Ahimeir, Abba (1897–1962),
eigentlich Abba Shaul Geisinovich, Journalist und Politiker, entstammt einer jüdischen Familie in Rußland und erlebt schon als Kind antisemitische Ausschreitungen und Pogrome in seiner Heimat. Er schließt sich anfangs der zionistischen Linken an und sympathisiert mit dem Bolschewismus. Allerdings beobachtet A. mit Besorgnis die nationalrussische Tendenz des sowjetischen Regimes und wendet sich schließlich ganz von der Idee des Sozialismus ab. Er studiert Philosophie in Wien und Lüttich und promoviert mit einer Arbeit über Spenglers Untergang des Abendlandes. 1924 übersiedelt er nach Palästina und arbeitet für verschiedene Zeitungen, für die Tageszeitung Doar HaYom schreibt er eine Kolumne mit dem Titel »Aus dem Notizbuch eines Faschisten«. Unter dem Eindruck der arabischen Angriffe auf jüdische Siedler erklärt A. den Nationalismus zur Lebensnotwendigkeit. Er versucht den »revisionistischen« Flügel der Zionisten für eine »maximalistische«, ausdrücklich an der Doktrin des italienischen Faschismus ausgerichtete, Neuorientierung zu gewinnen. 1930 umreißt er sein politisches Credo mit folgenden Worten: »Keine Partei, sondern einen Orden, eine Gruppe von Männern, die sich selbst dem großen Ziel weihen und opfern. Sie sind in allem eins, und ihr Privatleben und ihr Unterhalt sind Angelegenheit des Ordens. Eiserne Disziplin, Führerkult, Diktatur.« A.s Ziel ist faktisch die Vertreibung der Araber aus dem jüdischen Siedlungsgebiet und die Schaffung eines großisraelischen Staates. Um das Ziel zu erreichen, ist er bereit, sich mit allen antibritischen Kräften – dem faschistischen Italien wie dem nationalsozialistischen Deutschland – zu verbünden. Eine Haltung, die von anderen Revisionisten, etwa Wladimir Jabotinsky, unterstützt wird, die außerdem hoffen, daß die jüdische Position im Nahen Osten durch eine Massenauswanderung aus Europa gestärkt werde. A.s Maximalismus kann sich im revisionistischen Lager allerdings nicht durchsetzen, auch wenn er erheblichen Einfluß auf radikale Zionisten, vor allem die Untergrundbewegung Irgun, behält.
Agnoli, Johannes (1925–2003),
eigentlich Giovanni A., Politikwissenschaftler, beginnt seine Laufbahn als Aktivist des staatlichen Jugendverbandes der Ära Mussolini und tritt nach dem Kollaps des Regimes auf die Seite der »Sozialrepublik« und ihres deutschen Verbündeten. Über die Waffen-SS meldet sich A. freiwillig zu einer Gebirgsjägereinheit der Wehrmacht, germanisiert seinen Namen zu »Johannes Aknoli« und nimmt an Kämpfen gegen Partisanen in Jugoslawien teil. Im Mai 1945 gerät er in britische Gefangenschaft und wird in das ägyptische Lager Moascar gebracht. Erst im Sommer 1948 entlassen, geht er nach Westdeutschland, lebt und arbeitet zunächst in Baden, bis er 1949 ein Kriegsteilnehmerstipendium erhält und in Tübingen ein Studium aufnehmen kann. Im Mai 1955 wird er deutscher Staatsbürger und reitalianisiert seinen Nachnamen gleichzeitig zu »Agnoli«. Er engagiert sich früh in der SPD, vor allem aber im Umfeld der »heimatlosen Linken« (Wolfgang Abendroth, später Ossip K. Flechtheim) und im SDS, was ihm 1961 den Parteiausschluß einbringt und in der Folge den Aufstieg zum Theoretiker der Außerparlamentarischen Opposition. 1972 erhält A. einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Zu dem Zeitpunkt ist er längst eine bekannte Größe der radikalen Linken. Fünf Jahre zuvor hat er ein Buch mit dem Titel Die Transformation der Demokratie veröffentlicht, dessen Kern eine scharfe Abrechnung mit dem parlamentarischen System bildet, von dem A. behauptet, daß es lediglich der Maskierung von Kapitalinteressen diene, eine massentaugliche Fiktion, die jedenfalls mit »Demokratie« nichts zu tun habe und jederzeit den Übergang zu offenem Faschismus ermögliche. Damit verbindet A. eine grundsätzliche Legitimierung gewaltsamen Vorgehens gegen das System, wenngleich er davor zurückscheut, zum Bürgerkrieg aufzurufen. A. entwickelt später eine libertäre Deutung des Marxismus, muß sich aber von Gegnern vorhalten lassen, daß seine Auffassung über den Wert der »direkten Aktion« denen der squadre entspricht und die über das Wesen des Parlamentarismus eigentlich denjenigen von Pareto, den man zu den Vordenkern des italienischen Faschismus rechnen kann.
