Der Titel verspricht indessen mehr, als das Buch hält: Der historische Nexus von Auschwitz und Jerusalem wird allzu skizzenhaft und sprunghaft nachgezeichnet, und die Betrachtungen über Deutschland und Israel bieten kaum mehr als kluges Feuilleton. Allerdings imponiert Grosser, dem der deutsche Masochismus unbegreiflich ist, durch seine Zurückweisung der Kollektivschuldthese und seine unerschrockene Parteinahme für Martin Walsers Kritik an Auschwitz als Moralkeule, deren politischen Einsatz er unermüdlich zu belegen sucht. Wenn sich Grosser gewiß gegen die Bagatellisierung des Holocaust verwahrt, so hält er doch die Verharmlosung von Völkermorden, die keinen Singularitätsstatus genießen, für nicht minder unmoralisch. Derlei Ansichten gehören freilich nicht zum guten Ton, sie sind aber auch nicht mehr gänzlich verpönt. Es darf daher bezweifelt werden, daß diese Publikation einen radikalen Tabubruch darstellt. Eher schien ihr Autor es mit Zarathustra zu halten: Was fällt, soll man auch noch stoßen.
(Alfred Grosser: Von Auschwitz nach Jerusalem. Über Deutschland und Israel, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 2009. 204 S., 16.90 €)