Lichtertanz um Rosenkranz

Vor ein paar Wochen habe ich in diesem Blog die These aufgestellt, daß in Österreich auf dem Gebiet der politischen Auseinandersetzung "Grade an Grunzdummheit, Niedertracht und Giftigkeit erreicht" werden, ...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

… “die man sich in der Bun­des­re­pu­blik, wo die Ver­ve schon längst in klap­pern­de, ritua­lis­ti­sche Rou­ti­ne ver­pufft ist, kaum vor­stel­len kann.”

Anlaß waren die Ver­su­che diver­ser Medi­en und Poli­ti­ker, ein semi-inqui­si­to­risch geführ­tes TV-Inter­view der FPÖ-Poli­ti­ke­rin und Kan­di­da­tin für die Bun­des­prä­si­dent­schaft Bar­ba­ra Rosen­kranz zu skan­da­li­sie­ren.  Um die Angrif­fe zu kon­tern, ließ Rosen­kranz eine “eides­stät­ti­ge Erklä­rung” fol­gen mit den übli­chen obli­ga­ten Sprüch­lein (“Ich ver­ur­tei­le daher aus Über­zeu­gung die Ver­bre­chen des Natio­nal­so­zia­lis­mus und distan­zie­re mich ent­schie­den von der Ideo­lo­gie des Nationalsozialismus.”)

Genützt hat es ihr selbst­ver­ständ­lich rein gar nichts, schon allein wegen der Gau­di, die ein Fall wie die­ser in Aus­sicht stellt.  Und so durf­te am Don­ners­tag um 19 Uhr vor der Wie­ner Hof­burg  der Vor­hang auf­ge­hen für den nächs­ten Akt der Ope­ret­te. Wie in den guten alten Zei­ten wur­de ein Mas­sen­auf­ge­bot an enthu­si­as­mier­ten, bekennt­nis­brüns­ti­gen Sta­tis­ten mobi­li­siert, die “tau­sen­de Fackeln und Ker­zen” enzün­de­ten, wäh­rend in Wien welt­be­rühm­te Show­stars aus Poli­tik, Büh­ne und Fern­se­hen Kund­ge­bun­gen “gegen Bar­ba­ra Rosen­kranz als Bun­des­prä­si­den­tin” zum Bes­ten gaben. Die (nicht ganz so abwechs­lungs­rei­che) Palet­te der muti­gen Wider­ständ­ler gegen die zwei­fel­los bedroh­lich unmit­tel­bar vor der Tür ste­hen­de Macht­er­grei­fung der Rosen­kranz reich­te von inter­es­sier­ter poli­ti­scher Sei­te (Erhard Busek, Ari­el Muzi­cant)  über Kaba­ret­tis­ten und Unter­hal­tungs­mu­si­ker (Alfons Hai­der, Josef Hader,  Gün­ter Mokesch) bis zu All­round-Wich­tig­tu­ern wie André Heller.

Damit das sen­ti­men­ta­le gut­men­scheln­de Gemüt mit sei­nem wei­chem Her­zen und wei­chem Hirn nicht zu kurz kommt, wäh­rend es zur ritu­el­len Hexen­ver­bren­nung sei­ne als Kerz­chen getarn­ten Brand­fa­ckeln anmacht, und um die ausg’schamte Idio­tie die­ser Num­mer zu ver­voll­komm­nen, nennt sich der Zir­kus allen Erns­tes, jeden Genie­rer über Bord wer­fend, “Lich­ter­tanz gegen Rosen­kranz” (daß es irgend­was mit “Lich­ter” drin­nen sein wird, war ja klar, aber “Lich­tertanz”  ist so unge­fähr der Gip­fel der poli­ti­schen Schwu­li­tät.) Also der übli­che Kitsch, gar­niert mit Brot und Spie­len und dem woh­li­gen Rausch, auf der Sei­te der Guten zu ste­hen, bewähr­te Ingre­di­en­zi­en, mit denen man effek­tiv jeg­li­cher ratio­na­len Dis­kus­si­on ent­ge­gen­wirkt. Laut ORF sol­len sich an die 3,000 blö­ken­de Lämm­chen ein­ge­fun­den haben.