Bardèche, Maurice (1907–1998),
französischer Literaturwissenschaftler und politischer Aktivist. B. entstammt einer Familie der kleinen Bourgeoisie, aber schon früh zeigt sich seine ungewöhnliche Intelligenz und er durchläuft die Eliteschulen der Republik, 1928 schließt er als 13. von 29 die Ecole normale supérieure ab. Vier Jahre später beginnt er ein Studium der Literaturwissenschaft an der Sorbonne und wird 1940 mit einer Arbeit über Balzac promoviert. Politik interessiert ihn, aber seine Aufmerksamkeit gilt ihr nur phasenweise. So gehört B. zu den Intellektuellenkreisen der »Jungen Rechten «, reist mehrfach nach Spanien und sympathisiert mit der Falange. Zusammen mit seinem Schwager, Robert Brasillach, schreibt er eine Geschichte des Bürgerkriegs. Anders als Brasillach schließt er sich nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht nicht der Kollaboration an. Das erklärt, warum er bei den Säuberungen ungeschoren bleibt, während Brasillach erschossen wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt B. seine literaturwissenschaftlichen Arbeiten fort, wobei vor allem sein großes Buch über Stendhal allgemeine Anerkennung findet, gleichzeitig betreibt er die Rehabilitierung Brasillachs als Schriftsteller und betätigt sich als politischer Autor. Seine Pamphlete zur Verteidigung der Kollaboration und gegen das Nürnberger Tribunal erreichen hohe Auflagen. Dasselbe gilt nicht für die späteren Veröffentlichungen B.s, obwohl die von ihm herausgegebene Zeitschrift Défense de l’Occident eine entscheidende Bedeutung für die radikale Rechte der fünfziger und sechziger Jahre gewinnt. Seine Gegner irritiert B. dadurch, daß er einerseits ein sublimer Kopf von unbestreitbarer Bildung ist, andererseits ein Verfechter »krimineller Ideen« (für deren Verbreitung er mehrfach gerichtlich belangt und zu Gefängnisstrafen verurteilt wird), ein Gegner der Ideen von 1789, der jedes Jahr einen Kranz an der Gedenkstätte der erschossenen Kommunarden niederlegt, und der letzte Intellektuelle, der sich offen als »Faschist« bezeichnet.
