Selbstverständlich hat es immer Einwände gegen die Demokratie gegeben, solche die seit der Antike und solche, die seit der Französischen Revolution vorgetragen wurden – „Barbarei der Zahl” (Goncourt), „zusammengezählte Nullen” (Nietzsche), die Stimme des Bürgers als „Kartoffel in einem Kartoffelsack” (Marx) -, und dann solche, die man erst angesichts der Entstehung von Massenstaaten äußerte. Aber noch die großen totalitären Bewegungen sahen sich gezwungen, nach außen „demokratisch” aufzutreten, und dasselbe gilt für die Fundamentalismen und für die Mehrzahl der Diktaturen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Keine Berufung auf Tradition oder Religion konnte im 20. Jahrhundert leisten, was die Berufung auf den demos, das Volk, zu leisten vermochte, und nach dem Kollaps des sowjetischen Systems schien es tatsächlich so, als gebe es gar keinen Einwand mehr gegen die universale Geltung des demokratischen Prinzips.
Dabei wurde übersehen, daß dessen Anziehungskraft ganz wesentlich mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Westens und den inakzeptablen Verhältnissen im Ostblock zusammenhing. Die „feindlose Demokratie” (Ulrich Beck), die nach dem Ende des Kalten Krieges entstand, mußte ihre Legitimität aus eigener Kraft beweisen, und das fiel ihr schwer. Der französische Autor Pascal Bruckner schrieb schon 1990: „Wir sind … in eine Epoche der demokratischen Melancholie eingetreten, denn in unser Gefühl des Triumphes mischt sich der Verdacht, etwas verloren zu haben: den Antrieb, uns und anderen die Demokratie zu wünschen, denn künftig wird sie nur von wenigen angefochten. Mit anderen Worten, da niemand dagegen ist, fehlt uns fast gänzlich die Kraft, dafür zu sein. Zwar haben wir das unbestimmte Gefühl, die ganze Arbeit liege noch vor uns, doch sind wir willenlos, da uns kein Gegner motiviert. Die großen Schlachten sind geschlagen, doch ist unsere Vollkommenheit dem Tode nahe.”
Bruckner gehörte zu jener Linken, die sehr früh und sehr klar gesehen hat, daß nach dem Ende der Blockkonfrontation Globalisierung und Neoliberalismus Rahmenbedingungen schufen, die mit den üblichen Methoden politischer Kontrolle nicht zu bändigen waren, daß der Bedeutungsverlust der Nationalstaaten und der Bedeutungszuwachs internationaler Konzerne zur Entstehung von Machtballungen neuer Qualität führte, die jenseits des bekannten Rahmens lagen. Wenn man es bei Bruckner zum Teil mit dem sattsam bekannten antikapitalistischen Affekt zu tun hat, so wird man dieser Kritik doch ein gewisses Maß an Hellsichtigkeit nicht abstreiten können. Das ist in bezug auf die vorgeschlagenen Alternativen aber nicht zu behaupten. Denn der Gedanke, dem Problem sei durch eine weitergehende Demokratisierung zu begegnen, verkennt die prinzipiellen Schwierigkeiten, und die seit den sechziger und siebziger Jahren gemachten Erfahrungen sprechen dafür, daß „mehr Demokratie wagen” vor allem die Zermürbung der Mitbestimmungsbereitschaft und das Übergreifen von Inkompetenz im Namen der „Betroffenen” zur Folge hat.
