Kampf um die Varusschlacht

pdf der Druckfassung aus Sezession 32 / Oktober 2009

pdf der Druck­fas­sung aus Sezes­si­on 32 / Okto­ber 2009

von Olaf Haselhorst

Es ver­geht kaum ein Tag in die­sem Jahr, an dem die Medi­en nicht irgend­et­was zum gro­ßen Kom­plex »Römer in Ger­ma­ni­en« zu berich­ten hät­ten. Ins­be­son­de­re Mel­dun­gen über archäo­lo­gi­sche Fun­de (zuletzt aus Wald­gir­mes) aus der Zeit des Ver­su­ches der Römer, die Ger­ma­nia magna zu erobern, beglei­ten das 2000jährige Jubi­lä­um des Unter­gan­ges drei­er römi­scher Legio­nen im sal­tus Teu­to­bur­gi­en­sis, wie Taci­tus den Schlacht­ort nann­te. Was frü­her logi­scher­wei­se »Schlacht im Teu­to­bur­ger Wald« hieß, nennt der Zeit­geist heu­te »Varus­schlacht« nach dem römi­schen Feld­herrn, der in die­sem Morast ste­cken­ge­blie­ben sei, wie Hein­rich Hei­ne iro­nisch mein­te. »Her­manns­schlacht« dage­gen ist als Bezeich­nung »out«, obwohl es Mar­tin Luther war, der den Namen des ger­ma­ni­schen Anfüh­rers Armi­ni­us in Her­mann ein­deutsch­te. Hei­ne schrieb weiter:
»Gott­lob! Der Her­mann gewann die Schlacht, die Römer wur­den ver­trie­ben. Varus mit sei­nen Legio­nen erlag, und wir sind Deut­sche geblieben.«
Die­ses wich­ti­ge Ergeb­nis der Ger­ma­nen­krie­ge Roms the­ma­ti­siert Chris­ti­an Pant­le (Die Varus­schlacht. Der ger­ma­ni­sche Frei­heits­krieg, Ber­lin: Pro­py­lä­en 2009, 320 S., 16,90 €) gleich zu Beginn sei­nes Buches: Deutsch­land gehö­re heu­te nicht zum roma­ni­schen Kul­tur­kreis. Der Sieg des Armi­ni­us sicher­te das Über­le­ben der ger­ma­ni­schen Spra­chen, aus denen sich spä­ter das Deut­sche sowie das Eng­li­sche ent­wi­ckelt hät­ten. Wenn es um die Fra­ge Frei­heit oder Zivi­li­sa­ti­on geht, steht Pant­le – im Gegen­satz zu Alt­bun­des­kanz­ler Schrö­der, der den Sieg des Armi­ni­us ein­mal bedau­er­te – auf Sei­ten der Frei­heit. Lei­der stört eine inad­äqua­te, flap­si­ge Spra­che die Lek­tü­re. Der Autor unter­nimmt unzu­läs­si­ge Gleich­set­zun­gen mit Ereig­nis­sen der jüngs­ten deut­schen Ver­gan­gen­heit, wenn er die Geschich­te römisch­ger­ma­ni­scher Begeg­nun­gen seit Juli­us Cae­sar beschreibt: »Geno­zid«, »Völ­ker­mord«, »viel­tau­send­fa­cher Mas­sen­mord« der Römer unter Cae­sar; in Gal­li­en ein­fal­len­de Ger­ma­nen wer­den zu »Immi­gran­ten«, gegen die Cae­sar einen als »Prä­ven­tiv­krieg « kaschier­ten »Ver­nich­tungs­feld­zug nach Osten« führ­te. Die Römer wer­den zu den Nazis der Anti­ke, aus Cae­sar wird ein römi­scher Hit­ler, aus Legio­nen »Ein­satz­grup­pen«, die mit­tels »römi­schen Terrors«»verbrannte Erde« hin­ter­las­sen, die Ger­ma­nen mutie­ren zu bar­ba­ri­schen »Unter­men­schen«.
Der Autor zieht hane­bü­che­ne Ver­glei­che bezüg­lich »Aus­län­der­dis­kri­mi­nie­run­gen« und »Ras­sis­mus« im Römi­schen Reich. Er kon­stru­iert eine Ent­wick­lung zur Gewalt­tä­tig­keit des »ein­ge­bür­ger­ten Römers« Armi­ni­us als Reak­ti­on auf »Dis­kri­mi­nie­run­gen« gegen »den wil­den und pri­mi­ti­ven Bar­ba­ren« aus der Mit­te der »Römi­schen Gesell­schaft: Ger­ma­nen als Men­schen zwei­ter Klas­se, die sich von der römi­schen Zivi­li­sa­ti­on abwand­ten, als sie die Ableh­nung spürten.
So hat jede Zeit die Inter­pre­ta­tio­nen, die sie ver­dient. Die­se sagt mehr über den Autor und die Gegen­wart aus, als über Armi­ni­us und die Römer 9 n. Chr. Inwie­fern hier Pro­zes­se statt­fan­den, die die Zeit­ge­nos­sen über­haupt als krän­kend emp­fun­den haben, wird gar nicht the­ma­ti­siert. In den anti­ken Gesell­schaf­ten war es üblich, Men­schen unter­schied­lich zu behan­deln. Zu ver­wei­sen ist auf die Skla­ve­rei, die es bei Römern und Ger­ma­nen gab. Men­schen­rech­te und ‑wür­de waren nicht ver­brieft. Den spät­an­ti­ken Men­schen ein Den­ken in Men­schen­rech­ten (und ihrer Zubil­li­gung bzw. ihrer Ver­let­zung) zu unter­stel­len, zeugt von man­geln­den Kennt­nis­sen, schlech­tem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und zeit­ge­mä­ßer Naivität.
Pant­le über­trägt die schon für die Gegen­wart pro­ble­ma­ti­sche Kate­go­ri­sie­rung eins zu eins auf das Ver­hält­nis Römer – Bar­ba­ren (Ger­ma­nen) im Alter­tum. Viel­leicht ist es die­se »Schrei­be«, die dem Buch des Focus-Jour­na­lis­ten bereits meh­re­re Auf­la­gen bescher­te – den his­to­ri­schen Per­sön­lich­kei­ten wird er jedoch nicht gerecht. Pant­le beschreibt kei­ne his­to­ri­sche Bege­ben­hei­ten, son­dern betreibt Geschichts­po­li­tik! Posi­tiv muß der vor­züg­li­che Bild­teil und die gelun­ge­nen far­bi­gen Kar­ten ange­merkt werden.