Bottai, Giuseppe (1895–1959),
italienischer Autor und Politiker. B. entstammt einer bürgerlichen Familie und wächst in liberaler Atmosphäre auf. Seine jungen Jahre sind von einer gewissen Ziellosigkeit bestimmt, die erst durch den Kriegsausbruch ein Ende findet. B. meldet sich freiwillig und gehört seit 1917 zum Eliteverband der arditi, gleichzeitig verstärkt sich sein Kontakt zur Szene der Futuristen. Erst die Erfahrung des »verlorenen Sieges« führt zur Politisierung im genaueren Sinn, bereits Ende August 1919 – wenige Monate nach deren Gründung – schließt er sich den Fasci di Combattimento an. Er übernimmt die Leitung des römischen Verbandes und gehört zu den Gegnern der gewalttätigen Squadristen. Nach Mussolinis Machtübernahme gründet er 1924 die Zeitschrift Critica fascista, die es sich zur Aufgabe macht, Fehlentwicklungen des Regimes aufzuzeigen: die Kontrolle der Kultur, die Bürokratisierung, den Machtmißbrauch durch Funktionsträger, die Mediokrität vieler Repräsentanten des PNF. In Reaktion darauf wird B. aus der Partei ausgeschlossen, allerdings kurze Zeit später wieder aufgenommen. Obwohl seine Vorbehalte gegenüber bestimmten Erscheinungen des Regimes und sein Eintreten für die geistige Freiheit bekannt sind, macht er in den nächsten Jahren Karriere. Zwischen 1926 und 1932 amtiert er zuerst als Staatssekretär, dann als Minister für das Korporativwesen. Doch zieht er sich in dieser Zeit die Gegnerschaft einflußreicher Industrieller zu, die im Korporativismus die Gefahr sahen, daß der Faschismus »nach links« driftet. B. verliert sein Amt, wird mit kleineren Posten abgefunden, hat aber als Gouverneur von Rom maßgeblichen Einfluß auf die repräsentative Umgestaltung der Hauptstadt. Bei Beginn des Abessinienfeldzugs meldet B. sich erneut freiwillig, weil er hofft, daß dieser Krieg helfen könne, die Gewalttätigkeit des Faschismus zu kanalisieren und dann seine Energie auf die Organisation und Entwicklung eines modernen Gemeinwesens zu richten. B. wird nach seiner Rückkehr Erziehungsminister und leitet eine Schulreform ein. Obwohl er zu den Gegnern des Kriegseintritts gehört, meldet er sich erneut zum Militärdienst und tut als Frontoffizier in Griechenland Dienst. Zu diesem Zeitpunkt müssen seine Zweifel an der Entwicklung des Faschismus schon erheblich gewesen sein. Im Februar 1943 verliert er sein Ministeramt, wenige Monat später gehört er zum Kreis derjenigen, die im Großrat der Partei die Absetzung Mussolinis beschließen. Er wird daraufhin zum Tode verurteilt und überlebt nur im Schutz des Vatikans. In diese Zeit fällt eine religiöse Krise, an deren Ende sich B. endgültig dem Katholizismus zuwendet. Nach der Besetzung Roms durch die Alliierten wird in deren Auftrag nach ihm gesucht, er tritt unter falschem Namen in die Fremdenlegion ein und nimmt an den letzten Kämpfen in Italien, Frankreich und Deutschland teil, um, wie er in einem Brief an seine Familie erklärt, für den »Mangel an Urteilskraft und moralischer Stärke, der mich daran hinderte, der Degeneration des Faschismus wirksamen Widerstand zu leisten, Buße zu tun«. Erst im Sommer 1948 kehrt B. nach Italien zurück, gründet die Zeitschrift ABC, die in vielem der Critica fascista ähnelt und das Ziel hat, eine Plattform für Sozialisten, Bürgerliche und Christen zu bilden, von der Linken als »Trojanisches Pferd«, von den Neofaschisten als fortgesetzter Verrat angefeindet.
