… “jetzt, wo er als Billard-Kugel verwendet werden soll, um den General in spe Erich Vad von der Karriereleiter zu stoßen.” Letzterer hatte in der ersten Ausgabe der Sezession einen Beitrag über die “Aktualität Carl Schmitts” publiziert.
Es mag sein oder auch nicht, daß taz und Konsorten darauf gar nicht erst gekommen wären, hätte Kubitschek nicht selbst darauf hingewiesen. Jedenfalls stellt sich in so einem Fall natürlich die Frage nach dem politischen Nutzen eines solchen Hinweises. Denn wie die Dinge nun einmal liegen, ist eine Mitarbeit bei einer rechtsgerichteten Zeitschrift nicht gerade karriereförderlich, und dessen ist sich Kubitschek natürlich vollauf bewußt.
Auf unser aller Lieblings-Gegen-Rechts-Seite Endstation Rechts hat sich, wie zu erwarten war, Mathias Brodkorb zu der Chose zu Wort gemeldet, und kommt dabei zu dem Schluß, daß Kubitschek hier eine sichere Partie spielt:
Und so steht er da – auf freiem Felde, Zigarillo im Mundwinkel, gegen die Sonne blinzelnd und bedient lässig die Wurfmaschine, die die Tontauben in die Lüfte hebt. Kubitschek selbst schießt nicht, sondern er testet dreierlei: 1. ob die „Antifa” über seine Stöckchen springt und schießt, 2. ob die Tontaube standhaft ist und 3. ob der Gegner wirklich trifft oder die Tontaube die feindlichen Linien überschreitet.
Der Gewinner bei diesem Spiel heißt immer Kubitschek: Zerbröselt die Tontaube während des Fluges von selbst, war sie aus schlechtem Material. Wird sie vom Gegner zur Strecke gebracht, wurden wieder einmal „Mechanismen” offengelegt. Und wenn die Tontaube widerständig die feindlichen Linien erreicht, kann die Truppe die Klamotten packen und die Frontlinie Richtung politische Mitte verschieben – ein Vorgang, der im Milieu als Vorgang der „Normalisierung” gilt.
Nun, aber was ist der schlichte Grund, daß dieses Spielchen stets mit einem “Win-Win” ausgeht? Daß Kubitschek einfach recht hat. Wer das für eine “self-fulfilling-prophecy” hält, ist blind dafür, daß das Problem nicht die fliegenden Tontauben, sondern die Schüsse sind. Wenn die Antifa (im engeren oder weiteren Sinne) das Feuer eröffnet, dann wird handgreiflich bewiesen, daß es eine militant verteidigte Demarkationslinie gibt; wenn sie es nicht tun – dann kommen etwa Leute wie Brodkorb, und bestätigen gerade dadurch, daß sie “Normalisierung” in Anführungsstriche setzen, daß hier eine “Norm” des Diskurses tatsächlich verletzt und Gelände nach Rechts hin gewonnen wird, wenn der Übertritt ungestraft bleibt.
Denn “normal” ist es ja nicht gerade, daß man keinen öffentlichen Stolz zeigen kann, wenn aus einem früheren Mitarbeiter der eigenen Zeitschrift etwas geworden ist, ohne daß es Ärger gibt. Insofern ist die Tontaube auch so etwas wie der Helm an einem Stecken oder der Pappkamerad, der aus dem Schützengraben gehoben wird, um zu testen ob die Luft rein ist – oder um sich über den Gegner lustig zu machen und ihn zu provozieren.
Wie üblich läßt Brodkorb nicht erkennen, wie er wirklich über die Sache denkt, und verschanzt sich hinter dem ER-typischen Referatsstil: denn entweder will man a) daß die Diskursgrenzen nach Rechts hin verstacheldrahtet bleiben, dann muß der Abschuß der Tontauben aber auch als legitim erklärt oder zumindest stillschweigend geduldet werden oder b) man erklärt diese Begrenzungen, und damit auch den Tontaubenabschuß für ungerechtfertigt und/oder unzulässig – aus welchen Gründen auch immer. Und für den dritten Weg, c.) “die Begrenzungen gibt es gar nicht, die sind nur selbstverschuldet und/oder eingebildet”, ist Brodkorb, der inzwischen schon selber ein paar Warnschüsse aus seinem Lager abgekommen hat, zu klarsichtig.
