Carl Schmitt verteidigen?

Ja, das scheint nötig zu sein, jetzt, wo er als Billard-Kugel verwendet werden soll, um den General in spe Erich Vad von...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

der Kar­rie­re­lei­ter zu sto­ßen. Vad selbst übri­gens, der in die­ser Zeit­schrift ein­mal über die Aktua­li­tät Carl Schmitts einen Bei­trag ver­öf­fent­lich­te, weiß weder die Angrif­fe auf sich selbst noch die auf Schmitt ange­mes­sen abzuschlagen.

Er pro­bier­te es viel­mehr der taz gegen­über mit der immer glei­chen, stets fal­schen Aus­weich­be­we­gung: Er hät­te nie geschrie­ben, wo er schrieb, hät­te er gewußt, welch Geis­tes Kind die Sezes­si­on schon damals, also von Anbe­ginn an, gewe­sen sei. Nun, so müs­sen wir bei­de, er und ich, uns gründ­lich über ein­an­der getäuscht haben auf jener Win­ter­aka­de­mie Anno 2003 in Hei­li­gen­stadt, wo Vad über Schmitt refe­rier­te und dann, in einem lan­gen Gespräch vor den gedien­ten und dienst­wil­li­gen jun­gen Män­nern den Angriffs­krieg gegen den Irak recht­fer­tig­te – mit Argu­men­ten, die heu­te längst als papie­ren, als US-ame­ri­ka­ni­sche Pro­pa­gan­da ent­larvt sind.

Es ärgert mich bis heu­te, daß ich Vad damals nicht die Fra­ge nach dem von Carl Schmitt so klar­sich­tig schon in der Anfangs­pha­se des II. Welt­kriegs for­mu­lier­ten “Inter­ven­ti­ons­ver­bot raum­frem­der Mäch­te” stell­te oder ihm den wun­der­ba­ren Satz Schmitts vor­hielt: daß nämlich

die Erde immer grö­ßer blei­ben wird als die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka und daß sie auch heu­te noch groß genug ist für meh­re­re Groß­räu­me, in denen frei­heits­lie­ben­de Men­schen ihre geschicht­li­che, wirt­schaft­li­che und geis­ti­ge Sub­stanz und Eigen­art zu wah­ren und zu ver­tei­di­gen wissen.

Schmitt: Der Staats- und Ver­wal­tungs­recht­ler Hel­mut Qua­rit­sch hat ihn in sei­nem Buch Posi­tio­nen und Begrif­fe Carl Schmitts ver­tei­digt, und zwar auf den Sei­ten 87 bis 120, die mit “Der Kon­ver­tit” über­schrie­ben sind. Ich emp­feh­le die­ses Kapi­tel nach­drück­lich zur Lek­tü­re: Man lacht danach über die Schweiß­per­len auf der Stirn des ein oder ande­ren Gene­rals, atmet durch und fragt sich, wie­so man nicht bei Qua­rit­sch stu­diert hat.

Qua­rit­sch beschäf­tigt sich mit der Situa­ti­on Schmitts in den Mona­ten vor und nach dem 30. Janu­ar 1933 und zeigt, daß Schmitt an der Sei­te von Schlei­chers zunächst den Bestand der Wei­ma­rer Repu­blik sichern woll­te gegen die Über­nah­me der Macht durch die als Par­tei bemän­tel­te tota­li­tä­re Bewe­gung des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Zeug­nis die­ser Theo­rie der Ver­tei­di­gung, die Schmitt den Mäch­ti­gen der Repu­blik an die Hand gab, ist die Schrift Lega­li­tät und Legi­ti­mi­tät.

Von Schlei­cher wur­de im Zuge der Röhm-Affai­re ermor­det. Schmitt hat­te mehr als gute Grün­de, auch sei­nen Kopf gefähr­det zu sehen. Qua­rit­sch erklärt den berühmt-berüch­tig­ten Auf­satz “Der Füh­rer schützt das Recht” auch als Teil einer Ver­tei­di­gungs­li­nie, die Schmitt um sich errich­te­te. Jedoch tritt Qua­rit­sch nicht in die Fal­le, in der so vie­le kon­ser­va­ti­ve, rech­te Schmitt-Leser ste­cken, weil sie behaup­ten, daß Schmitt in sei­ner Bezie­hung zum NS nur falsch ver­stan­den wür­de: Schmitt war für eini­ge Jah­re über­zeug­ter Anti­se­mit, und er hat mit Tex­ten, die juris­tisch schwer halt­bar sind, auch sei­ne eige­ne Kar­rie­re zu beför­dern gesucht. Daß Rosen­berg und ande­re die­se Kar­rie­re nicht zulie­ßen und Schmitt ab 1936/37 kalt­stell­ten, ist bei Qua­rit­sch gut zusam­men­ge­faßt nachzulesen.

