Bereits dies sorgt für eine abenteuerliche, bisweilen anstrengende (Formulierungswagnisse und Siehe da!-Schreibungen wie »eigensinnig «, »nach-denklich«) Lektüre. Langweilig wird’s nie, diesem anspruchsvollen Gang durch das Labyrinth diverser Weiblichkeitsentwürfe zu folgen. Gibt es das Weibliche, woraus man das Wesen der Frau ableiten könne? Wie sehen das – höchst unterschiedlich! – Feministinnen? Oder sollten die Gendertheoretiker recht behalten, daß Geschlecht nur eine kulturelle Zuweisung sei und ein nach binärem Code definierter Leib gar nicht existiere? Jene sprechen vom »Körper«, der (corpse!) schon etymologisch eine Entleerung des Leibbegriffes (Verwandtschaft mit Leben und Liebe) bedeute. Affirmativ und dicht begründet wird das Frauenbild der Bibel ins Spiel gebracht. Da weder Natur noch Kultur von sich aus »heil« seien, liege hier ein Schatz, den es zu heben gelte. In narzißtischer Gegenwart (nach Gerl-Falkovitz sind auch homoerotische Moden ein selbstbezogenes Ausweichen vor der Zumutung eines »Anderen«) gelte »Autonomie« als Leitbegriff, deren Mangel werde als »Preisgabe« des Selbstempfunden. Die Autorin hält diese Begriffe für »Abfälschungen« der menschlichen »Doppelbestimmung «, nämlich »Selbststand « und »Selbstgabe«.
Daß die Autorin aktuelle Veröffentlichungen (»neuerdings « heißt bei ihr: 2004) ignoriert und sich auf ihrer leidenschaftlich- klugen Suche nach Mustern, Rollen und Urgründen des Geschlechts gelegentlich verirrt, stört kaum. Brunhilde war mitnichten stärker als Siegfried (sondern als Gunther); Nietzsche wünschte keinen »dionysischen Untergang des Geistes«, sondern eine Synthese; ebenso ist es verkürzt, daß historisch den Mythen mit glücklosem Ausgang des Geschlechterkampfs die jüngeren Märchen folgten, die die Paarbeziehung glücken lassen. Die Kunstmärchen (Andersen!) pflegten nämlich wieder tragisch zu enden.
(Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: Frau–Männin–Menschin. Zwischen Feminismus und Gender, Kevelaer: Butzon & Bercker 2009. 286 S., 19.90 €)