Darnand, Joseph (1897–1945),
französischer Politiker und Unternehmer, entstammt einer strenggläubigen katholischen Familie, Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, hoch dekoriert, kehrt erst 1921 in das Zivilleben zurück und gründet eine erfolgreiche Spedition in Nizza, schließt sich der Action française an, verläßt sie aber Ende der zwanziger Jahre wegen ihres Attentismus, wird Mitglied in verschiedenen Gruppierungen der radikalen Rechten, zum Schluß in der Untergrundorganisation Cagoule; wegen seiner Verwicklung in einen Waffentransport, der der Vorbereitung eines Putschs gedient haben soll, verhaftet man D. 1938 und verurteilt ihn zu sechs Monaten Gefängnis. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs mobilisiert, führt er eine Sabotageeinheit und erhält die Rosette zum Kreuz der Ehrenlegion weil er den Leichnam eines gefallenen Freundes unter Lebensgefahr aus feindlichem Gebiet geborgen hat; D. erscheint als »Held« auf der Titelseite der Illustrierten Paris Match. Von der Wehrmacht gefangengenommen, flieht D. nach kurzer Zeit aus dem Lager und kommt nach Vichy. Er stellt sich Pétain zur Verfügung, verfolgt aber von Anfang an eigene politische Ziele, die über die übliche Vorstellung von »Kollaboration« hinausgehen. D. organisiert den paramilitärischen Service d’ordre légionnaire im nicht besetzten Teil Frankreichs. Er besucht zum ersten Mal Deutschland und ist sehr beeindruckt. Einem Freund gegenüber äußert er, daß man die Zusammenarbeit mit den eigentlich verhaßten boches nicht nur akzeptieren, sondern forcieren müsse: siegten die Alliierten, werde das alte Regime wiederkehren, siegten die Deutschen im Bündnis mit den Franzosen, bestehe Aussicht auf ein »faschistisches Europa«. 1943 wird der Service in die Milice française umgeformt, deren Generalsekretariat und faktische Führung D. übernimmt. Die Milice ähnelt in ihren Strukturen und ihrem Auftreten der deutschen SS, kooperiert auch mit ihr, etwa in bezug auf den Felddienst in der französischen Waffen-SS. Unter den sich verschärfenden Bedingungen des Krieges – und des Bürgerkriegs in Frankreich – ist die Milice vor allem Instrument des Terrors wie des Gegenterrors und unterstützt die Arbeit der Behörden bei der Deportation der französischen Juden. D.s Aufstieg zum Staatssekretär im Juni 1944 kommt schon kaum noch praktische Bedeutung zu. Mit einer großen Zahl von Milizionären überschreitet er schließlich die Grenze nach Deutschland und hält sich mit dem Rest des Vichy-Regimes in Sigmaringen auf. Er geht aber noch im April 1945 nach Norditalien, um an der Seite der letzten italienischen Verbände zu kämpfen. Britische Agenten nehmen D. fest und liefern ihn an die neue französische Regierung aus. Er wird erwartungsgemäß zum Tode verurteilt, weigert sich ein Gnadengesuch zu unterschreiben und stirbt am 10. Oktober des Jahres unter den Kugeln eines Pelotons.
Léon Degrelle (1906–1994),
belgischer Journalist, Politiker und Offizier der Waffen-SS. D. entstammt dem bürgerlichen katholischen Milieu und beginnt seine Laufbahn als Journalist der kirchlich orientierten Presse. Bereits in jungen Jahren übernimmt er die Leitung der Editions Rex, eines katholischen Verlagshauses (der Name leitet sich von »Christus Rex« her) in Brüssel, dem er eine radikalere Ausrichtung gibt, was ihn prompt in Konflikt mit dem Klerus bringt. Unter dem Einfluß der auch in Belgien verbreiteten Schriften von Charles Maurras und der Ideen der Action française bekämpft D. die kompromißbereite Haltung der wallonischen Kirchenführung und der katholischen Volkspartei. Die krisenhafte Entwicklung der dreißiger Jahre, die auch vom Erstarken des flämischen Nationalismus gekennzeichnet ist, nutzt D., um seine Anhängerschaft 1935 im Mouvement National Rexiste zu organisieren. Die Rexisten bilden eine militante katholische Bewegung, die mit autoritären Ideen sympathisiert, aber nicht im eigentlichen Sinn faschistisch ist. Das ändert sich erst unter dem Eindruck der deutschen Besetzung Belgiens 1940, die D. als Urteil über den bisherigen Staat empfindet. Bis dahin hat er einen konsequenten Neutralismus