Gesichter des Nachkriegs

pdf der Druckfassung aus Sezession 31 / August 2009

Mit ihren Büchern über German Angst und über das Schweigen der Kriegskinder hat Sabine Bode von sich reden gemacht. In ihrem neuen Buch über »Kriegsenkel« bleibt sie der Thematik – den psychischen Folgen der NS-Zeit auf seiten der »Täter«-Erben – und ihrer protokollartig analysierenden Herangehensweise treu. Unter »Kriegsenkel« versteht Bode die Generation der zwischen 1960 und 1975 Geborenen. Spezieller jene, deren Eltern als Kinder furchtbare Kriegserlebnisse durchlitten haben, oft als Opfer von Flucht und Vertreibung. Bode nimmt eine »transgenerationale Weitergabe« traumatischer Erfahrungen an.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Wenn die eige­ne Mut­ter Opfer von Ver­ge­wal­ti­gun­gen oder der sieht van Cre­veld vor allem Vater Mord­zeu­ge waren, heißt das nicht, daß sich dies bei deren Kin­dern als mani­fes­tes psy­chi­sches Lei­den nie­der­schla­gen muß. Bode ist weder Ärz­tin noch Wis­sen­schaft­le­rin, sie wid­met sich den beklem­men­den Schat­ten, die auf den Nach­ge­bo­re­nen lie­gen. Sie nennt kei­ne Pro­zent­zah­len – man mag es für kon­stru­iert hal­ten, daß die hier Por­trä­tier­ten häu­fig an Eßstö­run­gen, Kin­der­lo­sig­keit und diver­sen »Bezie­hungs­stö­run­gen« labo­rie­ren. Jeden­falls scheint es, daß die­se Teil­ge­ne­ra­ti­on, anders als die 68er, eben nicht unter den ver­schwie­ge­nen Unta­ten ihrer Väter und Müt­ter lei­det (wie auch, wo die Eltern selbst noch Schul­kin­der waren?), son­dern unter unaus­ge­spro­che­nem Leid und Ent­beh­run­gen einer hei­mat­los gewor­de­nen Nach­kriegs­ju­gend. Es feh­le nicht an Fak­ten und Daten über das Regime und sei­ne Aus­wir­kun­gen, son­dern an einem tie­fer­ge­hen­den Ver­ständ­nis für die Aus­wir­kun­gen auf die eige­ne Iden­ti­tät. Aus­führ­lich kom­men Män­ner und Frau­en zu Wort, die sich mit »ver­bohr­ten Sicht­wei­sen«, einem extre­men Sicher­heits­be­dürf­nis und der Unfä­hig­keit, Din­ge genie­ßen zu kön­nen ihrer zwi­schen 1930 und 1945 gebo­re­nen Eltern kon­fron­tiert sehen. Bode stellt sich dies­mal auf die Sei­te der Enkel­ge­nera­ti­on; manch­mal ein­sei­tig. Ein­mal beklagt sie es als »Loya­li­täts­fal­le «, daß eine Gesprächs­part­ne­rin ihren Bei­trag »aus Respekt und Lie­be zu mei­ner altern­den Mut­ter« zurück­ge­zo­gen hat­te. Ande­rer­seits stellt sie das Des­in­ter­es­se an den Erfah­run­gen der eige­nen Eltern her­aus: »Das übli­che Schwei­gen in deut­schen Fami­li­en steht in einem bemer­kens­wer­ten Kon­trast zu der Mühe­lo­sig­keit, mit der Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen im Inter­net erwor­ben wer­den kön­nen. Es reicht das Ein­tip­pen der Stich­wor­te ›Bres­lau‹ und ›1945‹.«

(Sabi­ne Bode: Kriegs­en­kel. Die Erben der ver­ges­se­nen Generation
Stutt­gart: Klett-Cot­ta 2009. 304 S., 21.90 €)

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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