So wie Schmitt konn­te man sein, auch eine Bega­bung wie er hat einen “Sitz im Leben”, hat sich 1932 eben­so irgend­wie zu posi­tio­nie­ren wie 1933 oder 1939. Das ist heu­te nicht anders, und Erich Vads Sitz im Leben ist irgend­wo auf der vor­letz­ten oder vor­vor­letz­ten Spros­se der Lei­ter, und so ver­hält er sich gegen den Laub­sä­gen-Angriff wie er sich ver­hal­ten zu müs­sen ver­meint. Er wird zurecht­kom­men, so oder so, und wir soll­ten der­weil wei­ter­hin Schmitt lesen. Die für mei­ne Fra­ge­stel­lung rele­van­ten Bücher:

Qua­rit­sch: Posi­tio­nen und Begrif­fe Carl Schmitts (dar­in: “Der Konvertit”)
Schmitt: Posi­tio­nen und Begrif­fe (dar­in: “Der Füh­rer schützt das Recht”)
Schmitt: Lega­li­tät und Legi­ti­mi­tät (eine Art Hand­rei­chung zur Ver­tei­di­gung der Republik)
Schmitt: Völ­ker­recht­li­che Groß­raum­ord­nung mit Inter­ven­ti­ons­ver­bot für raum­frem­de Mächte
Schmitt: Das inter­na­tio­nal­recht­li­che Ver­bre­chen des Angriffskrieges

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (35)

Andreas Kröpcke

7. April 2010 14:04

Na? Bis dato nur ein taz-Artikel und ein Interview mit einem Politologen-Jungspund von der RWTH in einer obskuren Internet-Radiostation. Ferner diverses Langweiler-Blogs-Geschreibsel.

Reicht's nicht?

Arialds_Blog

7. April 2010 14:24

Nach allem was ich bis jetzt in der SEZESSION und von Götz Kubitschek über Carl Schmitt gelesen habe, ist es nicht weniger als eine Schande dass sein Name in meiner (bayerischen) Schulzeit nicht ein einziges Mal gefallen ist! Stattdessen nur linke Mahnerliteratur, von Anne Franks Tagebuch über Hitlerjunge Salomon, Biedermann und die Brandstifter bis zu Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Warum nicht auch mal einen politischen Text von Carl Schmitt, warum nicht einmal die "Betrachtungen" des Thomas Mann? Ist das historische Wahrheit? Wohl kaum. Das ist Indoktrination! Und als Schüler fällt einem dies nicht einmal auf, ein Skandal.

Dies muss und wird gestoppt werden. Der Zeitgeist dreht bereits.

Martin

7. April 2010 16:08

Ach, Herr Kubitschek,

hier gehts doch gar nicht mehr um Carl Schmitt oder dessen Inhalte ... Sie haben mit Ihrer Internetmeldung über die Beförderung Vads unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Artikel in der Sezssion den Ball ins Spielfeld geschossen, wohlwissend, dass die Sezessions- Internetseite mittlerweile Antifa-Tageslektüre genauso wie pi-news etc. ist.

Das erst jetzt von denen dieser Ball angenommen wurde, erstaunt als einziges daran. Wenn nun Vad tatsächlich einen Karriereknick haben sollte, dann wäre er wiederum Ihr Vorzeigeobjekt dafür, dass man in Deutschland sich nicht frei über Themen wie Carl Schmitt äußern darf und schon gar nicht in Ihrer Zeitung ... dann wäre er plötzlich eine Heiliger, den man zum Opfer linker "Meinungshoheit" stilisieren kann, wie Sarrazin und Co (das diese Stilisierung dann sogar mit gewissem Recht erfolgen würde, ist ein anderes Thema ...).

Herr Vad tut mir jetzt nicht gerade leid, aber in ein Spiel, wie dieses zwischen links und rechts möchte ich auch nicht kommen ...

Sie, Herr Kubitschek, sollten etwas diskreter mit Ihren Autoren umgehen, sonst bekommen sie keine guten aus "der Mitte" oder von auch immer mehr ... Das hohe Gesamtniveau der ersten Ausgabe der Sezession wurde in Nachfolge auch nur noch selten erreicht.

