Wir Landtreter – eine Hommage an den ehrbaren Kaufmann

pdf der Druckfassung aus Sezession 27/Dezember 2008

sez_nr_272von Günter Zehm

Ein schönes historisches Bild feiert im Verlauf der Finanzkrise Wiederauferstehung: das Bild vom „ehrbaren Kaufmann", der seine Geschäfte energisch mit den Prinzipien christlicher und „alter teutscher" Moral und Anständigkeit verbindet und sich darin durch keinerlei Versuchung in Form von lockenden Spekulationsgewinnen irre machen läßt. „Wir brauchen den ehrbaren Kaufmann, um so schnell wie möglich aus dem Desaster herauszukommen" - so tönt es jetzt von Angela Merkel bis Peer Steinbrück, und der Beifall, den sie finden, ist allgemein.


Geprägt hat den Begriff – laut Phil­ip­pe Dol­lin­ger, dem Ver­fas­ser des grund­le­gen­den Wer­kes Die Han­se – vor lan­ger Zeit der Lübe­cker Bür­ger­meis­ter und genia­le Han­se­kauf­mann Hin­rich Cas­torp (1420 bis 1488), als er auf einem der dama­li­gen „Han­se­ta­ge” die ange­reis­ten Gran­den der mäch­ti­gen mit­tel­al­ter­li­chen Han­dels­ver­ei­ni­gung gewis­ser­ma­ßen mora­lisch auf­rüs­ten woll­te. Wir brau­chen uns weder vor Köni­gen noch vor Bischö­fen zu ver­ste­cken, mahn­te Cas­torp, unser Gewer­be ist gott­ge­wollt, und es ist von Gott gere­gelt und geseg­net wie die Arbei­ten des Land­manns und des Hand­wer­kers in den Städten.
Unter Ehr­bar­keit ver­stand Cas­torp (und ver­stan­den alle Spä­te­ren, die sei­ne Rede auf­nah­men und bekräf­tig­ten) die unbe­ding­te Ein­hal­tung des bibli­schen Deka­logs beim Han­dels­ge­schäft: „Du sollst nicht steh­len, du sollst nicht falsch Zeug­nis reden, du sollst das Hab und Gut dei­nes Nächs­ten ach­ten und respek­tie­ren.” Das war kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit, im Gegen­teil, die Händ­ler umweh­te seit Urzei­ten der Geruch des Fal­sch­re­dens, des Betrü­gens und der Miß­ach­tung des Eigen­tums ande­rer. Die Bibel weiß: „Ein Kauf­mann kann sich nur schwer hüten vor Unrecht und Sün­de” (Jesus Sirach 26, 28). Und Bud­dha lehr­te: „Kein Lotus ohne Stem­pel, kein Kauf­mann ohne Betrug”. Das Miß­trau­en war von Anfang an da, und es nahm im Lau­fe der Zei­ten eher noch zu.
Händ­ler, Kauf­leu­te waren „anwe­send und dazwi­schen” beim Tausch von Lebens­gü­tern, und es fiel ihren Mit­men­schen, ob Gelehr­ten oder Töl­peln, seit jeher schwer, sie als not­wen­di­ge Funk­tio­nä­re des Lebens ernst zu neh­men. Sie schu­fen nichts, sie trans­por­tier­ten nichts (das taten die See­leu­te und Kara­wa­nen­trei­ber), sie „ver­mit­tel­ten” nur, sie schätz­ten den Wert der Tausch­gü­ter ein, sie waren, bei Lich­te betrach­tet, kei­ne Funk­tio­nä­re, son­dern sel­ber Funk­ti­on. Ihr ein­zi­ges „Arbeits­ge­rät”, das Geld, spie­gel­te das genau ab. Auch das Geld war blo­ße Funk­ti­on, kein Wert an sich, son­dern ledig­lich ein Zei­chen, ein Sym­bol für Wer­te. Und die­ses Sym­bol ver­wan­del­te unter der Hand ein kon­kre­tes Lebens­gut wäh­rend des Tau­sches in eine blo­ße Zahl, in eine Sum­me, eine Quan­ti­tät. Das lös­te von Anfang an schwers­te Irri­ta­tio­nen aus.
