Alle!” Doch die Tochter war stark. Sie hielt “es” aus. Sie hielt die Schmerzen aus. Sie hielt die Erniedrigung aus. Sie wollte leben. Nach wenigen Stunden standen die beiden Soldaten wieder im Keller, und wieder zerrten sie Ruth Irmgard aus dem Raum, diesmal schrie sie laut und lauter.
War es so auch in Gottesdorf-Glockenau und in Osterfelde? Ich verwahre in meinem Schreibtisch zwei Fotos von Gedenksteinen aus diesen Ortschaften. Der eine Stein, ein übermannshoher, schwarzer Marmor, versammelt die Namen derer, die von russischen Soldaten im Januar 1945 ermordet wurden. Unter den mehreren hundert Namen findet sich auch der Name “Gielnik”, dahinter ist der Tod von drei männlichen und fünf weiblichen Familienangehörigen verzeichnet.
Für die Gielniks ist ein besonderer Stein gesetzt worden, die Familie wurde in folgender Reihenfolge ausgerottet:
Zuerst also der Vater, ein Tag später die anderen und nach einer weiteren Nacht die jüngste Tochter (13 Jahre alt). Wenn ich mir vorzustellen versuche, was vom Tod des Vaters bis zum Tod dieses Mädchens mit der Familie geschehen ist, und wenn ich dann rekapituliere, mit welchem Vokabular Schranzen wie Dieter Wiefelspütz (SPD), Dirk Niebel (FDP), Joschka Fischer (Grüne) oder Ronald Pofalla (CDU) heute den Rückzug Erika Steinbachs kommentieren, dann weiß ich, wie vollständig wir den Krieg verloren haben.
Das Eingangszitat stammt aus Ingeborg Jacobs Buch Freiwild. Das Schicksal deutscher Frauen 1945, über das meine Frau (nach ihrer Rezension vom vergangenen Herbst) vor einer Woche nochmals etwas geschrieben hat.
Und den Verlauf des Falls von Frau Steinbach hat Karlheinz Weißmann vor einigen Tagen prognostiziert.