Aber es war ihnen wohl der Effekt, Herrn Vad quasi zu denunzieren, um ihn dann als "Opfer" zu haben wichtiger, als ihn ggf. noch einmal als Autor gewinnen zu können ...

Also, keine Krokodilstränen: Der Verdacht liegt eindeutig auf der Hand, dass der Fall von Ihnen bewusst provoziert wurde, um ihn so oder so verwenden zu können - mit einem Diskurs über Carl Schmitt hat das aus meiner Sicht nichts mehr zu tun. Das dadurch, dass die taz den ausgelegten Köder begierig aufgefressen hat, das niedrige Diskussionsniveau in unserem Land einmal wieder entlarvt wurde, ist das einzig positive an der ganzen Geschichte.

Antwort Kubitschek:
Sie treffen etwas Richtiges, Martin. Aber Sie verkürzen die Problematik und verstehen nicht, wie wichtig es für mich/uns ist, Mechanismen offenzulegen.

W.Wagner

7. April 2010 16:21

Da muss man 40 Jahre werden, um endlich Carl Schmitt zu lesen - eigentlich peinlich! Dank an Götz Kubitschek, vor allem auch für die Empfehlung, Quaritsch als Einführung zu lesen! Welche Gedankenfülle!

derherold

7. April 2010 16:35

:-))
@Ariald, ich weiß nicht, was Sie wollen: "Die verlorene Ehe der Katharina Blum" wäre angesichts von Sebnitz/Mittweida/Passau reine Revolutionslektüre.

Sich auf Böll berufend die heutige Medienlandschaft zu beleuchten, dürfte kaum möglich sein. Selbstverständlich ist es Indoktrination, was soll es denn sonst sein. Und wenn dies den Schülern nicht auffällt, haben sie es auch nicht besser verdient.

Zu Vad: Die DDR-Bürger hatten es einfacher. Man nannte es einfach "Kritik und Selbstkritik", weswegen es eben keine "falsche Ausweichbewegung", sondern nur die formalisierte, "für solche Fälle vorgesehene" öffentliche Reue ist.

... in anderen Fällen muß man seinen Ehebruch benennen, sich vor der (TV-)Öffentlichkeit entschuldigen und eine Therapie machen.

... ganz früher sollen ja 120 "Vaterunser" ausgereicht haben ... oder ein kleines Ablaßbriefchen.

Arialds_Blog

7. April 2010 16:52

An "derherold":

Sicher, an der BILD Zeitung gibt es weiss Gott genug zu kritisieren. Nur galt (gilt?) die Bildzeitung ja als eher "rechts", und insofern ist die Kritik Bölls an ihr ja als "links" einzuordnen. Aber selbstverständlich ist Medienkritik heute nötiger denn je, nur muss sie von rechts kommen!

Und ich möchte noch zu bedenken geben, dass es einem Schüler durchaus nicht so leicht ist, die schulische Indoktrination zu durchschauen bzw. zu hinterfragen. Angesichts der Leichenberge von Auschwitz, abgedruckt in jedem Schulbuch, kommt man in diesem Alter nicht auf die Idee hier irgendwelche nationalen Widerworte zu geben.

Andreas Kröpcke

7. April 2010 17:19

Aber Sie verkürzen die Problematik und verstehen nicht, wie wichtig es für mich/uns ist, Mechanismen offenzulegen.

Je nun, wenn diese Mechanismen zu nämlichen Demonstrationszwecken erst auf Biegen und Brechen in Gang gesetzt werden müssen, scheinen sie nicht gerade von Carl Zeiss Jena konstruiert worden zu sein ...

Manfred

7. April 2010 18:43

Man könnte noch die kleine Schrift "Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff" von 1937 auf die Leseliste setzen. Schmitt legt darin offen, wie sehr die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen, insbesondere die Ächtung des Krieges als Mittel der Politik auf die Errichtung von etwas hinausläuft, was man mit einigem Recht eine Weltdiktatur nennen kann.

Zur Frage seiner Einstellung zur Weimarer Verfassung gehört auch die Argumentation, die er in "Der Begriff des Politischen" entwickelt. Schmitt entwickelt darin die Prämissen, aus denen die Väter des Grundgesetzes später – selbstredend ohne sich explizit auf Schmitt zu berufen - das Konzept der "wehrhaften Demokratie“ entwickelt haben.

Nebelheimer

7. April 2010 20:03

Jetzt wird Vad zeigen müssen, ob er denn ein General ist oder nicht. Die feindliche Bastion muss er nehmen, dabei müsste man einiges über Strategie lernen (oder schon gelernt haben).

