Karl Jaspers zum 40. Todestag

Vor vierzig Jahren starb der Philosoph Karl Jaspers in Basel, in der Stadt, in der er seit 1948 lebte. Jaspers war zu Lebzeiten einer der bekanntesten deutschen Denker,

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

des­sen Ein­füh­run­gen in die Phi­lo­so­phie im Rund­funk gesen­det wur­den und auch als Buch äußerst erfolg­reich, teil­wei­se regel­rech­te Best­sel­ler, waren. Heu­te spielt er selbst in phi­lo­so­phi­schen Debat­ten kaum noch eine Rol­le, im rech­ten Spek­trum schon gar nicht. Dabei war es Jas­pers, der Armin Moh­ler den Dok­tor­ti­tel rettete.

Moh­ler war des­halb immer bemüht, Jas­pers gegen die Spöt­te­lei­en eines Carl Schmitt in Schutz zu neh­men. Im Gegen­satz zu Schmitt, der Jas­pers die Mei­nungs­füh­rer­schaft nach 1945 nei­de­te, sah Moh­ler in Jas­pers einen letz­ten Ver­tre­ter des “alt­li­be­ra­len Geis­tes”, der es sich auf­grund sei­ner geis­ti­gen Grö­ße erlau­ben konn­te, ande­re Mei­nun­gen zuzu­las­sen. Mit die­ser Alt-Libe­ra­li­tät ist eine Kon­stan­te in Jas­pers’ Per­sön­lich­keit bezeich­net, die er bereits im Olden­bur­ger Eltern­haus emp­fan­gen hatte.

Ein wei­te­res Moment war die “Wei­te des Hori­zonts”, die Jas­pers ver­kör­per­te. Er war ursprüng­lich Medi­zi­ner und hat­te sich 1913 mit einer maß­geb­li­chen Arbeit zur Psy­cho­pa­tho­lo­gie habi­li­tiert. Mit sei­nem berühm­ten Buch Die Psy­cho­lo­gie der Welt­an­schau­un­gen (1919) wand­te er sich der Phi­lo­so­phie zu und erhielt einen ent­spre­chen­den Lehr­stuhl in Hei­del­berg. In den spä­ten zwan­zi­ger und frü­hen drei­ßi­ger Jah­ren galt Jas­pers neben Mar­tin Heid­eg­ger als der wich­tigs­te Ver­tre­ter der soge­nann­ten Exis­tenz­phi­lo­so­phie, die er in sei­ner drei­bän­di­gen Phi­lo­so­phie (1932) begründete.

Kurz zuvor war ein Buch erschie­nen, das Jas­pers auch außer­halb der Fach­krei­se berühmt mach­te: Die geis­ti­ge Situa­ti­on der Zeit. Dar­in kommt er zu einer bis heu­te in vie­len Tei­len gül­ti­gen Zeit­kri­tik. Was unter Exis­tenz zu ver­ste­hen ist, hat er dort kurz umris­sen. Eine Stel­le ist dabei beson­ders bemerkenswert:

Die ergrei­fen­den Berich­te, wie im Krie­ge zuletzt in wei­chen­der Front hier und dort Deut­sche stand­hiel­ten, als Ein­zel­ne sich sahen, in ihrem Sich­be­haup­ten und Sichop­fern doch das bewir­ken, was kein Befehl ver­moch­te, den vater­län­di­schen Boden tat­säch­lich auch im letz­ten Augen­blick noch vor Zer­stö­rung zu bewah­ren und ein Bewußt­sein von Unbe­siegt­heit in die deut­sche Erin­ne­rung zu sen­ken, die­se Berich­te zei­gen eine sonst kaum erreich­te Wirk­lich­keit wie ein Sym­bol der gegen­wär­ti­gen Mög­lich­keit überhaupt.

Zunächst ist die­se Stel­le geeig­net, gestan­de­ne Jas­pers-Exper­ten aus der Fas­sung zu brin­gen, die sich meis­tens ein am Jas­pers der sech­zi­ger Jah­re ori­en­tier­tes Bild des Den­kers gebas­telt haben. Ver­wun­de­rung, daß Jas­pers den Satz nach 1945 wort­ge­treu nach­ge­druckt hat, mischt sich dann mit Empö­rung. Dabei zeigt die­ses Zitat wie kaum eine ande­re Stel­le, wor­um es Jas­pers geht. Exis­tenz zeigt sich in Grenz­si­tua­tio­nen, in denen sie sich bewäh­ren muß. Weder die ver­gan­ge­ne­nen Situa­tio­nen noch ein ewig gel­ten­des Sit­ten­ge­setz kön­nen dem Ein­zel­nen sagen, wie er sich zu ver­hal­ten hat.

In der Fol­ge des Ers­ten Welt­krie­ges sind die Gehäu­se der Tra­di­ti­on, der gesell­schaft­li­chen Hier­ar­chie und des Fort­schritt­glau­bens zer­bro­chen. Auch die Hoff­nung, durch Har­mo­nie und Roman­tik der Gegen­wart ent­flie­hen zu kön­nen, hat sich als trü­ge­risch erwie­sen. Die Situa­ti­on ist auf den ers­ten Blick trost­los. Doch gera­de dar­in liegt die Mög­lich­keit begrün­det, aus Man­gel an Trost und Hoff­nung die Situa­ti­on im Selbst­sein wirk­lich ergrei­fen zu kön­nen. Die Nie­der­la­ge bringt so womög­lich als Schei­tern den „ideen­ha­fen Men­schen” leich­ter her­vor, als es der Sieg könnte.

 

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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