dessen Einführungen in die Philosophie im Rundfunk gesendet wurden und auch als Buch äußerst erfolgreich, teilweise regelrechte Bestseller, waren. Heute spielt er selbst in philosophischen Debatten kaum noch eine Rolle, im rechten Spektrum schon gar nicht. Dabei war es Jaspers, der Armin Mohler den Doktortitel rettete.
Mohler war deshalb immer bemüht, Jaspers gegen die Spötteleien eines Carl Schmitt in Schutz zu nehmen. Im Gegensatz zu Schmitt, der Jaspers die Meinungsführerschaft nach 1945 neidete, sah Mohler in Jaspers einen letzten Vertreter des “altliberalen Geistes”, der es sich aufgrund seiner geistigen Größe erlauben konnte, andere Meinungen zuzulassen. Mit dieser Alt-Liberalität ist eine Konstante in Jaspers’ Persönlichkeit bezeichnet, die er bereits im Oldenburger Elternhaus empfangen hatte.
Ein weiteres Moment war die “Weite des Horizonts”, die Jaspers verkörperte. Er war ursprünglich Mediziner und hatte sich 1913 mit einer maßgeblichen Arbeit zur Psychopathologie habilitiert. Mit seinem berühmten Buch Die Psychologie der Weltanschauungen (1919) wandte er sich der Philosophie zu und erhielt einen entsprechenden Lehrstuhl in Heidelberg. In den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren galt Jaspers neben Martin Heidegger als der wichtigste Vertreter der sogenannten Existenzphilosophie, die er in seiner dreibändigen Philosophie (1932) begründete.
Kurz zuvor war ein Buch erschienen, das Jaspers auch außerhalb der Fachkreise berühmt machte: Die geistige Situation der Zeit. Darin kommt er zu einer bis heute in vielen Teilen gültigen Zeitkritik. Was unter Existenz zu verstehen ist, hat er dort kurz umrissen. Eine Stelle ist dabei besonders bemerkenswert:
Die ergreifenden Berichte, wie im Kriege zuletzt in weichender Front hier und dort Deutsche standhielten, als Einzelne sich sahen, in ihrem Sichbehaupten und Sichopfern doch das bewirken, was kein Befehl vermochte, den vaterländischen Boden tatsächlich auch im letzten Augenblick noch vor Zerstörung zu bewahren und ein Bewußtsein von Unbesiegtheit in die deutsche Erinnerung zu senken, diese Berichte zeigen eine sonst kaum erreichte Wirklichkeit wie ein Symbol der gegenwärtigen Möglichkeit überhaupt.
Zunächst ist diese Stelle geeignet, gestandene Jaspers-Experten aus der Fassung zu bringen, die sich meistens ein am Jaspers der sechziger Jahre orientiertes Bild des Denkers gebastelt haben. Verwunderung, daß Jaspers den Satz nach 1945 wortgetreu nachgedruckt hat, mischt sich dann mit Empörung. Dabei zeigt dieses Zitat wie kaum eine andere Stelle, worum es Jaspers geht. Existenz zeigt sich in Grenzsituationen, in denen sie sich bewähren muß. Weder die vergangenenen Situationen noch ein ewig geltendes Sittengesetz können dem Einzelnen sagen, wie er sich zu verhalten hat.
In der Folge des Ersten Weltkrieges sind die Gehäuse der Tradition, der gesellschaftlichen Hierarchie und des Fortschrittglaubens zerbrochen. Auch die Hoffnung, durch Harmonie und Romantik der Gegenwart entfliehen zu können, hat sich als trügerisch erwiesen. Die Situation ist auf den ersten Blick trostlos. Doch gerade darin liegt die Möglichkeit begründet, aus Mangel an Trost und Hoffnung die Situation im Selbstsein wirklich ergreifen zu können. Die Niederlage bringt so womöglich als Scheitern den „ideenhafen Menschen” leichter hervor, als es der Sieg könnte.