Daß die alten Rezepte nicht helfen, hat sich auch sonst herumgesprochen. Das ist etwa dem gerade erschienenen Buch des amerikanischen Politikwissenschaftlers Colin Crouch über Postdemokratie zu entnehmen, das im Grunde nur das Dilemma beschreibt und die Beschreibung mit einem Plädoyer für mehr Bürgernähe verknüpft, aber keine utopischen Entwürfe einer basisdemokratischen Weltrepublik enthält. Crouchs Position nähert sich der linken Mitte an, wo der Ton sowieso weniger alarmierend ist, eher nüchtern angesichts der Sachzwänge oder erfreut wegen der komfortablen Stellung, in der man die Transformation beobachtet. Zu den Vordenkern dieser Richtung gehört der Franzose Jean-Marie Guéhenno, der Anfang der neunziger Jahre zuerst die Auffassung vertrat, daß nicht das „Ende der Geschichte” und die finale Durchsetzung von Freiheit und Kapitalismus bevorstünden, sondern das „Ende der Demokratie”. Wir befänden uns – so Guéhenno – in einer Phase des Übergangs, weg von der Epoche der Nationalstaaten, hin zu neuen imperialen Bildungen. Das Zukunftsszenario blieb in vielem diffus, auf Andeutungen beschränkt, zeichnete sich aber doch durch die Vorstellung aus, daß für die Bewältigung der Krise kein Rückgriff auf die Vergangenheit möglich sei. Weder lasse sich der alte Glauben restaurieren, noch die alte Politik. Die Geschichte biete keine Modelle, nur noch schwache Analogien. Guéhenno meinte jedenfalls, daß die Alternative zur Demokratie nicht zwangsläufig Diktatur und Terror bedeute, sondern im besten Fall eine Reichsbildung wie in der Zeit des humanitären Kaisertums: „Das neue imperiale Zeitalter sollte am ehesten dem Römischen Reich Hadrians und Mark Aurels gleichen: Es dürfte keinen Anspruch auf überirdische Größe erheben und sich auch nicht göttliche Befugnis zur Erfüllung irdischer Bedürfnisse aneignen wollen. Es müßte sich damit begnügen, lediglich eine Funktionsweise zu sein, und diese Erkenntnis akzeptieren.”
Reduziert man das Gesagte auf seinen Kern, also die Legitimation der nachdemokratischen Ordnung durch Funktionstüchtigkeit, trifft man auf einen Vorstellungszusammenhang, der heute vielen akzeptabel erscheint. So schrieb Josef Joffe, Mitherausgeber der Zeit, in bezug auf die Europäische Union: „Die EU ist ein freiheitliches, freundliches und fürsorgliches Gebilde, aber eine Demokratie im klassischen Sinne? Nennen wir es eine ‚Geschäftsführer-‘, oder ‚Ostdemokratie‘, in der der Bürger das Herrschen den Räten und Kommissionen überläßt. Und zwar freiwillig.” Das ist mit Wohlwollen gemeint, ein Plädoyer für eine sanfte Erziehungsdiktatur und jedenfalls verknüpft mit dem Drohbild des Volkes als „großem Lümmel”, der schon der Einführung des Euro seine Zustimmung verweigert hätte und insofern disqualifiziert ist, weil er dem Fortschritt im Wege steht.
Auch wenn das nicht ganz offen gesagt wird, legt man hier ein neues Kriterium für die Beurteilung politischer Ordnungen fest, das sich nicht mehr an irgendwelchen wolkigen „Werten” ausrichtet, sondern an härteren, wirklichkeits- und das heißt heute wirtschaftsnäheren Maßstäben. „Sind Demokratien ineffizient?” Unter dieser Überschrift brachte die Neue Zürcher Zeitung unlängst einen Leitartikel aus der Feder Reinhard Meyers. Meyer weist in seinem Text darauf hin, daß die Demokratien des Westens mit den „Halbdemokratien” (Rußland, Indien) oder den offen autoritären Systemen (China) kaum noch Schritt zu halten vermögen. Deren Wirtschaftswachstum sei ungleich stärker, deren Möglichkeit, rasch auf neue Entwicklungen zu reagieren, besser entwickelt, jedenfalls nicht behindert durch langwierige Abstimmungsvorgänge oder die Suche nach Kompromissen. Der eigentliche Ausgangspunkt von Meyers Überlegungen war allerdings das Ergebnis des irischen Referendums über den Vertrag von Lissabon, das heißt der konkrete Fall eines Volkes, das über eine Schicksalsfrage demokratisch abstimmte, und das in einem Sinn, der seiner Obrigkeit mißfiel und einen Prozeß blockierte, der nicht nur von dieser, sondern vom europäischen Establishment insgesamt befürwortet wurde. Meyer hielt sich bei der Beurteilung zurück, wies aber darauf hin, daß es eine Debatte über die