Inzwi­schen wur­de auch noch eine Web­sei­te mit dem Titel “Frau­en gegen Rosen­kranz” auf die Bei­ne gestellt, unter Vor­sitz der Wie­ner Vize­bür­ger­meis­te­rin Magistra (soviel Zeit muß sein) Rena­te Brau­ner (SPÖ), mit­samt Binnen‑I’s, abge­dro­sche­nen Pla­ti­tü­den gegen Into­le­ranz­frem­den­feind­lich­keitun­d­ras­sis­mus, und nazi­keu­len­schwin­gen­den Betrof­fen­heits­ge­sich­tern, die mit Intel­li­genz­mel­dun­gen wie die­sen unterhalten:

Mag.a Michae­la M.-L. (43), Unter­neh­me­rin: “Für mich ist jede Per­son des öffent­li­chen Lebens, die nicht zu jeder Zeit ein­deu­tig und klar die sys­te­ma­ti­sche Ver­nich­tung der Juden im 3. Reich aufs Schärfs­te ver­ur­teilt hat für immer für jedes poli­ti­sche Amt inakzeptabel.”

Renée Sch. (56), Uni­ver­si­täts­pro­fes­so­rin: “Angst vor dem „Frem­den“ ist evo­lu­tio­när erklär­lich und in jedem von uns vor­han­den. Am bes­ten bekämpft man die­se Angst in dem man das Frem­de zum Ver­trau­ten macht.”

Eli­sa­beth O. (74), Schau­spie­le­rin: “Die Kan­di­da­tur der Bar­ba­ra Rosen­kranz für das höchs­te Amt des Staa­tes bedeu­tet eine schwe­re Ruf­schä­di­gung für die­ses Land. Öster­reich wird dadurch zum wie­der­hol­ten Mal in die NS- Schmud­del­ecke zurückgestossen.“

Mit ande­ren Wor­ten: gegen den Anti-Rosen­kranz-Auf­marsch war die Kam­pa­gne gegen Eva Her­man auf gut wie­ne­risch gespro­chen “ein Schaß”.  Sie ist allen­falls ver­gleich­bar mit dem media­len Haß und Hohn, der in den USA einer Sarah Palin ent­ge­gen­schlug.  Wären Frau­en wie Palin und Rosen­kranz wirk­lich so “vor­sint­flut­lich”, “ewig­gest­rig”, “rück­schritt­lich”, “mit­tel­al­ter­lich anmu­tend” und wie der­lei Schlag­wor­te lau­ten,  dann wären sie aller­dings wohl kaum imstan­de, die Links­li­be­ra­len der­art zur Weiß­glut zu trei­ben, wie man es eben wie­der beob­ach­ten kann. Wo die poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung sich nur mehr auf der Ebe­ne der Affekt­ab­re­ak­ti­on und Pro­jek­ti­ons­flä­chen­bil­dung bewegt, da kann man mit Sicher­heit davon aus­ge­hen, daß dort ein dicker Hund begra­ben liegt.

In den USA hat immer­hin die dis­sid­ent­fe­mi­nis­ti­sche Quer­den­ke­rin Camil­le Paglia (eine mei­ner ewi­gen Hel­din­nen), wäh­rend des Wahl­kamp­fes 2008 Sarah Palin pro­vo­ka­tiv als “neue femi­nis­ti­sche – ja femi­nis­ti­sche!- Kraft” bezeich­net, als Sports­frau mit “phy­si­schem Wage­mut und unbe­zähm­ba­ren Geist”:

… das ist die Palin-Mar­ke eines hemds­är­me­li­gen, Elche jagen­den Femi­nis­mus ohne fau­le Aus­re­den, Wel­ten ent­fernt von dem jam­mern­den, müde-iro­ni­schen Schnep­fen-Stil des femi­nis­ti­schen Estab­lish­ments (…). Der Femi­nis­mus soll­te nicht zur geschlos­se­nen Gesell­schaft ver­kom­men, in der man sich einem ideo­lo­gi­schen Lit­mus-Test unter­zie­hen muß, um Mit­glied wer­den zu dürfen.

