Frieden mit Obama

pdf der Druckfassung aus Sezession 33 / Dezember 2009

von Thomas Bargatzky

Von Mitte September bis Mitte Oktober 2009 hielt ich mich als Visiting Scholar der Indiana University Bloomington in den USA auf. In diese Zeit fiel die Verleihung des Friedensnobelpreises an Präsident Barack Obama.

Die­ses Ereig­nis, soweit es bei mei­nen Begeg­nun­gen mit US-Kol­le­gen über­haupt zur Spra­che kam, rief eher Ver­le­gen­heit als Begeis­te­rung her­vor, obwohl die geis­tes­wis­sen­schaft­li­che aca­de­me auch in den USA eher links steht – also, nach ame­ri­ka­ni­schem Selbst­ver­ständ­nis, mehr­heit­lich »libe­ral« ist. Eine aus Deutsch­land stam­men­de Pro­fes­so­rin, die schon seit über zwei Jahr­zehn­ten in den USA lehrt und daher mit ame­ri­ka­ni­schen Ver­hält­nis­sen gut ver­traut ist, zeig­te sich scho­ckiert über die durch die Preis­ver­lei­hung ver­stärk­te Het­ze und den Spott sei­tens der Repu­bli­ka­ner und ihrer Anhän­ger in den TV-Leit­me­di­en. Wegen sei­nes Ver­suchs, die in Deutsch­land seit Bis­marcks Zei­ten selbst­ver­ständ­li­che all­ge­mei­ne staat­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung ein­zu­füh­ren, steht der Prä­si­dent unter Dau­er­be­schuß. Der Nobel­preis, so die Kol­le­gin, »war doch als Ermu­ti­gung gemeint«. Den­noch: Auch sie woll­te oder konn­te kei­ne preis­wür­di­ge Leis­tung in Oba­mas noch nicht ein­mal ein­jäh­ri­ger Amts­zeit nennen.
Um bes­ser zu ver­ste­hen, war­um der Nobel­preis Oba­ma eher scha­den als nüt­zen wird, soll­te man einen Auf­satz des ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Alan Wol­fe lesen, der im Früh­jahr 2007 in deut­scher Über­set­zung unter dem Titel »Poli­ti­sche Phi­lo­so­phie in den USA – Rech­te und Lin­ke« in der Inter­net-Zeit­schrift Die Gazet­te erschie­nen ist. Unter dem deut­lich for­sche­ren Titel »A Fascist Phi­lo­so­pher Helps Us Under­stand Con­tem­po­ra­ry Poli­tics« wur­de das Ori­gi­nal bereits am 2. April 2004 in der Inter­net-Zeit­schrift The Chro­nic­le of Hig­her Edu­ca­ti­on ver­öf­fent­licht, also gegen Ende der ers­ten Amts­zeit von Oba­mas Vor­gän­ger Geor­ge W. Den­noch ist die­ser Bei­trag höchst aktu­ell: Carl Schmitt, nicht Leo Strauss, soll­te eigent­lich der Guru der Repu­bli­ka­ner sein, meint Wol­fe. Zwar sei es unwahr­schein­lich, daß Schmitts Werk in die­sen Krei­sen bekannt ist. Gleich­wohl sei der Zeit­geist, in dem der Kon­ser­va­ti­vis­mus in die­ser Par­tei zur Blü­te kommt, »durch­drun­gen vom Schmitt­schen Gedan­ken­gut. Schmitt bie­tet eine Erklä­rung ins­be­son­de­re dafür, wie Kon­ser­va­ti­ve Libe­ra­le atta­ckie­ren und war­um Libe­ra­le sich so zöger­lich dage­gen ver­tei­di­gen«. Die Poli­tik ken­ne, nach Schmitt, nur zu ver­nich­ten­de Geg­ner. Kon­ser­va­ti­ve (Repu­bli­ka­ner) haben sich die­ses Poli­tik­ver­ständ­nis gründ­lich zu eigen gemacht. Wenn Schmitt recht hat, dann gewin­nen die Kon­ser­va­ti­ven (in den USA) so gut wie jede poli­ti­sche Schlacht, denn sie sind die ein­zi­ge wirk­lich poli­ti­sche Kraft. Sie ver­mit­teln den Ein­druck, nichts kön­ne sie auf­hal­ten. Mit dem Geg­ner darf es kei­ne Kom­pro­mis­se geben; US-Kon­ser­va­ti­ve ver­tre­ten ihre Ideen daher, anders als Libe­ra­le, mit aggres­si­ve­rer Selbstsicherheit.
Oba­ma hat sich bis­her nicht als tat­kräf­ti­ger Prä­si­dent gezeigt. Um nicht als »Schwäch­ling« zu erschei­nen, und um den Repu­bli­ka­nern Kom­pro­miß­be­reit­schaft in Sachen Gesund­heits­re­form abzu­han­deln, könn­te er dem Druck sei­ner Gene­rä­le nach­ge­ben und mehr Sol­da­ten nach Afgha­ni­stan schi­cken. Die­se Rech­nung dürf­te aber nicht auf­ge­hen: Die Repu­bli­ka­ner wer­den den Sieg in Afgha­ni­stan for­dern und trotz­dem die Gesund­heits­re­form und den Prä­si­den­ten wei­ter ent­schlos­sen bekämp­fen. Oba­ma könn­te Gefahr lau­fen, dem Bei­spiel des glück­lo­sen Lyn­don B. John­son zu fol­gen und sei­ne Prä­si­dent­schaft zu rui­nie­ren: John­son war ja als Refor­mer im Inne­ren ange­tre­ten und hat­te zuletzt über 500.000 Sol­da­ten in einen aus­sichts­lo­sen Krieg nach Viet­nam geschickt.
Wird der Frie­dens­no­bel­preis Prä­si­dent Oba­ma hel­fen? Mit Sicher­heit nicht. Zu offen­bar ist, aus repu­bli­ka­ni­scher Sicht, die Absicht der »Weich­ei­er« aus dem »alten Euro­pa«. Der Kampf gegen den Prä­si­den­ten wird dadurch eher noch beflü­gelt. Viel­leicht führt die Ver­lei­hung des Prei­ses jedoch dazu, die Beset­zung des Komi­tees und die Ver­ga­be­richt­li­ni­en ein­mal einer gründ­li­chen Prü­fung zu unter­zie­hen, damit sein Ruf nicht noch mehr Scha­den erlei­de. Somit hät­te die­se Preis­ver­lei­hung dann zu guter Letzt ja doch noch ihr Gutes.

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