Zeh und Trojanow zeigen auf, was jeder weiß: Wir sind auf dem Weg in den »totalen Überwachungsstaat«. Der flotte Erzählstil täuscht jedoch nicht über die naive, teils dümmliche Wertung der Dinge hinweg. Im Geschichtsrückblick heißt es etwa: »Als König oder Tagelöhner kam man zur Welt, ohne Chance, durch persönliche Anstrengung etwas an der eigenen Situation zu ändern.«
Demnach hätte es einen Leonardo, Winckelmann oder Napoleon nie geben dürfen … Wer zweifelt, ob nicht er es sei, der irre, wenn er mit Widerwillen auf den normierten Kulturbetrieb blickt, geht aus dieser Lektüre gestärkt hervor. Trojanow und Zeh irren nämlich nie. Leute wie sie stehen zu allen Zeiten auf der richtigen Seite. Und fühlen sich dennoch ständig vom »Staat« bedroht und verfolgt, auch wenn sie selbst eifrig mitspielen. Darin liegt die Verlogenheit aller Hofschreiber: Sie deuten auf eine relativ abstrakte Gefahr, um die konkrete, die von den eigenen Machtkartellen ausgeht, nicht sehen zu müssen. Das Buch ist ein Buch von Sozial-Demokraten für Sozial-Demokraten. Es zeigt das Denken von Wichtigtuern, die kaum wissen, was »Freiheit« ist, da sie deren Grenzen nie getestet haben. Als Salonrebellin gefällt sich besonders Zeh: »Gefährlich leben« wollen im Schutz der eigenen Linientreue. Zeh wird nicht müde, für die SPD Wahlwerbung zu machen, für jene Partei, die sich bereits wieder mit den Kommunisten vereint. Als Gegenleistung wird Zeh nach Kräften gefördert. – Wie glaubwürdig ist jemand, der von »Freiheit« spricht, aber die Festung des Zeitgeistes nie verlassen hat? Wer nichts mehr fürchtet als Mißbrauch persönlicher Daten, während draußen politisch-moralische Orthodoxie herrscht und die »Freiheit des Wortes« zur Phrase verkommt? Der Überwachungsstaat ist ein Horror. Er basiert auch auf der Mitwirkung am Gesinnungsstaat seiner falschen Kritiker.
(Ilija Trojanow, Juli Zeh: Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte, München: Hanser 2009. 171 S., 14.90 €)