Ver­mut­lich hat die Wut auf Bar­ba­ra Rosen­kranz ähn­li­che Grün­de:  nicht nur hat sie das von ihr pro­pa­gier­te Fami­li­en­ide­al mit sage und schrei­be zehn Kin­dern qua­si über­erfüllt, sie hat es neben­bei auch noch geschafft, das mit einer beacht­li­chen Kar­rie­re auf einem män­ner­do­mi­nier­ten Gebiet zu ver­bin­den (und nun will sie auch noch die ers­te Bun­des­prä­si­den­tin Öster­reichs wer­den!) Damit hat sie schon ein­mal durch ihren eige­nen Lebens­weg bewie­sen, daß die Ver­bin­dung von Fami­lie und Kar­rie­re für begab­te und tüch­ti­ge Frau­en durch­aus mög­lich ist, und daß es ihr eben kei­nes­wegs um die Reduk­ti­on der Frau auf “Küche und Kin­der” geht.

Die Miß­ach­tung die­ser unge­wöhn­li­chen Leis­tung warf Paglia auch den Ver­äch­tern Sarah Palins vor:

Ein Femi­nis­mus, der die­ses Bra­vour­stück der ers­ten weib­li­chen Gou­ver­neu­rin eines Grenz­staa­tes unter hohem Druck nicht bewun­dern kann, ist kei­nen war­men Eimer Spu­cke wert.

Daß Rosen­kranz ihren Beruf offi­zi­ell als “Haus­frau” angibt, ist in die­sem Zusam­men­hang eine herr­li­che Pro­vo­ka­ti­on, und beweist auch ihre Unab­hän­gig­keit gegen­über nega­ti­ven weib­li­chen Rol­len­zu­schrei­bun­gen – denn auch die Haus­frau wur­de zu Unrecht und zum all­ge­mei­nen Scha­den sowohl der Frau­en ins­ge­samt als auch der Gesell­schaft vom Femi­nis­mus bespuckt und sozi­al abge­wer­tet bis zum Über­druß, und sein her­ab­las­sen­des Bru­ha­ha ist inzwi­schen All­ge­mein­gut geworden.

Aber das ist noch nicht alles: im Gegen­satz zu der zwar tat­kräf­ti­gen, aber nun doch wirk­lich etwas dum­men Sarah Palin, und zur muti­gen, aber intel­lek­tu­ell auch nicht gera­de son­der­lich her­aus­ra­gen­den Eva Her­man, ist Rosen­kranz eine auch theo­re­tisch scharf­sin­ni­ge und rede­ge­wand­te Kri­ti­ke­rin des lin­ken Femi­nis­mus und der Gen­der-Ideo­lo­gie. Das kann man in ihrem sehr guten Buch “Men­schIn­nen – Auf dem Weg zum geschlechts­lo­sen Men­schen”, oder auch in einem Inter­view mit der JF nach­le­sen.

Aus der Lek­tü­re wird auch ersicht­lich, daß die­ses gan­ze Extre­mis­mus- und Nazi­keu­len­ge­schrei, mit dem in Öster­reich nun zu den bekann­ten unsäg­li­chen, ver­nunft­feind­li­chen Insze­nie­run­gen geru­fen wird, der Ver­ne­be­lung der Tat­sa­che dient, daß Rosen­kranz nichts ande­res ver­tei­digt als den boden­haf­ten­den, rea­lis­ti­schen com­mon sen­se gegen die Ideo­lo­gen, die in unver­ant­wort­li­cher Wei­se mit der Zukunft der Men­schen han­tie­ren.  Ihr Ver­bre­chen besteht dar­in, sich nicht vor den Hei­li­gen Kühen der Lin­ken nie­der­ge­wor­fen zuha­ben, und aus kei­nem ande­ren Grund soll die Hexe nun ver­brannt werden.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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