empfohlen. Trotzdem wird er vor Beginn der Feindseligkeiten als potentieller Hochverräter über die Grenze nach Frankreich gebracht, verhaftet, von der Geheimpolizei verhört und gefoltert. Nach seiner Rückkehr entschließt sich D. zur Kollaboration, nicht aus Kalkül, sondern weil er der Überzeugung ist, daß das »Abendland« nur eine Zukunft habe in einem starken, antikommunistischen und gegen die angelsächsischen Mächte abgeschlossenen Staatenbund unter deutscher Führung. Gewisse Vorbehalte gegenüber Hitler schwinden und machen rückhaltloser Bewunderung Platz. D. formt die rexistische Bewegung endgültig in eine faschistische Partei um. Gleichzeitig bietet er der deutschen Führung militärische Hilfe im Kampf gegen die Sowjetunion an, in der Hoffnung, so Belgien beziehungsweise einem »burgundischen« Zukunftsstaat mehr Selbständigkeit in Hitlers »Neuem Europa« zu garantieren. Unter seiner politischen – nicht militärischen – Führung entsteht die SS-Sturmbrigade »Wallonien«, später 28. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division »Wallonien«. Degrelle wird mit dem Eisernen Kreuz beider Klassen, dem Ritterkreuz und dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet, er erhält den Rang eines Standartenführers der Waffen-SS. 1945 flieht er nach Spanien und erhält dort Asyl angesichts der drohenden Auslieferung und Verurteilung in Belgien. Er baut sich eine neue Existenz als Geschäftsmann auf, tritt aber auch regelmäßig mit politischen Stellungnahmen hervor, in denen er seine Handlungen während der Kriegszeit ausdrücklich rechtfertigt.
Farinacci, Roberto (1892–1945),
italienischer Politiker; F. wächst in einfachen Verhältnissen auf und verläßt früh die Schule, nimmt eine Beschäftigung bei den italienischen Staatsbahnen an und arbeitet in Gewerkschaft und sozialistischer Partei mit. Allerdings gehört er zu den »Interventionisten«, meldet sich 1915 freiwillig zur Armee und bricht nach dem Krieg mit der Linken unter dem Eindruck ihres internationalistischen und pazifistischen Kurses. Er wechselt zu den Fasci di Combattimento und steigt binnen kurzem zum gefürchteten »Ras« von Cremona auf. Seine squadre überziehen die Region mit immer neuen Gewalttaten und terrorisieren jeden Gegner. Obwohl Mussolini F.s Roheit mit Skepsis sieht, macht er ihn nach dem »Marsch auf Rom« zum Generalsekretär des PNF. F. gilt Mitte der zwanziger Jahre als der zweite Mann des neuen Regimes. Dem jähen Aufstieg folgt aber ein ebenso jäher Sturz. Mussolini läßt F. 1926 seines Amtes entheben, was möglicherweise auch damit zu tun hat, daß der die Mörder des Sozialisten Matteotti deckt, die man in der faschistischen Miliz vermutet. Für ein Jahrzehnt bleibt F. fern von jeder Macht. Er konzentriert sich in dieser Zeit vor allem auf seine Zeitung Il regime fascista, in der er auf tatsächliche oder vermeintliche Mißstände hinweist und immer drastische Abhilfe verlangt. Obwohl einige seiner Anschuldigungen wohl begründet sind, betrachtet Mussolini ihn als Störenfried. Die Situation ändert sich erst, nachdem F. im Abessinienfeldzug und in einem italienischen Freiwilligenkorps während des Spanischen Bürgerkriegs gedient hat. Mussolini nimmt ihn in den Großrat des Faschismus auf und ernennt ihn 1938 zum Minister. F. hat in dieser Zeit schon enge Kontakte zum NS-Regime in Deutschland und bewundert dessen Organisation. Er lernt Hitler ebenso wie Goebbels persönlich kennen und gehört zu den treibenden Kräften, die die Übernahme der antisemitischen Rassengesetze in Italien erreichen. F. gilt in den Reihen der faschistischen Parteispitze als Befürworter eines italienischen nazismo. Folgerichtig begrüßt er als einer der wenigen den Kriegseintritt an der Seite des Reiches. Nach Beginn des Konflikts betrachtet er die Bekämpfung der inneren Feinde als seine Hauptaufgabe. Schon einen Monat vor der Sitzung des Großrats am 25. Juli 1943, bei der Mussolini abgesetzt wird, hat er den duce gewarnt, aber kein Gehör gefunden. F. flieht nach Deutschland und kehrt erst nach Errichtung der »Republik von Salo« zurück. Im April 1945 wird er von Partisanen aufgegriffen und liquidiert.