Auch Tiho­mir Bun­o­vic (Armi­ni­us – der ers­te deut­sche Patri­ot, August v. Goe­the Lite­ra­tur­ver­lag, Frank­furt a. Main 2008, 8.90 €) gibt eine Dar­stel­lung der Ereig­nis­se um die Schlacht im Teu­to­bur­ger Wald, jedoch auf beschei­de­nem wis­sen­schaft­li­chen Niveau. Das Hei­mat­land des Armi­ni­us erstreck­te sich nicht von der Weser bis zur Weich­sel, wie der Autor schreibt, son­dern ist eher im Bereich Weser bis Elbe zu loka­li­sie­ren. Als Grund für den ger­ma­ni­schen Auf­stand gibt Bun­o­vic die Stö­rung eines zen­tra­len Kult­fes­tes der Ger­ma­nen durch Varus an, wofür es kei­nen Beleg gibt. Die Schlacht­be­schrei­bung ist ober­fläch­lich und teil­wei­se falsch. Die römi­schen Legio­nä­re flüch­te­ten nicht nach dem ers­ten Über­ra­schungs­an­griff »in Panik ins Moor«. Der Kampf zog sich über drei Tage hin, und die Römer wur­den fast voll­stän­dig auf­ge­rie­ben. Über­le­ben­de wur­den mas­sa­kriert, hoch­ran­gi­ge Gefan­ge­ne den Göt­tern geop­fert. Erkennt­nis­se der Archäo­lo­gie bestä­ti­gen die anti­ken Quel­len ein­deu­tig. Auch war Armi­ni­us kein »deut­scher Patri­ot «, wie Bun­o­vic meint. Die­se Zuschrei­bung ist unhis­to­risch, da die Bezeich­nung »deutsch« nicht exis­tier­te und Armi­ni­us sei­ne eige­ne Iden­ti­tät eher aus der Stam­mes­zu­ge­hö­rig­keit bezog und aus dem Wil­len, sich nie­man­dem unter­ord­nen zu wol­len. Ver­voll­stän­digt wird der wenig wis­sen­schaft­li­che Ein­druck des Buches durch Bil­der und Zeich­nun­gen, die angeb­lich Armi­ni­us oder den römi­schen Feld­her­ren Ger­ma­ni­cus dar­stel­len sollen.
Streng wis­sen­schaft­lich ist das Buch von Boris Drey­er (Armi­ni­us und der Unter­gang des Varus, Stutt­gart: Klett-Cot­ta 2009, 317 S., 24,90 €). Der Autor reka­pi­tu­liert die lan­ge, kon­flikt­rei­che römisch-ger­ma­ni­sche Geschich­te vom furor teu­to­ni­cus der Kim­bern und Teu­to­nen bis zu den Ger­ma­nen­krie­gen unter Augus­tus und Tibe­ri­us. Als Juli­us Cae­sar aus­zog, Gal­li­en zu erobern, kre­ierte er für die römi­sche Öffent­lich­keit ein Bild, das den Ger­ma­nen als rie­sen­haf­ten, blon­den, schmut­zi­gen und urwüch­si­gen Bar­ba­ren kenn­zeich­ne­te. Damit beab­sich­tig­te er, den Rhein als Ziel und Gren­ze sei­ner Erobe­rungs­tä­tig­keit nörd­lich der Alpen zu recht­fer­ti­gen. Dabei unter­schie­den sich Ger­ma­nen und kel­ti­sche Gal­li­er äußer­lich nicht von­ein­an­der, auch dien­te der Rhein kaum mehr als Sied­lungs­gren­ze. Aus­schlag­ge­bend war, daß Cae­sar durch poli­ti­sche Pro­pa­gan­da vom römi­schen Senat eine Ent­schei­dung in sei­nem Sin­ne erzwin­gen wollte.