Für die Feindschaft der Presse in Deutschland gilt das "Viel Feind, viel Ehr" jedenfalls immer noch, auch wenn der Kampf seinen Höhepunkt vieleicht noch nicht erreicht hat.
Kreuzberg ist für ihn (und uns) die "Höhe X". Möge er durchstoßen, sie nehmen und sie halten!

(Trommelwirbel und ab)

Petra

7. April 2010 20:17

Generell einmal etwas zu Stefan Scheil. Er wird ja massiv kritisiert von seiner etablierten Zunft. Ich selbst konnte manche Kritikpunkte nicht richtig einschätzen. Mir kamen also Zweifel wegen der Rezensionen ob seiner Seriosiät. Ich habe mich einmal mit einem Ordinarius für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte unterhalten und ihn direkt zu Scheil befragt. Der Professur ist in Amt und Würden. Er sagte mir, dass er Scheil ernstnehme und äußerte sich auch nicht sehr nett zu den Kritikvorwürfen gegenüber Scheil. Allerdings sagte er, dass Scheil mit seinem Totalverriss der etablierten Forschung taktisch nicht klug vorgegangen sei. Seine Forschung, also Scheils, könne man aber so einfach nicht wegfegen. Fand ich beachtlich aus etablierten Munde.

Tilsiter

7. April 2010 23:03

@Petra: Ich kann momentan nicht den Bezug Ihres Kommentars zu o.g. Ausgangsthema finden, jedoch: Dr. Scheils Werke stützen sich ausschließlich auf die heutzutage als allgemein anerkannten und gültigen Dokumente jüngster Deutscher Geschichte, wie er selbst im Vorwort betont und auch das beeindruckend lange Literaturverzeichnis läßt darauf schließen.

Daß ein "Professor in Amt und Würden" (was/wer auch immer das sein mag) von einem "Totalverriß der etablierten Forschung" spricht, verwundert nicht, will er doch in eben würdigen Amte verbleiben. Warum Scheil taktisch unklug gehandelt haben soll, erschließt sich mir ebenso wenig wie die Worthülse der "etablierten Forschung"; es ist also taktisch unklug, die Wahrheit sachlich aufzuarbeiten (=Totalverriß), weil es nicht dem (heutigen) linken Zeitgeist (=etablierte [Geschichts-]Forschung) entspricht?

Ein Typ

8. April 2010 02:20

Bölls Kritik an der damaligen Presse zitiere ich seit Jahren hemmungslos gegen die heutige Presse. Einfach aus Spaß und weil es mir Freude bereitet, Leute mit etwas Unerwartetem zu überraschen. Aber die Borniertheit von Betonköpfen ist heute genauso unerschütterlich wie sie es vermutlich schon damals war. Establishment macht dumm und störrisch, ist eine Hypothese, die ich hiermit gern zur Prüfung in den Raum stelle.

Ein Typ

8. April 2010 02:34

Traurig. Manchmal ist die taz ja auch ganz lesenswert. Aber das was Wolf Schmidt da abliefert ist ja schon so schmierig, daß es trieft. Allein beim letzten Absatz fehlt nur noch "und wir von der taz und unsere Freunde von der PK haben auch noch mehr Leuten was anzuhängen versucht, das hat aber nicht so gut funktioniert". Der Vad sollte ohne Umwege, wie geplant, befördert werden und gut.

waldemar

8. April 2010 06:42

Man kann Scheil nur vorhalten, taktisch unklug gehandelt zu haben, wenn man unterstellt, er strebte selbst in die Zunft der "etablierten Historiker" bzw. in ihre Publikationsorgane. Scheil ist jedoch in der unangreifbaren Situation eines freien Menschen, der - zumnidest auf die Zunft - keine Rücksicht nehmen muß und trotzdem (oder deshalb) in weitaus größeren Maße zur Kenntnis genommen wird, als Historiker "in Amt und Würden".

Zum anderen: Ich denke nicht, daß man Schmitt verteidigen muß. Darum geht es auch gar nicht. Es geht um den Ort, in dem über Schmitt gesprochen wird. Wenn es die Sezession ist, ist es was anderes, als wenn es der Merkur tut. Quod licet Jovi, non licet bovi.

Petra

8. April 2010 06:47

Tilsiter
Das ist "offtopic". Zudem sagt ein langes Literaturverzeichnis nicht viel aus. Es geht auch nicht um anerkannte Dokumente. Natürlich kommt es auch auf andere Dinge an. Die Kritik an Scheil bezog sich ja auch auf Quellenauswahl etc. Da er aber aus dem Stehgreif die Stichhaltigkeit der Kritik nicht einschätzen konnte, schaut er sich das noch mal an. Ich berichte mal in der nächsten Woche, wie er das dann sieht.