Zukunft des demokratischen Prinzips gebe, die sich aus solchen unliebsamen Erfahrungen nähre. Leider nennt Meyer keine Namen der Debattenteilnehmer, aber vielleicht hat er an das Buch von Fareed Zakaria, des Chefredakteurs von Newsweek International, gedacht, das mit dem deutschen Titel Das Ende der Freiheit? Wieviel Demokratie verträgt die Welt? erschien und zu den einflußreichsten politischen Essays der letzten Jahre gehört, in siebzehn Sprachen übersetzt wurde und eine Art Generallinie für die Argumentation gegen die Demokratie enthält: Die, so Zakaria, ist zu träge, schwächt die Institutionen, verabsolutiert das Mehrheitsprinzip und droht – qualifizierte – Minderheiten zu unterdrücken. Historisch gesehen, habe sich die ältere Demokratie nur in Kleinstaaten bewährt und sei nach kurzem in Chaos oder Diktatur umgeschlagen; auch nach ihrem ersten Siegeszug im Gefolge des Triumphs der Entente von 1918 erwies sie sich als instabil, in Zukunft könnten ähnliche Belastungsproben bevorstehen, und es scheine fraglich, ob sie die Prüfung nun besser bestehe, und schließlich: „Beim gegenwärtigen Trend steuert die Demokratie geradewegs auf eine Legitimitätskrise zu, die ihr womöglich den Boden entzieht.”
Argumentation Zakarias ist nicht neu, aber längere Zeit zurückgetreten. Er will keine Anknüpfung an die klassische Demokratiekritik, eher greift er auf Vorstellungen zurück, wie sie in der Nachkriegszeit Liberale genauso wie Technokraten und einige „Neokonservative” vorgetragen hatten, die alle an der Fähigkeit der Demokratie zweifelten, einen modernen Industriestaat zu steuern oder im Ernstfall zu bestehen. Wenn solche Thesen jetzt wieder ins Feld geführt werden, ist das kein Zufall und keine Nostalgie. Zakaria hat seine Thesen zuerst 1997 in einem Artikel für Foreign Affairs entwickelt, jener Zeitschrift, von der alle großen Weltanschauungsdebatten der letzten beiden Jahrzehnte – um das „Ende der Geschichte” (Francis Fukuyama) wie den „Kampf der Kulturen” (Samuel Huntington) – angestoßen wurden, und auch die Veröffentlichung seines neuesten Buches The Post-American World hat er mit dem Abdruck einer Art Zusammenfassung in Foreign Affairs vorbereitet. Er stärkt darin die Position jener „Zentristen”, die weder der Linie der Bush-Regierung folgen, noch einen linken oder rechten Isolationismus vertreten. Obwohl ein relativer Machtverlust der USA unausweichlich sei und der Aufstieg von Konkurrenten wie Rußland, China, Indien, Brasilien bevorstehe, glaubt Zakaria, daß die Vereinigten Staaten auch im 21. Jahrhundert die Weltpolitik beherrschen. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, sei es aber entscheidend, die Illusionen einer bewaffneten Ausbreitung des demokratischen Systems aufzugeben. Dabei stehen ihm nicht nur die militärischen Fehlschläge Wa-shingtons vor Augen, sondern auch die unkalkulierbaren Konsequenzen bei erfolgter Demokratisierung, die etwa in den Nachfolgestaaten der Sowjet-union und allgemein in islamischen Ländern zur Stärkung amerikakritischer oder amerikafeindlicher Kräfte geführt hätten. In diesen Fällen sieht Zakaria die Demokratie als „delegitimiert” an, weil sie als „illiberale Demokratie” den prowestlichen Tendenzen entgegenstehe. Damit wird das Problem der Legitimität verschoben. Demokratie im Sinne von Zakaria ist nur die gezähmte oder „liberale Demokratie”, in der die Folgen einer Wahl möglichst minimiert werden und ein durchdachtes System den Bürgerwillen so kanalisiert, daß er sich nicht schädlich auswirken kann, sondern der Bestätigung der Politischen Klasse, ihres Führungsanspruchs, ihrer wirtschaftlichen und sozialen Macht, dient. Das ist nicht zynisch gemeint, denn die Elite nutzt ihre Macht, wenn nicht direkt, dann doch indirekt, zugunsten des Gemeinwesens. Was wiederum erklärt, warum Zakaria ein Bündnis zwischen liberaler Demokratie und jenem „neuen Nationalismus” für denkbar hält, den er als die bestimmende Kraft im System globaler Konkurrenz betrachtet. Dieser Nationalismus ist weniger ausgearbeitete Ideologie als Konsequenz einer Lage, in der es um das Formieren politischer, militärischer, diplomatischer und ökonomischer Kräfte geht.