Aris­to­te­les, der ers­te wis­sen­schaft­li­che Öko­nom der Welt­ge­schich­te, hat die unge­heu­re Bedeu­tung die­ses Ver­wand­lungs­pro­zes­ses bereits im vier­ten Jahr­hun­dert vor Chris­tus voll durch­schaut und dar­aus spe­zi­fi­sche Kon­se­quen­zen gezo­gen. Das Geschäft der Händ­ler, sah er, ist prin­zi­pi­ell zwei­deu­tig, es ist einer­seits „Beschaf­fungs­kunst”, ande­rer­seits „Berei­che­rungs­kunst”, soge­nann­te „Chre­ma­tis­tik”. Letz­te­re tauscht nicht mehr bie­der eine für den Haus­halt, den „Oikos”, benö­tig­te Sache gegen eine ande­re, son­dern macht den Tausch zum Eigen­zweck, um einen in Geld abbild­ba­ren Gewinn dar­aus zu zie­hen, wel­cher nicht in den Sachen und nicht in den Bedürf­nis­sen selbst liegt.

Für Aris­to­te­les war das eine schlim­me Stö­rung nicht nur der öko­no­mi­schen Har­mo­nie, son­dern auch des mensch­li­chen Grund­werts der Gerech­tig­keit. Der Beruf des Händ­lers, des Kauf­manns, spal­te­te sich für ihn auf in einen ehr­ba­ren, mora­lisch recht­fer­tig­ba­ren Teil, eben die Beschaf­fungs­kunst, und in einen mora­lisch nicht mehr recht­fer­tig­ba­ren, die Chre­ma­tis­tik, in sei­ner Sicht eine Art höhe­res Gau­ner­tum. Ihr abschre­cken­des Sym­bol war König Midas, der bekannt­lich alles, was er anfaß­te, in Gold ver­wan­del­te – und eben dadurch letzt­lich ver­hun­gern muß­te. Als glän­zen­des Gegen­bei­spiel schil­dert Aris­to­te­les Tha­les von Milet, einen der sprich­wört­li­chen „sie­ben Wei­sen” der Anti­ke, der mit Hil­fe der Astro­no­mie die Höhe der jewei­li­gen Oli­ven­ern­te habe vor­aus­sa­gen kön­nen. Er hät­te auf Grund die­ses Exklu­siv­wis­sens über­le­gen spe­ku­lie­ren und sich dadurch außer­or­dent­lich berei­chern kön­nen, ließ es aber sein, weil er um den Wert der Gerech­tig­keit wuß­te und sich nie frei­wil­lig in die Nie­de­run­gen abso­lu­ter Tugend­fer­ne hin­ein­be­ge­ben hätte.
Logisch folg­te aus der Ableh­nung der Chre­ma­tis­tik die Ableh­nung des Zins­neh­mens. „Das Geld”, schrieb Aris­to­te­les in sei­ner Poli­te­ia, „ist um des Tau­sches wil­len erfun­den wor­den. Durch den Zins ver­mehrt es sich aber durch sich selbst, und das ist ein­deu­tig wider die Natur und wider die Gerech­tig­keit”. Die­ser Satz gewann im Abend­land für Jahr­tau­sen­de kul­ti­schen Rang und abso­lu­te Gül­tig­keit. Sämt­li­che Köni­ge und Bischö­fe ver­ur­teil­ten das Zins­neh­men, zumal ja auch die Bibel aus­drück­lich ein Zins­ver­bot for­dert (Lukas 6.35, Jesus spricht: „Tut wohl und lei­het, daß ihr nichts davon hof­fet!”); da sie aber, um zu Geld für ihre Bau­ten und Feld­zü­ge zu kom­men, sich auf Geschäf­te mit Geld­leu­ten ein­las­sen muß­ten, wel­che Zins durch­aus for­der­ten und auch erhiel­ten, wur­den die­se Geld­leu­te, meis­tens Juden, wenigs­tens kul­tu­rell stig­ma­ti­siert und aus der „Gesell­schaft der guten Leu­te” ausgeschlossen.
Erst zur Zeit der gro­ßen ita­lie­ni­schen Han­dels­städ­te und der nord­deut­schen Han­se im hohen Mit­tel­al­ter änder­te sich das all­mäh­lich. Tho­mas von Aquin, der damals abso­lut füh­ren­de (Sozial-)Philosoph, gab das Tem­po vor. Zwar kann­te er selbst­ver­ständ­lich das Jesus­wort, wuß­te des­sen Ver­bot aber vari­an­ten­reich zu rela­ti­vie­ren. Ein Dar­le­hens­neh­mer, schreibt er, kön­ne doch ein Geschenk an den Gläu­bi­ger zah­len, dafür, daß die­ser ihm aus der Not gehol­fen habe. Und dann die ent­schei­den­de Stel­le: „Ein Zins­neh­mer nimmt beim Ver­lei­hen von Geld ja nicht nur ein bestimm­tes Risi­ko auf sich, was das Wie­der­krie­gen zum vol­len Wert und zum ver­ab­re­de­ten Ter­min betrifft, son­dern auch einen Ver­lust an eige­nen Lebens­mög­lich­kei­ten, und das muß gerech­ter­wei­se hono­riert wer­den. Und wer sein Geld als Gesell­schaf­ter in ein Unter­neh­men ein­bringt, der darf auch einen bestimm­ten Anteil am Gewinn for­dern, auch wenn er sich nicht selbst direkt an der Ope­ra­ti­on betei­ligt hat” (Sum­ma theo­lo­giae II/II, 36).