Franke, Helmut (1890– ? ),
Seeoffizier während des Ersten Weltkriegs, dann Eintritt in die Brigade Ehrhardt, Beteiligung am Kapp-Putsch, trotzdem Übernahme in die Reichswehr, 1921 ausgeschieden auf eigenen Wunsch. Franke bezeichnete sich als »reiner Militarist« und »nationaler Anarchist«, seine Tätigkeit als Funktionär des »Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten« betrachtete er nur als Übergang, um einen Umsturz vorzubereiten. Bekannt geworden ist sein Konkurrenzprojekt zum Hitler- Putsch von 1923 – eine Militärdiktatur unter Führung des Chefs der Reichswehr, Hans von Seeckt –, weil entsprechende Aufzeichnungen der linken Presse zugespielt und veröffentlicht werden. Ein Jahr später kann Franke die Stahlhelmführung davon überzeugen, die bis dahin recht biedere Bundeszeitung für die Köpfe der nationalrevolutionären Intelligenz zu öffnen. Franke zieht neben Franz Schauwecker und Werner Beumelburg auch den noch relativ unbekannten Ernst Jünger zur Mitarbeit für die Beilage Standarte heran, die kurze Zeit später in eine selbständige Monatsschrift überführt wird. Nach einem Verbot wegen republikfeindlicher Hetze verlassen Franke und Jünger die Standarte und gründen ohne Deckung durch den Stahlhelm die Zeitschrift Arminius als »Kampfblatt des neuen Nationalismus«, der allerdings auch nur ein kurzes Leben beschieden ist. F. gehört zu den ganz wenigen Vertretern der revolutionären Rechten in Deutschland, die sich explizit als »Faschisten« bezeichnen; er benutzt den Begriff allerdings im Sinn eines Sammelnamens für alle nationalistischen, antikommunistischen und antiliberalen Bewegungen. Eine Erfolgsaussicht für entsprechende Strömungen sieht er in Deutschland aber kaum, nachdem sich auch Hitler zu Legalität und Wahlbeteiligung entschlossen hat. F. geht Ende der zwanziger Jahre nach Südamerika und ist dort verschollen.
Hedilla, Manuel (1902–1970),
spanischer Gewerkschaftsführer und Politiker. H. entstammt einfachen Verhältnissen, wird zum Schiffsmechaniker ausgebildet und schließt sich der Arbeiterbewegung an. Allerdings nährt die Entwicklung der spanischen Linken Zweifel in ihm und 1934 geht er zu José Antonio Primo de Rivera über, der ihn beauftragt, die »nationalsyndikalistischen « Ideen der Falange weiterzuentwickeln. Im Frühjahr 1935 übernimmt H. die Leitung der Partei in der Provinz Santander, nach der Verhaftung und Liquidierung José Antonios durch die Republikaner die der Gesamtorganisation. H. gehört zu den ganz wenigen Führern der Falange im Aufstandsgebiet und es gelingt ihm, achtzigtausend Freiwillige für den Kampf zu mobilisieren. Aber seine Position ist in der Bewegung nicht unumstritten und er steht dem Plan Francos im Weg, die Falange mit anderen Kräften des »nationalen Lagers « zusammenzuschließen; er verweigert sich vor allem der Absicht, die Karlisten in eine Sammlungsbewegung aufzunehmen. Infolgedessen kommt es zum Bruch mit Franco; H. erklärt öffentlich, daß die Falange der Schaffung der neuen Einheitspartei, die ihren Namen tragen soll, die Zustimmung verweigere und lehnt den Posten eines Generalsekretärs ab. Er versucht, sich Rückendeckung bei Hitler gegen den »reaktionären « Kurs zu verschaffen, aber vergeblich, es kommt zu scharfen Auseinandersetzungen in der Falange und schließlich wird H. auf Befehl Francos verhaftet, vor ein Militärgericht gestellt und zum Tod verurteilt. 