Zakaria urteilt dabei ganz nüchtern, daß es verschiedene Möglichkeiten gibt, um deren Effizienz zu steigern: Man kann sich autoritärer, illiberaler, aber auch liberaler Verfassungen bedienen. Im amerikanischen Fall sei die Verknüpfung mit der liberalen Demokratie empfehlenswert, weil das die Integration jener Einwanderer ermögliche, die der größten Volkswirtschaft der Welt ihren Vorsprung – technologisch wie demographisch – erhalten, indem die USA die besten Köpfe aus allen Regionen anziehen und zügig amerikanisieren. Damit lasse sich eine Synergie bewirken, für die es kein Vorbild gebe. Die Vereinigten Staaten könnten den Fehler älterer Imperien vermeiden, die aus der Trennung von Reichsvolk und Unterworfenen entstanden. Das mache sie fähig, den globalen Wettbewerb zu gewinnen: Amerika habe die Globalisierung erfunden, indem es nach zwei Weltkriegen und dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Öffnung aller Märkte erzwang, und nun schließt es diesen Prozeß ab durch eine „innere Globalisierung”. An der Konzeption Zakarias besticht vor allem die Unvoreingenommenheit. Er ist kein Anhänger der manifest destiny und kein naiver Befürworter eines Multikulturalismus. Wenn er an einer Stelle seines Textes auf Singapur als Musterbeispiel einer „meritokratischen” – also einer auf Verdienst beruhenden – Ordnung zu sprechen kommt, enthüllt er wohl den Kern seiner Anschauung: die Vorstellung, daß das kommende Zeitalter „sozialdarwinistisch gestimmt” (Rudolf Augstein) sein werde und bei verschärfter Konkurrenz nur diejenigen bestehen, die alle Kräfte nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen. Sein Abschied von der Demokratie als Idee der Volksherrschaft ist ohne Ressentiment und frei von der Vorstellung, eine perfekte Alternative zu haben; es geht ihm aber auch nicht um die defensiven Argumente einer Politischen Klasse die sich Konkurrenz vom Hals halten will, sondern um ein Modell, das dynamischer ist als das bisherige. Natürlich kann man nicht davon absehen, daß Zakaria selbst zu jenen gehört, die er als wesentlichen Teil der kommenden Elite betrachtet: Er ist einer jener hochbegabten Einwanderer, beziehungsweise Amerikaner der ersten Generation, die, vornehmlich aus Asien stammend, schon jetzt einen Teil der tonangebenden Schicht stellen, und das Unbehagen, das die schwindende weiße Mehrheit empfindet, ist ihm fremd. Sollte die Entwicklung tatsächlich in die von ihm erwartete Richtung gehen, bleiben drei denkbare Reaktionen: a) Nachahmung, eingedenk der Tatsache, daß seit dem Ende des 19. Jahrhunderts noch jede Tendenz der amerikanischen Kultur Modellcharakter angenommen hat; b) Ablehnung im Namen von Basisdemokratie und Antikapitalismus; c) Modifikation.
