… hier im anglophoben und apostrophunsicheren Mitteldeutschland wird er als „Mädchenzukunftstag“ begangen, im süddeutschen Raum ist (in apostrophischer Hinsicht selbstbewußt) vom Girl´s und Boy´s Day die Rede.
Die frühjährliche Reihe der Frauengedenktage (erst Internationaler Tag gegen ausschließlich weibliche Genitalverstümmelung, dann Internationaler Frauentag, zwei Wochen drauf der Equal Pay Day gegen finanzielle Benachteiligung von Frauenarbeit, demnächst Muttertag) markiert die Säkularisierung der alten weiblichen Kultfeste , die der obskur bleibenden Ostara gewidmet waren oder zum ersten Mai als Beltane /Walpurgisnacht gefeiert wurden. Der Mai als Marienmonat hingegen erschien seit je weniger eventtauglich.
Heute also Girls´ Day, der sein Vorbild in den USA hat und 2001 u.a. auf Initiative von Alice Schwarzer auch hierzulande eingeführt wurde. Mittlerweile haben sich auch andere europäische Länder wie das Kosovo und Polen (in der Schweiz heißt es „Tochtertag“) der Vorreiterrolle Deutschlands angeschlossen. Als Geldgeber fungieren hierzulande das Bundesfamilienministerium, das Ministerium für Bildung und Forschung sowie die EU.
Am Girls´ Day werden Schülerinnen der 5.–10. Klasse vom Unterricht freigestellt, um in frauenuntypische Berufsfelder „hineinzuschnuppern“. Die Teilnehmerzahl ist von 1.800 Schülerinnen im Anfangsjahr auf rund 130.000 gestiegen. Ob das Blitzpraktikum für Mädels letztlich wie gewünscht in einer Kfz-Werkstatt oder einem Physiklabor stattfindet oder, wie häufiger praktiziert, in einem Kindergarten, im Nagelstudio oder in der Konditorei, wird nicht überprüft.
Beklagt wird auf dem amtlichen Flugzettel zur Aktion (muß man erwähnen, daß das Girls´ Day-Logo mädchenhaft verspielt und in Pinktönen daherkommt?), daß sich „mehr als die Hälfte der weiblichen Auszubildenden für einen von zehn mädchentypischen Ausbildungberufen entscheiden – kein einziger aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich ist darunter.“ Ein wenig beißt sich da die Gender-Argumentation selbst in den Schwanz: Ist es laut Gender-Mainstreaming-Diktion nicht bereits eine Form von Diskriminierung, Berufe wie Krankenschwester, Friseurin und dergleichen abwertend als „mädchentypisch“ zu bezeichnen?
Neben der frauenrollenkritischen Zielsetzung benennen die Initiatoren auch wirtschaftliche Gründe, weshalb Frauen sich um Stellen in Werkstätten und IT-Zentralen bemühen sollen: Weil aufgrund der demographischen Lage „der qualifizierte Nachwuchs fehlt, ist es wichtig, daß Mädchen ihr Berufsspektrum erweitern.“ Das klingt einleuchtend.
Schauen wir aber auf die ebenfalls ministeriell verantwortete Begründung des flankierenden Projekts „Neue Wege für Jungs“, so heißt es dort: Da der Bedarf an Fachkräften in Pflege‑, Betreuungs- und Erziehungsberufen steige, sollen Jungen verstärkt für dieses Spektrum interessiert werden. Aus ökonomischen Gründen erscheint der forcierte Rollenaufbruch also nicht logisch.
Generell fällt auf, daß sich das „klischeesprengende“ Image männlicherseits schwerer verkauft. Dabei tun die Veranstalter ihr Möglichstes, den Jungs ihre Version des Girls´ Day nahezubringen. Die entsprechende Seite biedert sich unter der Adresse https://www.respekt-jungs.de/an, wir sehen eine Mauer mit aufgemalten Parolen wie „Was geht?“ und „Ich hab Bock“. In einer Datenbank sind deutschlandweit mehrere tausend Stellen annonciert, auf denen sich die pubertierenden Knaben „frei von Geschlechterklischees ausprobieren“ sollen.
Die zwei Mädels, die soeben hier im Büro fleißig ihre Hände rühren, freuen sich jedenfalls über den schulfreien Tag. Wie jedes Jahr hocken im Kindergarten ein paar Praktikantinnen herum, und der Klempner, der unser Haus gerade an die brandneue Zwangskanalisation anschließt, hat zwei Schulknaben im Schlepptau. Unsere Praktikantinnen hier, 11 und 13, wissen von keiner KlassenkameradIn, die/der sich heute in einem dezidiert dem anderen Geschlecht zugeschriebenen Beruf umschaut. Maximal: ein Mädchen macht eine Runde beim MDR, ein anderes auf dem Tower des Flughafens. Ein Junge hilft im Blumenladen – der allerdings seiner Mutter gehört. Ansonsten: eine hilft der Mutti beim Bettenmachen im Altenheim, eine andere in der Bücherei, die nächste im Kosmetikstudio. Die Jungs schauen sich KfZ-Werkstätten an oder helfen der Elektrikerin. Man muß sagen: Der emanzipatorische Bedarf ist hierzulande nicht hoch. Familienmodelle, in denen die Frau Gymnasiallehrerin und der Mann Lastwagenfahrer ist, sind hier die Regel, da wird kein „Rollenwechsel“ für nötig befunden.
Eine Stunde Vor – und eine für Nachbereitung sind schulischerseits vorgesehen. Unsere Praktikantinnen schütteln den Kopf: Vorbereitung habe es keine gegeben, die Lehrkräfte hätten sie gar nicht auf den Tag aufmerksam gemacht und auf Nachfrage von seiten der Schüler „eher die Augen verdreht“.