, konservative subversive kontemplation, das klingt nicht so steil.