Die zweite Alternative ist die populärste und gleichzeitig die aussichtsloseste. Ganz gleich, ob man sie internationalistisch oder nationalistisch aufmacht, es bleibt im Kern dabei, daß der Versuch, auf Graswurzelmitbestimmung oder eine Variante des Sozialismus zu setzen, an den Machtverhältnissen scheitern wird. Aussichtsreicher ist die erste. In Europa haben wir es längst mit Kopierversuchen zu tun. Die kurzlebige „Green Card” war nur der sichtbare Teil des Bemühens, hier zu wiederholen, was in den USA dauernd geschieht, wenn aus rein wirtschaftlichen Erwägungen hochqualifizierte Einwanderer angeworben werden. Daß das Projekt gescheitert ist, hat nicht nur mit der Unentschlossenheit der Verantwortlichen zu tun, sondern auch mit der europäischen Neigung, Politik und Sentimentalität zu verwechseln. Bestenfalls fürchtete man die negativen Begleiterscheinungen des amerikanischen Konzepts, das heißt die wachsende ethnische, religiöse und kulturelle Fraktionierung der Bevölkerung, die Notwendigkeit, immer größeren Aufwand zu treiben, um das management of diversity zu gewährleisten, sei es durch positive Diskriminierung der anderen, negative der Eigenen, finanzielle Ruhigstellung, Indoktrination und Gesinnungskontrolle. Denn Zakarias Absage an die Demokratie hat ihre Berechtigung vor allem darin, daß Volksherrschaft ohne Volk nicht möglich ist, wenn man darunter eine hinreichend klar erkennbare politische Gemeinschaft versteht, die nicht nur infolge – subjektiver – Willensentscheidung zusammentritt, sondern auch durch – objektive – Merkmale verbunden wird. Solche Erkennbarkeit setzt immer, ausgesprochen oder unausgesprochen, die Einheitlichkeit des demos voraus. In Athen wurden bei der letzten Ausdehnung des Wahlrechts die Bürgerlisten geschlossen und den Fremden dauerhaft die politische Beteiligung verweigert. In der Neuzeit hingen der Aufstieg des Nationalstaatsgedankens und der des demokratischen Gedankens unmittelbar zusammen. Seither war es für jeden Staat von entscheidender Bedeutung, „wieviel als gemeinsamer ‚organischer‘ Willensgehalt in jedem Augenblick wirklich vorgegeben ist, und wieviel rational vereinheitlicht, herrschaftlich ‚organisiert‘ werden kann und muß” (Hermann Heller). Für unseren Fall bedeutet das, daß je weiter der „organische Willensgehalt” zurückgeht, in Folge wachsender ethnischer, sprachlicher, religiöser Heterogenität, desto nachhaltiger muß „organisiert” werden, da immer weniger Volk angenommen werden kann, das sich als „Willenseinheit” betätigt. Interessanterweise hat Crouch in seinem erwähnten Essay über die Postdemokratie dieses Problem so charakterisiert, daß der demos die Fähigkeit verliere, ein „Bild” von sich zu entwerfen, das ihm erlaube, politisches Selbstverständnis und politische Zielsetzung zu entwerfen. Man könnte auch von einem Verfall der Repräsentanz sprechen, einem Virulentwerden jenes Schlüsselproblems aller staatlichen Ordnung, die klären muß, warum die vielen meinen sollen, daß sie eins sind. Zakaria hält das bestenfalls für eine Frage der Propaganda, tatsächlich geht es aber um den Kern der Sache, wenigstens für die Europäer, die ihr Selbstverständnis niemals nur auf den Besitz von Macht und die Anziehungskraft eines bestimmten way of life gegründet haben. Sie müßten sich aufgefordert sehen, eine Alternative im Sinn der Modifikation zu entwickeln: eine politische Verfassung, die nicht nur die Selbstbehauptung erlaubt, sondern auch die Integration des „organischen Willensgehaltes”. Das wird um so schwerer, als man weder guten Gewissens „Demokratisierung” fordern kann, noch den Apologeten des neuen aufgeklärten Absolutismus folgen darf.