Ja, so ungefähr meinte er das mit dem takisch unklug handeln. Das war meinte ich ja mit beeindruckend, weil er da Klartext redete...

Wieso Worthülse "etablierte" Forschung? Wenn Du Dich etwas auskennst, wirst Zitierkartelle etc. kennen, die sich gegenseitig absichern und in etablierten Positionen sich befinden.

Ein Prof. im Amt und Würden sollte nicht so schwer zu verstehen sein. Es gibt emeritierte, pensionierte Profs., Hobbyforscher etc.

Martin

8. April 2010 09:27

Warum haben hier manche das Bedürfnis, ihre Themen anderen Themen aufzudrücken?

Das einzige, was das Thema Scheil zu dem hier zu diskutierenden hergibt, ist die Tatsache, dass TROTZ Veröffentlichungen in der SEZESSION auch noch ab und an in der FAZ mal ein Artikel von ihm kommt (fraglich nur, wie lange noch ...)

Dss ist angesichts des ballyhoos der taz zum "Ausrutscher" von Herrn Vad dann ja wieder doch bemerkenswert ...

Ansonsten spamt bitte woanders weiter ...

Anna

8. April 2010 09:54

Der Bezug zwischen Vad und Scheil ist wohl die alte Frage, ob „outen“ (dt: ??) etwas bringt.
Wahrscheinlich ist es gar nicht so wichtig, wie Vad heute über einen Artikel denkt, den er vor ein paar Jahren in irgendeinem Magazin gebracht hat. Wichtiger ist doch seine Geisteshaltung. An starke Veränderungen derselben mag ich bei den meisten Leuten nicht so recht glauben.
Ich persönlich glaube leider auch nicht mehr an die Durchschlagskraft sachlicher Argumente – zumindest im öffentlichen Raum. Schön, Vad k ö n n t e einen renommierten (hier der Bezug zum outen) Staatsrechtler zitieren, aber wenn die Masse (!) der übrigen Historiker/Staatsrechtler anderer Ansicht ist, ist es wiederum ein Leichtes, ein solches Zitat als Randmeinung abzutun. Leider hat die Quantität auch eine Bedeutung…
Vielleicht geht es doch ums Geld, also um die Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes? Ich wüßte auch nicht, wo ich nach dem „outen“ noch Geld verdienen könnte; wo es doch vorher schon so schwierig ist.

R.M.

8. April 2010 12:03

Der Vad paßt mit seinem Rumgeeier gegenüber der taz perfekt zur Kanzlerin. Jemanden, der in solcher Position nicht zu dem steht, was er denkt, braucht man nicht an seiner Seite. Immerhin geht es bei ihm nicht darum, daß er morgen Arbeit und Existenz verliert, sondern nur um Posten und Geld.

derherold

8. April 2010 12:44

@Petra (und @Tilsiter), ... ja, OFFTOPIC ... ich habe Geschichte in Bochum bei Hans Mommsen studiert und glaube, die Kritik an Scheil einschätzen zu können.

Wenn sich Scheil quellenkritische "Bolzen" leisten würde, würde er nicht gedruckt - noch nicht einmal rezensiert. ;-)

Artikel, die Anfang der 90iger unter dem godfatherofBundesAntifaschismus noch möglich waren, wären unter seinem Nachfolger(?), dem jetzt in Jena lehrenden Norbert F. schon nicht mehr empfehlenswert gewesen. Nipperdey konnte auch noch etwas zu Nationalsozialismus+Moderne schreiben. Zitelmann schon nicht mehr. ... oder man denke an Trevor-Ropers Ansichten zu dem "Unaussprechlichen" aus England. :-)

"Taktisch unklug" meint, daß die Historikerzunft nicht mehr ohne ihr Gesicht zu verlieren, Scheil "Obdach gewähren" kann. Ob angesichts seines Forschungsgegenstandes jemals die Chance auf Absolution, d.h. Lehrstuhl oder zumindest pensionsreife Institutsmitarbeiterschaft bestanden hat, ist zweifelhaft.

Scheil hat den Rubikon längst überschritten und die hysterischen (Forums-)Kommentare eines nicht ganz unbekannten Kollegen deuten auf eine "Verteidigungsbereitschaft" des Establishments.

