Daß sich der Leiter des Hauses, Peter Weiß, um Auflagenzahlen so wenig kümmert wie um Zeitgemäßheit, erklärt schon ausreichend, warum er nun – nach der Auswahlausgabe von Der Papst, die 2007 erschien – auch eine Neuedition der »Abende von St. Petersburg« besorgt hat, die seit mehr als hundertfünfzig Jahren in deutscher Sprache nicht mehr greifbar waren.
Wie bei vielem, was aus dem Lager der Ultras auf uns gekommen ist, gibt es neben »versteinertem Kaviar« (Ernst Jünger) auch Erhellendes und vor allem Unerwartetes. Ein fingiertes Gespräch, das nach dem Muster eines antiken Symposions oder des Streits zwischen Hiob und seinen Freunden angelegt war, bot de Maistre 1809 die Möglichkeit, seine politisch-theologischen Grundgedanken zu entwickeln. Was da an Erwägungen zutage tritt – zur Macht Satans in der Geschichte, zum Sinn des menschlichen Leidens, zur Revolution als Züchtigungsmittel Gottes und zur Notwendigkeit der päpstlichen Theokratie – hat jedenfalls das Überraschungsmoment für sich und erreicht im Hinblick auf die berühmt-berüchtigte Apologie des Krieges einen Grad an politischer Inkorrektheit, die man sich nur leisten kann, wenn man schon so lange im Grab liegt wie de Maistre.
(Joseph de Maistre: Die Abende von St. Petersburg. Gespräche über das zeitliche Walten der Vorsehung hrsg. von Jean-Jacques Langendorf und Peter Weiß, übersetzt von Moritz Lieber, Wien und Leipzig: Karolinger 2008. 476 S., 49.00 €)