Habermas lesen mit Bolz

pdf der Druckfassung aus Sezession 29 / April 2009

Habermas ist eine Chiffre, zweifellos. Wenige lesen ihn, Viele...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

zitie­ren ihn, zu den Begrif­fen, die er erfand, ist er selbst gewor­den: Er ist »Ver­fas­sungs­pa­tri­ot«, »han­delt kom­mu­ni­ka­tiv« und pflegt den »herr­schafts­frei­en Dis­kurs« in der »neu­en Unüber­sicht­lich­keit«. Er ist der Phi­lo­soph der BRD und der­je­ni­ge der 68er. Er ist eine Instanz, er muß ein­ge­ord­net wer­den. Mit wem könn­te man ihn ver­glei­chen? Micha­el Fun­ken rich­tet in sei­nem Inter­view­buch (14 Gesprä­che) die­se Fra­ge an Nor­bert Bolz, einen luzi­den Haber­mas­kri­ti­ker. Er fragt: »Karl Jas­pers, an dem zu Leb­zei­ten kei­ner vor­bei­kam, und sein Zeit­ge­nos­se Mar­tin Heid­eg­ger, der Klas­si­ker wur­de – wel­chen Weg wird Haber­mas neh­men in 30, 40 Jah­ren?« Bolz: »Na also, für mich gibt’s über­haupt kei­nen Zwei­fel, daß natür­lich Haber­mas den Weg von Jas­pers gehen wird.« Fun­ken: »Jas­pers?« Bolz: »Abso­lut. Ich hal­te die Phi­lo­so­phie von Haber­mas nicht für eine gro­ße Phi­lo­so­phie. Ihn mit Heid­eg­ger zu ver­glei­chen, hal­te ich für absurd.«

Das sind mal deut­li­che Wor­te: Haber­mas wird also ver­schwin­den. Das beson­de­re an den Ant­wor­ten von Bolz ist der direk­te Ton. Er nennt Haber­mas den selbst­be­wuß­ten »Expo­nen­ten der Ree­du­ka­ti­on« und lobt ihn hin­ter­häl­tig, wenn er ihm »gro­ße Sen­si­bi­li­tät für den Zeit­geist« zuspricht. Bolz leis­tet in sei­nen knap­pen Ant­wor­ten, was ein guter Leh­rer hin und wie­der tun soll­te: dem Schü­ler die Lek­tü­re eines Meters unnüt­zer Lite­ra­tur zu erspa­ren. Fün­dig wer­den bei Haber­mas? »Wofür man sich inter­es­siert, das ist die Mög­lich­keit, links zu sein, ohne sich zu bla­mie­ren«. Phi­lo­soph der Neu­en Lin­ken? »Die 68er waren kurz davor zu erwa­chen. Haber­mas hat ihnen ermög­licht weiterzuträumen«.

Aber sei­ne Wir­kung … »da muß man unter­schei­den, inwie­weit ein Den­ker sei­ne Fans beru­higt, oder inwie­weit sei­ne Theo­rie die Wirk­lich­keit auf­schließt«. Allein wegen Bolz also lohnt sich die Lek­tü­re der Fun­ken- Gesprä­che. Auch Wolf­gang Schäub­le kommt zu Wort, zahn­los, und Gre­gor Gysi, unauf­rich­tig, weil er dem Gere­de vom »herr­schafts­frei­en Dis­kurs« nicht wider­spricht – dabei ist er doch Poli­ti­ker, und weiß, wie Olig­ar­chen dis­ku­tie­ren. Sym­pa­thi­scher: Josch­ka Fischer, der mit sei­ner hemds­ärm­li­gen Stra­ßen­her­kunft koket­tiert und ein biß­chen über Haber­mas’ War­nung vor einem Links­fa­schis­mus erzählt. Fischer hält die Wir­kung sol­cher Ein­wür­fe für gering: Er selbst hat sich jeden­falls dadurch von gar nichts abhal­ten lassen.

(Micha­el Fun­ken (Hrsg.): Über Haber­mas. Gesprä­che mit Zeit­ge­nos­sen Darm­stadt: Pri­mus-Ver­lag 2008. 192 S., 24.90 €) – hier bestel­len

Götz Kubitschek

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