Wir haben hier das wohl ers­te abend­län­di­sche Doku­ment des­sen, was man im enge­ren Sin­ne Kapi­ta­lis­mus nennt. Der Kapi­ta­list, der Kapi­tal­ein­set­zer, rückt mora­lisch gleich­be­rech­tigt neben den Arbei­ter. Das Kapi­tal darf sich – Aris­to­te­les und Jesus hin oder her – „durch sich selbst” ver­meh­ren, der anti­ke und auch früh­kirch­li­che, bibli­sche Bann, der bis­her über die­se Wei­se des Geld­ver­die­nens ver­hängt war, ist gebro­chen. Tho­mas war sich der sen­sa­tio­nel­len Neu­ar­tig­keit sei­nes Urteils durch­aus bewußt; davon zeugt, daß er gleich einen gan­zen Kata­log von Kautelen auf­stell­te, die das Kapi­tal ehr­bar hal­ten und so die The­se von der mora­li­schen Gleich­be­rech­ti­gung von Kapi­tal und Arbeit für die Zeit­ge­nos­sen annehm­bar machen sollten.

Kapi­tal­ge­win­ne sind unauf­heb­bar sozi­al­pflich­tig, schreibt Tho­mas, sie ver­pflich­ten zu Hil­fe und Unter­stüt­zung der Armen wie der gesam­ten Gemein­schaft. Ordens­leu­te, Klös­ter und Kir­chen, aber auch welt­li­che Herr­schaf­ten sol­len sich grund­sätz­lich nicht an Geld­ge­schäf­ten und Gewinn­spe­ku­la­tio­nen betei­li­gen. Ein Odeur von Miß­bil­li­gung bleibt also, aber die Büch­se der Pan­do­ra, wenn man so will, ist geöff­net, und sie war nicht wie­der zuzu­krie­gen, es sei denn unter Hin­nah­me schwers­ter Ver­lus­te an Fort­schritt und tech­ni­scher Inno­va­ti­ons­kraft. Einer der Haupt­feh­ler des Kom­mu­nis­mus war ja zwei­fel­los, daß er den Fak­tor Kapi­tal voll­stän­dig aus sei­nen Plä­nen her­aus­zu­hal­ten ver­such­te – mit ver­hee­ren­den, letz­ten Endes töd­li­chen Fol­gen für das gan­ze System.
Es geht – auch in der gegen­wär­ti­gen Finanz­kri­se – nicht um die Alter­na­ti­ve Kapi­ta­lis­mus oder Kom­mu­nis­mus bezie­hungs­wei­se Staats­wirt­schaft, son­dern ein­zig dar­um, den Kapi­ta­lis­mus ehr­bar zu hal­ten. Tho­mas von Aquin war es vor­ran­gig um die Ein­for­de­rung von Sozi­al­pflich­tig­keit zu tun; beim Han­sea­ten Hin­rich Cas­torp trat die Ermah­nung hin­zu, sich nicht erst nach Abschluß der Geschäf­te sozi­al zu geben und vom Gewinn zu spen­den, son­dern bereits wäh­rend der Geschäf­te in jeder Hin­sicht anstän­dig zu blei­ben, die ent­schei­den­den Ope­ra­tio­nen trans­pa­rent und über­schau­bar zu gestal­ten und even­tu­el­le Risi­ken nie auf Kos­ten ande­rer, immer nur auf eige­ne Kos­ten ein­zu­ge­hen. Eben in sol­chem Ver­hal­ten offen­ba­re sich der ehr­ba­re Kaufmann.