Martin Lichtmesz

8. April 2010 12:52

Die "Verteidigung" Schmitts besteht heute eher darin, sachlich zu berichtigen, was er tatsächlich geschrieben und gemeint hat im Gegensatz zu dem, was behauptet wird, daß er geschrieben und gemeint hätte. Günter Maschke hat seit über 30 Jahren nichts anderes zu tun, als diesen Augiasstall auszumisten. Allein schon die Anti-Schmitt-Affekte zu studieren und ihren Ursachen auf den Grund zu gehen, kann sehr unterhaltend sein: man hat da oft den Eindruck, einem schwarzhumorigen Satyrspiel beizuwohnen.

Schmitts Thesen werden durch eine verzerrte Darstellung ja gerne in ihr genaues Gegenteil verkehrt. Beispielsweise leiten sich aus der berüchtigten "Freund-Feind"-Kategorie, so sie richtig verstanden wird, eher de-eskalierende als radikalisierende Konsequenzen ab, ja sie ist der Riegel, der vor der Verabsolutierung und Entmenschlichung des Feindes steht. Weil unsere Zeit aber nicht den Mut hat, den Feind einen Feind zu nennen, ist ihre Form der Feindschaft umso erbitterter und unduldsamer.

Das Verdrängte kommt durch die Hintertür wieder herein, "with a vengeance", und der Schmitt halt ebenso. Man wird ihn einfach nicht los. Er folgt seinen Verächtern wie der Schatten auf den Fuß, und er ist immer schon einen Schritt voraus. Von welchem Vertreter der KR, mit Ausnahme vielleicht von Spengler, kann man das heute schon behaupten?

Eine ähnliche Verkehrung gilt für Schmitts Konzept der Großräume: da wurde er ja auch schon als der Spiritus Rector hinter den Neocons der Bush-Ära identifiziert, um diese fertig zu machen, wenn auch hier wiederum das genaue Gegenteil der Fall ist.

Es kennzeichnet indessen auch den politischen Fall der Linken, daß sie nicht mehr Schmitt lesen. Aber andererseits lesen die auch nicht einmal mehr Marx und Engels, wenn sie denn überhaupt noch lesen.

tacitus

8. April 2010 12:52

Der Zusammenhang von Vad und Scheil ist evident und nicht als Spam abzutun. Wenn Vad sich jetzt zwar zu seiner Autorschaft bekennt (outen = dt.: sich bekennen), sie jedoch mit mangelndem Wissen über den Charakter des Mediums zu verteidigen sucht, ist dieses Verhalten Ausdruck seines Willens, bei der "Zunft" zu verbleiben und seine soziale Stellung zu verteidigen. Das ist nicht gerade mannhaft, jedoch menschlich verständlich. Das Gegenbeispiel ist Scheil, der sich eine unangreifbare Position erfochten hat, von der aus er - nur seinem eigenen Gewissen verantwortlich - seine Arbeit tun kann.
Es geht nicht um Schmitt. Hätte Vad einen Aufsatz zu Astrid Lindgren in der "Sezession" verfaßt, wäre ihm die "Empörung" der taz ebenso sicher gewesen.

decisio

8. April 2010 19:53

Finde die neue Schmitt-Kampagne ja sehr gut. Aber man muss - gerade um sich nicht den üblichen Vorwürfen derer auszusetzen, die ihre geheime Schmitt-Faszination nur als hingebungsvolle Distanzierung und Demontage artikulieren können - auch von rechts den Mut haben, zum "ganzen Schmitt" vorzudringen. Dann kann man nicht, wie im Artikel, sagen, dass Schmitt "für einige Jahre" Antisemit war, sondern muss klar ins Auge fassen, dass Schmitts Auseinandersetzung mit der Rolle des Jüdischen und des Juden sein Werk und sein Nachdenken auf vielen, oft auch subtilen Ebenen durchzieht. Da war für Schmitt zweifellos ein "Feind" in seinem Sinne; das Hobbes-Buch, nach der "Kaltstellung" erschienen, zeigt es; das "Glossarium" zeigt es für die Jahre nach dem Krieg; Äußerungen auch des späten Schmitt zeigen es. Man wird ihm nicht gerecht, wenn man meint, ihn vor seinem Antisemitismus retten zu müssen, nur weil man diese Fixierung Schmitts nicht teilt. Das gehört zu ihm und "ohne" bekommt man sie nicht, diese Jahrhundertgestalt.

Martin

8. April 2010 21:11

@tacitus:

Die Publikationswirkung (-diskussion) Scheil/Vad wurde aber mit den ersten Postings zu Scheil überhaupt nicht herausgearbeitet oder auch nur angedeutet - das hat sich eher so gelessen, wie, ich will jetzt auch mal was zu einem Sezessionsautor sagen (gähn) ...

egal, die folgenden Beiträge habens dann gezeigt ...