Unter Augus­tus kam es zu einer Neue­rung in Bezug auf die Ger­ma­nen­po­li­tik. Drey­er hält die Schil­de­run­gen des römi­schen His­to­ri­kers Vel­lei­us Pater­cu­lus für glaub­wür­dig, daß der Prin­ceps die Elbe als Erobe­rungs­ziel bestimmt habe. Mit meh­re­ren Feld­zü­gen soll­te ab 16 v. Chr. die­ses Ziel erreicht wer­den. Im Jah­re 8 v. Chr. hät­ten sich alle Ger­ma­nen­stäm­me zwi­schen Rhein und Elbe unter­wor­fen. Die vor­erst rela­tiv mil­de römi­sche Herr­schaft ende­te mit der Über­nah­me der Statt­hal­ter­schaft durch Varus im Jah­re 7 n. Chr. Der führ­te das rigi­de Steu­er- und Rechts­sys­tem Roms ein, woge­gen sich schnell brei­ter Wider­stand for­mier­te und wor­aus sich ein Volks­auf­stand der nord­west­ger­ma­ni­schen Stäm­me entwickelte.
Für Drey­er ist die Loka­li­sie­rung des Schlacht­or­tes anhand anti­ker Quel­len (Taci­tus, Cas­si­us Dio) und archäo­lo­gi­scher Fun­de geklärt. Gra­bun­gen im hes­si­schen Wald­gir­mes schei­nen die Anga­ben der anti­ken His­to­ri­ker zu bestä­ti­gen, nach denen es bereits römi­sche Städ­te­grün­dun­gen in Ger­ma­ni­en gege­ben habe. Das wür­de die Pro­vin­z­wer­dung die­ses Gebie­tes bestätigen.
Die Grün­de der Nie­der­la­ge des Varus lie­gen in einer Kom­bi­na­ti­on aus drei Fak­to­ren: 1. der Ver­rat des Armi­ni­us, 2. das Locken der römi­schen Besat­zungs­trup­pen in einen Hin­ter­halt und 3. die Defen­siv­stra­te­gie der Ger­ma­nen, eine offe­ne Feld­schlacht gegen die Römer zu ver­mei­den. Daß sich aus die­ser Nie­der­la­ge für die Römer kei­ne Kata­stro­phe ent­wi­ckel­te, liegt am man­geln­den Wil­len der Ger­ma­nen, mehr zu tun, als ihre eige­ne Hei­mat zu befrei­en und an den schnel­len Grenz­si­che­rungs­maß­nah­men der Römer. An der Rhein­gren­ze wur­den acht neue Legio­nen dis­lo­ziert, und im Jah­re 12 n. Chr. begann der Ver­such der Römer, Ger­ma­ni­en zurück­zu­er­obern. Jedoch über­schat­te­ten Unglü­cke die römi­schen Ope­ra­tio­nen. Außer­dem gelang es nicht, die Ger­ma­nen in offe­ner Schlacht voll­stän­dig zu besie­gen. So ließ Kai­ser Tibe­ri­us die Krie­ge ein­stel­len, die Rom viel gekos­tet und nichts ein­ge­bracht hatten.

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