Nicht ver­kehrt ist es, dar­auf hin­zu­wei­sen, daß die­ses einst von der Han­se ent­wor­fe­ne Ide­al vom ehr­ba­ren Kauf­mann die gan­ze deut­sche Wirt­schafts­ge­schich­te durch­aus geprägt hat; nicht zuletzt dadurch unter­schei­det sie sich posi­tiv von der angel­säch­si­schen. Deut­sche Kauf­leu­te waren – nach einer berühm­ten Unter­schei­dung von Carl Schmitt (in sei­nem Buch Land und Meer) – „Land­tre­ter”, im Unter­schied zu den angel­säch­si­schen „See­schäu­mern”. Wäh­rend die Land­tre­ter, wenn sie über ihre Hei­mat­re­gi­on hin­aus­grif­fen, stän­dig unmit­tel­bar mit ande­ren Kul­tu­ren kon­fron­tiert wur­den, mit denen sie sich mes­sen und arran­gie­ren muß­ten, pflüg­ten die See­schäu­mer zunächst ein­mal wei­te, schier unend­li­che Mee­re, auf denen gar nichts war, „lee­rer Raum”. Und das hat­te Fol­gen. Die neu­en Völ­ker, bei denen sie schließ­lich anlan­de­ten, gehör­ten in der Sicht der Ankömm­lin­ge sel­ber zum lee­ren Raum, zur „offe­nen Gren­ze”, waren leicht unter­werf­bar oder gar schlicht igno­rier­bar. Sie waren weder ernst­haf­te Ver­hand­lungs­part­ner noch eben­bür­ti­ge Riva­len, die in har­ter, offe­ner Aus­ein­an­der­set­zung besiegt, respek­ti­ve bekehrt wer­den muß­ten, son­dern blo­ße Manö­vrier­mas­se im Kal­kül der „Kolo­ni­sa­to­ren”. Gut mög­lich, daß sich die­se ori­gi­nä­re See­schäu­mer-Men­ta­li­tät bis ins moder­ne angel­säch­si­sche Geschäfts­ge­ba­ren fort­ge­setzt hat und auch noch die jüngs­ten Ope­ra­tio­nen von Wall Street mit ober­fau­len Kre­di­ten und irren „Deri­va­ten” und „Zer­ti­fi­ka­ten” prägt.
Die Welt in all ihren Dif­fe­ren­zie­run­gen und Varia­bi­li­tä­ten ist in der Sicht die­ser Leu­te zur blo­ßen Manö­vrier­mas­se für See­schäu­mer gewor­den, zum lee­ren Raum im Kal­kül von Händ­lern, die zu lan­ge nur Meer, im aktu­el­len Fall also: nur Geld­schei­ne und nichts als Geld­schei­ne, gese­hen haben und die nun alle kon­kre­ten For­men des Lebens eben­falls für nichts als Geld hal­ten. So etwas tut kei­nem gut, sie­he König Midas. Für die Land­tre­ter ihrer­seits waren die Geschäfts­fel­der über die Zei­ten hin­weg iden­tisch mit alter Kul­tur­land­schaft, wel­che Respekt erheisch­te und auf die es Rück­sicht zu neh­men galt. Die Geschäf­te lit­ten unter der­lei Rück­sicht­nah­me nicht. Die Effi­zi­enz deut­scher Kauf­leu­te war, sofern man ihnen nicht von außen inter­es­sen­ge­lei­te­te Fes­seln anleg­te, stets min­des­tens so groß wie die der angel­säch­si­schen, und zwar ohne daß sie sich je in haus­ge­mach­te Exzes­se von Man­ches­ter­tum und Hyper­spe­ku­la­ti­on ver­rann­ten. Die Ent­de­ckun­gen und Inno­va­tio­nen der deut­schen Real­wirt­schaft beweg­ten die Welt und ver­lie­hen ihr Esprit, ihre gro­ßen Unter­neh­mer­per­sön­lich­kei­ten, Borsig, Sie­mens et tut­ti quan­ti, ste­hen, was Sozi­al­pflich­tig­keit und Ver­mei­dung irrea­ler Risi­ken betrifft, unta­de­lig da.

Die Ein­trü­bun­gen, die letzt­hin zuta­ge tra­ten, sind aller­neu­es­ten Datums. Seit etwa zwan­zig Jah­ren war ein von vie­len Sei­ten betrie­be­ner ideo­lo­gi­scher Angriff auf das deut­sche Wirt­schafts­mo­dell zu beob­ach­ten, das als „rhei­ni­scher Kapi­ta­lis­mus”, „Deutsch­land AG” oder auch „schief gewi­ckel­te Sozia­le Markt­wirt­schaft” mali­zi­ös belä­chelt oder fron­tal atta­ckiert wur­de, unter Dau­er­hin­weis auf das angeb­lich unend­lich über­le­ge­ne angel­säch­si­sche Wall-Street-Modell. Füh­ren­de deut­sche Wirt­schafts­ma­na­ger wie Mathi­as Döpf­ner (Axel Sprin­ger AG) erklär­ten sich in Spie­gel-Inter­views und anders­wo als „glü­hen­de Anhän­ger des ame­ri­ka­ni­schen Kapi­ta­lis­mus” und rie­fen die deut­schen „Hin­ter­wäld­ler” zur Nach­ah­mung auf. Sämt­li­che gro­ßen Zei­tun­gen leg­ten ihrem tra­di­tio­nel­len Wirt­schafts­teil extra einen „Finanz­wirt­schafts­teil” bei und gaben zu ver­ste­hen, daß ein­zig dort die „eigent­li­chen”, näm­lich sat­te Gewin­ne ver­spre­chen­den Geschäf­te beleuch­tet und (begeis­tert) kom­men­tiert würden.