1941 kassiert Franco das Urteil und verbannt H. auf die Balearen, 1947 darf er zurückkehren, sich aber nicht politisch betätigen. Nachdem der Diktator eine gewisse Liberalisierung in Aussicht stellt, kündigt H. 1968 an, eine Gruppierung innerhalb der Staatspartei zu bilden. Dazu kommt es aber nicht mehr, obwohl H. von einigen Jungfalangisten als Vertreter der »reinen Lehre« betrachtet wird; ihnen entgegnet er resigniert: »Franco hat die Falange im April 1937 getötet. Es ist nicht möglich, einen Leichnam wiederzubeleben.«
Malaparte, Curzio (1898–1957),
eigentlich Kurt Erich Suckert, schließt sich nach Kriegsausbruch 1914 einem italienischen Freiwilligenverband – der »Legion Garibaldi« – an, um auf französischer Seite gegen die Mittelmächte zu kämpfen, 1915 Übertritt in die italienische Armee, mehrfach wegen Tapferkeit ausgezeichnet. Nach Kriegsende schlägt M. eine diplomatische Laufbahn ein, wird nach Warschau entsandt. Er ist fasziniert von der »großen Welt«, wird seinem Ruf als Frauenheld gerecht und mehrfach in Duelle verwickelt. Nach Italien zurückgekehrt, schließt er sich avantgardistischen Zirkeln an und propagiert eine proletarische Revolution. 1922 tritt M. der faschistischen Partei bei, schreibt eine Theorie des »nationalen Syndikalismus« und interpretiert die Bewegung als Widerstand gegen die Moderne. Nach dem »Marsch auf Rom« wird M. Politischer Generalinspekteur des PNF, kritisiert aber notorisch dessen Kurs, den er als opportunistisch und liberal empfindet. Erst die Errichtung des »totalen Staates« findet seine Zustimmung. 1929 reist M. in die Sowjetunion und ist beeindruckt von den Methoden der Planwirtschaft und der bolschewistischen Politik. In der Konsequenz veröffentlicht er sein Buch Staatsstreich, in dem er unter anderem das Scheitern Hitlers voraussagt. Dann wird ihm seine Beteiligung an verschiedenen Intrigen in der Führung der Partei zum Verhängnis. Im Januar 1931 verliert M. alle Ämter, wird später auch inhaftiert und auf die Insel Lipari verbannt. 1936 von allen Anklagen freigesprochen, wendet sich M. wieder der Literatur und der Arbeit als Journalist zu. Am Zweiten Weltkrieg nimmt er als Kriegskorrespondent in Frankreich, Rußland und Finnland teil. 1944 erscheint die erste Ausgabe von Kaputt, die seine Kriegserlebnisse bilanziert, in einem Europa, das zu einer »Familie von Feiglingen und Mördern« geworden ist. Angewidert von dem Versuch, die bürgerliche Vorkriegsordnung wiederherzustellen, beantragt M. nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes seine Aufnahme in die Kommunistische Partei. Deren Führung stimmt zu, aber als M. seinen Mitgliedsausweis erhält, schickt er ihn zurück und geht zu einem scharfen Antikommunismus über. 1949 veröffentlicht er das Buch Die Haut, in dem er die Besetzung Neapels durch die Amerikaner beschreibt. 1957 reist er noch einmal in die Sowjetunion, dann in das maoistische China. Wieder neigt er zu einer positiven Einschätzung des Kommunismus an der Macht, stirbt aber kurz nach seiner Rückkehr in Italien.
