Klaus Staeck über Heinrich Böll – aber vor allem über sich selbst

von Benjamin Jahn Zschocke

Der unerträgliche Klaus Staeck hat einen Nach-Nachruf auf den 25. Todestag Heinrich Bölls verfaßt, der gestern in der Berliner Zeitung erschien.

Staeck ist Prä­si­dent der Aka­de­mie der Küns­te in Ber­lin. Er hält es für sei­ne Lebens­auf­ga­be, poli­ti­sche Kunst zu schaf­fen und beson­ders gegen die Kon­ser­va­ti­ven zu schießen.

Als Pla­kat­künst­ler erleb­te er in den Sieb­zi­gern sei­ne gro­ße Zeit. Sein heu­ti­ger Ruhm fußt auf dem bestän­di­gen Auf­ko­chen sei­nes dama­li­gen Schaf­fens. Gern fei­ert er sich selbst als krea­ti­ven und unbe­que­men Robin Hood der Demokratie.

Staecks Böll-Nach­ruf ist so bizarr wie sein Autor selbst. Aus der kur­zen Distanz prü­gelt er sofort auf den ehe­ma­li­gen Bun­des­prä­si­den­ten Karl Cars­tens ein. Die­ser hat­te Ende 1974 in sei­nem Amt als CDU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der gefor­dert, die bun­des­deut­sche Öffent­lich­keit sol­le sich im Kla­ren dar­über sein, daß Bölls poli­ti­sches Enga­ge­ment im Kon­text des Deut­schen Herbs­tes nicht über­se­hen wer­den dür­fe. Auch wenn er die­sen „flam­men­den Appell“, wie Staeck es nennt, nicht gera­de mit Sach­kennt­nis unter­mau­ern konn­te (Cars­tens mein­te, Böll hät­te unter dem Pseud­onym „Katha­ri­na Blüm“ ein Buch ver­öf­fent­licht, daß eine „Recht­fer­ti­gung von Gewalt“ dar­stel­le), irr­te er doch nicht.

Böll habe ihn sei­ner Zeit dar­auf­hin ange­spro­chen, ob er nicht ein Kars­tens-Pla­kat machen wol­le. In einem recht lan­gen Absatz kommt Staeck dar­auf sei­ner Plicht nach, an die­sem will­kom­me­nen Bei­spiel sei­ne poli­tisch-künst­le­ri­schen Ver­diens­te auf­zu­wär­men, um dann wie­der auf Böll zurück­zu­kom­men, den er als Pro­to­ty­pen des unbe­que­men und poli­tisch enga­gier­ten Intel­lek­tu­el­len fei­ert: „Viel­leicht war es die­se ihm eige­ne Mischung aus Sanft­mut und hei­li­gem Zorn, mit der Böll beharr­lich das Demo­kra­ti­sche anmahn­te, die katho­li­sche Kir­che sowie die nur ober­fläch­lich gewen­de­ten Alt­na­zis atta­ckier­te, sich unbe­irrt für den Frie­den, Dis­si­den­ten in der Sowjet­uni­on und alle Benach­tei­lig­ten ein­setz­te und so stets aufs Neue die Gift­pfei­le der Bild­zei­tung auf sich zog. […] Gemes­sen an sei­nen zahl­rei­chen poli­ti­schen Ein­grif­fen, muss er vie­len Nach­ge­bo­re­nen tat­säch­lich wie ‚aus der Zeit gefal­len‘ vorkommen.“

Dar­aus bas­telt Staeck einen Appell für sei­ne Kunst­vor­stel­lung: „Die L’Art-pour‑l’art-Fraktion nahm schon immer übel, wenn sich Künst­ler poli­tisch enga­gie­ren. Da setzt man sich nicht nur gegen­über dem Kunst­freund schnell dem Ver­dacht aus, dass es mit der Kunst nicht all­zu weit her sein kön­ne, wenn jemand Klar­text redet und sich sogar danach verhält.“

Klaus Staeck ver­steht zwei Din­ge nicht: Ers­tens erliegt er dem Irr­glau­ben, daß Kunst poli­tisch sein müs­se. Er miß­ach­tet dabei die Tat­sa­che, daß jedes poli­ti­sche Enga­ge­ment den Wert der Kunst inso­fern min­dert, als daß sie, immer untrenn­bar mit dem jewei­li­gen Zeit­ge­sche­hen ver­wur­zelt, spä­ter­hin nicht mehr ohne umfas­sen­de Vor­bil­dung ver­stan­den wer­den kann. Ihr Kon­text ver­engt sich somit meist zum rei­nen Zeitkommentar.

Zwei­tens ist Staecks Text ein Bei­spiel für die Sack­gas­sen­po­si­ti­on, in der sich das bun­des­deut­sche Estab­lish­ment mitt­ler­wei­le befin­det: „In eini­gen Nach­ru­fen klang immer­hin lei­se an, dass jemand wie Böll heu­te noch irgend­wie feh­le, noch gebraucht wür­de in unse­rer intel­lek­tu­ell eher weich­ge­spül­ten Wohl­fühl­ge­sell­schaft. Jeden­falls jemand, der zur rich­ti­gen Zeit das Rich­ti­ge sagt in Zei­ten bedroh­lich anschwel­len­der Rat- und Mut­lo­sig­keit. Gleich ob jene, die es angeht, nun hin­hö­ren wol­len oder nicht.

So sehr der­lei Kla­ge Böll auch spä­te Aner­ken­nung zollt, sie wird uns wenig hel­fen. Wir kön­nen nicht wei­ter ‚War­ten auf Godot‘ spie­len. Es gilt, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Jetzt, nicht irgend­wann.“ Staeck könn­te, wenn er sein Prin­zip der poli­ti­schen Kunst selbst ernst näh­me, die­sem also eine tat­säch­li­che gesell­schaft­li­che Rele­vanz bei­mes­sen wür­de, in sei­ner Auf­ga­be als Prä­si­dent der Küns­te genau die­se Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Aber das tut er nicht. Eben­so wenig, wie er erkennt, daß es bereits Men­schen gibt, die zur rich­ti­gen Zeit das Rich­ti­ge sagen und aus die­sem Erken­nen sogar noch eine Auf­for­de­rung zu Tat ablei­ten. Aber die sind kon­ser­va­tiv. Und mit Kon­ser­va­ti­ven spricht Klaus Staeck nicht.

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