@decisio:

Zu Personen der Zeitgeschichte des 19. wie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts darf Antisemitimus durchaus dazu gehören - da gibt es nichts zu beschönigen und auch nichts im nachhinein zu berichtigen, interpretieren etc. Das ist einfach faktische Ausgangslage, im Gegenteil, ein Schuss Rassismus und Antisemitimus war state of the art und quasi zeitcolorit - warum sich heute darüber noch aufregen?

Das Schmitt einer der Juristen ist, der so geschrieben hat, dass es auch außerhalb von juristischen Kreisen gelesen und verstanden werden kann, ist sein Verdienst und sein Fluch zugleich.

Wie ich in einer davor stattgefundenen "zur Debatte gestellt"-Diskussion schon einmal sinngemäß gepostet habe:

Die Schmitt Lektüre ist erhellend und ich lese ihn immer wieder gerne - auch wenn ich danach mehr und mehr den Eindruck bekomme, dass Schmitt als Mensch wohl ein echter Feigling, Autoritätsfetischist, eitler Professor und Schreibtischtäter im z.T. übelsten Sinne war. Ändert aber nichts daran, dass er brillant war. So viel Differenzierungsvermögen muss man mit einer Person der Zeitgeschichte schon haben.

Volker

8. April 2010 21:14

@ decisio:

auch wenn es haarspalterisch erscheint: man muß bei CS doch zwischen Antisemitismus und Antijudaismus unterscheiden

decisio

8. April 2010 22:04

Volker: auch wenn es haarspalterisch erscheint: man muß bei CS doch zwischen Antisemitismus und Antijudaismus unterscheiden

Ja, absolut. Und es ist nicht haarspalterisch. Das Fundament ist sicher Antijudaismus, was Schmitts Überlegungen zur Rolle der Juden in der Geschichte, zum Verhältnis von Judentum und Christentum, zur jüdischen Identität angeht. Im Glossarium spricht er auch von den "Mördern Christi". Aber die Grenze zum Biologischen verschwimmt doch immer mal wieder, dann tatsächlich vor allem nach 1933, z. B. in seiner Auseinandersetzung mit der Gestalt von Friedrich Julius Stahl und im Kampf gegen das "Judentum in der Rechtswissenschaft".

Martin: Ändert aber nichts daran, dass er brillant war. So viel Differenzierungsvermögen muss man mit einer Person der Zeitgeschichte schon haben.

Eben.

Quovadis

9. April 2010 00:46

Götz Kubitschek hat dem Herrn General in spe (a.D.?) einen kleinen Probierstein in den Weg gelegt und siehe, es war nicht aus Rohgold, was da prompt ins Taumeln geriet.
Vielmehr hat sich der vermeintliche Kämpfer als bloßer Partei-Soldat entpuppt, als CDU-Militärkatechet, der die taz sofort und anstandslos als seinen rechten Beichtstuhl anerkennt. Sollte der „Mann“ tatsächlich stolpern und fallen, nun, dann wird es um ihn nicht schade gewesen sein.

Besonders interessant ist aber Kubitscheks Enthüllung, daß Vad 2003 den Krieg gegen den Irak rechtfertigte, als bereits ein blinder mit verbundenen Augen die lächerliche Propaganda der Trotzko-Schmittisten alias Neocons durchschauen konnte.

Wenn es also nach jenem Hasenfuß in Uniform und Angela Merkel gegangen wäre, dann sollten seit sieben Jahren deutsche Schützen, Fähnriche und Hauptleute im Auftrag des organisierten Finanzverbrechens im Irak stehen und Uranstaub made in USA einatmen, um nach einer eventuellen Rückkehr zuletzt mißgebildete Kinder zu zeugen und jämmerlich zu krepieren.
S. dazu:

Martin

9. April 2010 11:01

Quovadis,

wo ist das Problem?

Ein Carl Schmitt hätte sicher keine Einwände dagegen gehabt, wenn ein Land seinen Bündnisverpflichtungen nachkommt. Er hätte sich eher darüber empört, wenn ein Bündnispartner es wagen würde, seine Bündnistreue von so etwas wie Wahlen im eigenen Land abhängig zu machen ...

Er war nach meiner Kenntnis auch gegen unsägliche "Kriegsschuld" Debatten und empfand die Hegung des Krieges, zu der aber auch das jus belli ac pacis selbstverständlich dazugehörte, als eine der größten Kulturleistungen des Abendlandes ...