Kein Wun­der also, daß mit als ers­te die ehe­mals bie­de­ren deut­schen Lan­des­ban­ken wie ver­rückt neu­ar­ti­ge (also: betrü­ge­ri­sche) angel­säch­si­sche „Finanz­pro­duk­te” zu kau­fen began­nen und die rot-grü­ne Schrö­der-Fischer-Regie­rung in Ber­lin auch noch die letz­ten Kon­troll-Instan­zen für Ban­ken- und Bör­sen­auf­sicht außer Gefecht setz­te. Ein regel­rech­ter „neo-libe­ra­ler” Rausch setz­te ein und befiel vor allem Bank­ma­na­ger, Wirt­schafts­no­bel­preis­trä­ger und ande­re „Exper­ten”. Jetzt, da die Kata­stro­phe da ist, will nie­mand etwas gewußt haben – und sie haben es wohl auch tat­säch­lich nicht gewußt. Das Sys­tem, das „erfolg­reichs­te Modell” (Döpf­ner), schuf sich „Exper­ten” nach sei­nem eige­nen Maß. Sie haben buch­stäb­lich kei­ne Ahnung von dem, womit sie spe­ku­lie­ren. Alles, was sie machen, ist pure Luft­bal­lon-Auf­bla­se­rei, dar­auf abge­stellt, Augen­blicks­ef­fek­te zu erzie­len und mit­zu­neh­men, was nur mit­zu­neh­men ist, bevor die Bla­se platzt.
Ob die jetzt geplatz­te Bla­se die letz­te in der moder­nen Wirt­schafts­ge­schich­te gewe­sen ist? Skep­ti­ker bezwei­feln das, wei­sen auf die dem Kapi­ta­lis­mus angeb­lich inne­woh­nen­de „schöp­fe­ri­sche Zer­stö­rung” hin und raten zur Hin­nah­me des „Unaus­weich­li­chen”. Ande­rer­seits sind sich im Grun­de alle dar­über einig, daß Kri­sen von der Dimen­si­on der gegen­wär­ti­gen eine der­ar­ti­ge glo­ba­le Zer­stö­rungs­wucht ent­fal­ten, daß danach kein Stein mehr auf dem ande­ren steht und fak­tisch kei­ne Erho­lung, geschwei­ge denn Erho­lung auf höhe­rem Niveau, mehr mög­lich ist. Wie sprach der bekann­te Öko­nom Joseph E. Stig­litz in Hin­blick auf die jüngs­ten Ereig­nis­se? „Noch ein sol­cher Tsu­na­mi, und die Welt­wirt­schaft ist Ver­gan­gen­heit.” Die momen­ta­ne Kri­se muß ein­fach die letz­te ihrer Art gewe­sen sein, weil es bei Wie­der­ho­lung nur noch all­ge­mei­nen Unter­gang gäbe.
Prin­zi­pi­ell kri­sen­ver­hin­dern­de Leh­ren und Pro­gram­me sind gefragt. Aber manch­mal erweist sich, daß die wirk­sams­ten „neu­en” Leh­ren und Pro­gram­me in Wirk­lich­keit die bewähr­ten alten sind, auf die man sich „nur” zu besin­nen braucht, um dem Unge­heu­er erfolg­reich in den Rachen grei­fen zu kön­nen. Das han­sea­ti­sche Ide­al vom ehr­ba­ren Kauf­mann ent­hält ein sol­ches alt-neu­es Pro­gramm. Wor­auf es jetzt ankommt, ist (übri­gens nicht nur in der Wirt­schaft), den eige­nen bewähr­ten Tra­di­tio­nen zu ver­trau­en, sie bedacht­sam und kalt­blü­tig anzu­wen­den und sich dar­in von nie­man­dem irre machen oder gar gewalt­sam dar­an hin­dern zu las­sen. Man kann so auch ein Bei­spiel set­zen, das in ande­ren Welt­re­gio­nen zum Woh­le aller bedacht wer­den mag.

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