Wenn man sich wirklich in einem Krieg befindet, wie der von Brodkorb gebrauchte Ausdruck “Frontlinie” nahelegt, muß man sich entscheiden. Aber: ist der Feind notwendigerweise ausschließlich das andere politische Lager, haben beide womöglicherweise auch einen gemeinsamen Feind, nämlich denjenigen, der die Grenzen des Sag- und Denkbaren absteckt und vermint?
Diese Mechanismen existieren eben ohne Anführungsstriche, und es gibt im Namen der geistigen Freiheit und der kritischen Wahrheitsfindung allen guten Grund, darüber empört zu sein. Gerade dieses Herumschleichen um den heißen Brei in dem Brodkorb-Artikel zeigt, daß in geistiger Hinsicht der einzige feste Boden, auf dem eine freie Rede stattfinden kann, heute eben nur mehr “am Rande der Bundesrepublik” (wie Brodkorb Kubitscheks Position bezeichnet) zu finden ist, ein paar wenige abgedeckte Nischen einmal abgerechnet. Am Rande hat man auch nichts mehr zu verlieren. Frei nach Wilhelm Busch: “Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert.”
Denn überall sonst ist man zu Mimikry, Selbstzensur, diplomatischem Tarnsprech und machiavellistischer Verschleierung gezwungen, beides Dinge, die zwar für eine gewisse politische Begabung sprechen, ja für politische Einflußnahme unerläßlich sind, sich aber mit dem, – unter diesem Aspekt politisch äußerst unklugen‑, “politischen Existentialismus” wenig vertragen. (Diese Unfreiheit äußert sich schon in Details, wie in der auffälligen Weigerung von ER, direkt zu den “bösen” Artikeln und Blogs zu verlinken, aus denen so fleißig ad usum delphini zitiert wird – wogegen wir auf SiN verlinken können, was und wie und zu wem wir wollen.)
Dabei ist es nun ja gerade Brodkorb selbst, der mit der exponierten Erwähnung des in der neuen Sezession abgedruckten Briefwechsels Kubitschek-Richard Wagner die nächste Tontaube hervorpfeift. Sollte nun tatsächlich jemand das Feuer eröffnen, dann gäbe es gar keine bessere Bestätigung des Inhalts des Briefwechsels – in der Zusammenfassung Brodkorbs “…daß wir in einer konformistischen Gesellschaft der ‘inneren Zensur’ lebten und die Freiheit im ‘Ergebnis der freiwilligen Selbstkontrolle’ nicht mehr viel wert sei.”
Im übrigen ist das nicht das erste Mal, daß auch Brodkorb eine Tontaube hervorgepfiffen hat - so geschehen im Falle Michael Wolffsohns und seines Interviews für Zuerst! Mit dem Unterschied, daß hier zuerst geschossen wurde, um zu testen, ob die Tontaube auch schön aus dem Gebüsch flattert und “Nicht schießen, ich bin unschuldig!” gackert. Wozu? Um ihre Standhaftigkeit zu prüfen? Um sie hinter die ausgedehnte Frontlinie zurückzuscheuchen? Oder schlicht, weil es mehr Spaß macht, Schütze statt Tontaube zu sein, bißchen mit dem Finger am Abzug zu spielen? Wenn man erstmal die Flinte in der Hand hat, gibt man sie ungern wieder her.
Bild: flickr.com
Form und Stil
Sicher ist - bei aller Richtigkeit in der rein politischen Beurteilung -, daß man bei solchen Freunden keine Feinde mehr braucht.
Wenigstens empfand ich dies als stillos. So etwas hätte ich einem Kubitschek nicht zugetraut. Politischer Nutzen hin oder her, so es diesen überhaupt gibt. Ich vermute eher, hier wurde zukünftiges Vertrauensporzellan zerschlagen. Wo da der politische Nutzen liegen sollte? - Keine Ahnung.
Diesen nachträglichen Rechtfertigungsversuch scheinen also auch andere als nötig zu empfinden, sonst würde man sich nicht so entblößen.