Aber schon beim Wort "Krieg" fängt in Deutschland jeder das geifern an, so dass eine sachliche Diskussion zu dem Thema meist nicht möglich ist ... um so erfrischender war daher auch das Heft 1 der Sezession, welches das Thema sehr gut aufbereitete ...

Anna

9. April 2010 11:34

Folgendes als echte Fragen gedacht; ich habe auch keine Antwort.
Was bringen einem denn die ganzen Leute (Ikonen, Vorreiter) etc. die man nicht zitieren darf?
Darf ich in einer Diplomarbeit oder in einer Unterrichtsstunde etwas – auch nur als Negativbeispiel – aus der Sezession zitieren???

Was ist denn nun der Unterschied zwischen Vad, Scheil und – sagen wir mal – Sarrazin (als Ikone der edition antaios)? Sarrazin als Einer, der standhaft ist, und in schönem Abstand seine provokanten Thesen einfach noch mal aufgreift… Und natürlich darf DER nicht bei der CDU sein. Sondern bei einer unverdächtigen Partei. Natürlich ist uns DER lieber; und sicher nicht nur deswegen, weil er in Amt und Würden ist. Ist es vielleicht der SACHE dienlicher, wenn UNVERDÄCHTIGE Wahres sagen, als „Stigmatisierte“? – Ich weiß es nicht...

tacitus

9. April 2010 13:24

Allein die Frage ("Darf ich das?") zeigt die Wirkung der Politicall correctness: Aus der Angst, das Falsche zu sagen, folgt die Selbstzensur. Stellen Sie sich einfach die Frage: Will ich mir vorschreiben lassen, was ich zu denken, wen ich zu rezepieren, woher ich meine Informationen zu beziehen habe?

derherold

9. April 2010 13:40

"Darf ich in einer Diplomarbeit ... aus der Sezession zitieren???
... Ist es vielleicht der SACHE dienlicher, wenn UNVERDÄCHTIGE Wahres sagen, als „Stigmatisierte“?"

@Anna, die Fragen stellen, heißt sie beantworten.

Ob Sarrazin noch als "unverdächtig" gilt, wage ich zu bezweifeln. Man denke an den Versuch, Sloterdijk anzuschießen oder wie 2002 in Nullkommanix ein ehem. Vize-Kanzler der Bundesrepublik zu jemandem wurde, der noch nicht einmal problemlos einen Hotelsaal mieten konnte. Ich werde zudem den Eindruck nicht los, daß die beiden Hohepriester der 80iger, Mommsen und Wehler, sich heute wie kleine Zauberlehrlinge fühlen. ;-)

Schön in dem Zusammenhang auf youtube ein (Video-)Interview mit Maschke: dort die Passage, wo er die gesellschaftl. Akzeptanz einer obszöne Handlung in einer Kirche mit dem Zitieren eines Mitglieds der Republikaner vergleicht.

Zurück zu Schmitt: Der Gegner hat - nach de Tocqueville vielleicht keine phys., sondern "nur" gesellschaftliche - Vernichtungsabsichten, was den Rest-Konservativen nicht klar zu sein scheint.

Ein Typ

9. April 2010 20:02

[zitat]als bereits ein blinder mit verbundenen Augen die lächerliche Propaganda der Trotzko-Schmittisten alias Neocons durchschauen konnte[/zitat]

Moment mal, es wurden keine Kampstoffe gefunden. Donnerschlag, die haben eine Haltbarkeit weniger Wochen, bis sie zerfallen und unbrauchbar werden. Die Anlagen zur Herstellung existierten, und das rechtfertigt den Einmarsch auch vollends. Vielen Dank.

Petra

9. April 2010 21:13

Martin, Du musst mal lernen selbst etwas herauszuarbeiten und Zusammenhänge herzustellen. Deine wortwörtliche Kritik ist, um in Deinen Worten zu bleiben "gähn". Ich finde es ja so inspirierend mit Leuten wie Dir zu diskutieren...Zupf mal Dein Korthemd wieder zurecht :O)

Martin

9. April 2010 21:39

Petra,

lies mal was von Carl Schmitt im original und vollständig, dann kannst Du zum Thema hier wengistens was sagen ...

Petra

10. April 2010 13:00

Martin, der Unterschied zwischen uns ist, dass ich nur Dinge über mein Gegenüber sage, die ich auch belegen kann. Vor allem aber: Quod erat demonstrandum. Ansonsten wollen wir die anderen nicht mit unserem Klein-Klein langweilen.

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