Sarfatti, Margherita (1880–1961),
mit Geburtsnamen Grassini, entstammt einer reichen jüdischen Familie Venedigs und erhält eine außerordentlich sorgfältige Erziehung. Schon in jungen Jahren interessiert man sie für Philosophie, Kunst und Literatur, zeigt sie sich beeindruckt von Schopenhauer und Nietzsche und den Konzepten der Avantgarde. Früh hat sie Kontakt zu feministischen Zirkeln, setzt gegen den Willen der Eltern die Heirat mit einem wesentlich älteren Mann, dem Anwalt Cesare Sarfatti, durch und nimmt zur allgemeinen Überraschung nachhaltigen Einfluß auf ihren Ehemann. Der bricht mit seinen liberalen und zionistischen Ideen, schließt sich wie seine Frau der radikalen Linken an und unterstützt vor allem die sozialistische Partei. S. bringt kurz hintereinander zwei Söhne zur Welt, ohne daß sie das an ihrer Tätigkeit als Journalistin hindert. 1913 macht ihr Mann sie mit Mussolini, dem Direktor der Parteizeitung Avanti, bekannt, kurz darauf wird sie seine Geliebte. Obwohl sie sich vom machismo Mussolinis abgestoßen fühlt, ist die erotische Anziehungskraft außerordentlich, und S. duldet nicht nur die Ehe Mussolinis, sondern später auch dessen andere Affären. Sie akzeptiert seinen Radikalismus in der Vorkriegszeit ebenso wie den folgenden Bruch mit der Partei und die Schaffung der faschistischen Bewegung. Mehr noch: S. nimmt nachhaltigen Einfluß auf Mussolinis Entwicklung in der entscheidenden Phase zwischen 1919 und 1922, redigiert mit ihm gemeinsam die Leitartikel für die neue Zeitung Popolo d’Italia, macht ihn mit ihren Freunden aus dem Kreis der Futuristen bekannt, forciert die Klärung der ideologischen Prämissen und flößt ihm die Idee ein, durch Rückgriff auf das antike Rom einen neuen Mythos zu stiften. Mit S. zusammen gründet Mussolini die Zeitschrift Gerarchia – »Hierarchie«, in der sich zum ersten Mal das Ganze der faschistischen Ideologie niederschlägt. Die enge Beziehung bleibt auch nach dem »Marsch auf Rom« gewahrt, S. behält vor allem Einfluß auf die Pressearbeit. Allerdings verschieben sich die Machtverhältnisse in der Liaison. Mussolini ist immer weniger bereit, auf Ratschläge zu hören, S. neigt mehr und mehr zu unkritischer Bewunderung. Ihr 1925 zuerst in englischer Sprache erschienenes Buch Dux – die erste Biographie Mussolinis – legt Zeugnis von dieser Distanzlosigkeit ab. Bis zum Beginn der dreißiger Jahre entfremdet sich das Paar und Mussolini wendet sich anderen Frauen und anderen Ideen zu. 1938 verläßt S. Italien, nachdem das faschistische Regime antisemitische Gesetze nach deutschem Muster eingeführt hat. Sie geht nach Argentinien und kehrt erst kurz vor ihrem Tod in die alte Heimat zurück.
Oswald Mosley (1896–1980),
britischer Politiker. M. entstammt einer adligen Familie anglo-irischen Ursprungs, er nimmt als Kavallerie‑, dann als Luftwaffenoffizier am Ersten Weltkrieg teil, muß aber schon 1917 wegen einer Verwundung aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Er entschließt sich zu einer politischen Laufbahn und gewinnt ein Jahr später einen Unterhaussitz für die Konservativen. Im Parlament ist er der zweitjüngste Abgeordnete und erwirbt sich einen Ruf als glänzender Redner. Allerdings führt sein außerordentliches Selbstbewußtsein bald zu Konflikten mit der Partei und wegen seiner Kritik an der brutalen Irland-Politik bricht er mit den Konservativen, bleibt vorübergehend als Unabhängiger im Unterhaus und wechselt 1924 zu Labour, wo er sich prompt dem linken Flügel anschließt. Nach den Wahlen von 1929, die Labour gewinnt, hofft M. auf einen einflußreichen Kabinettsposten, sieht sich aber in ein Ministerium ohne Geschäftsbereich abgeschoben. Seine Vorschläge zur Lösung der Wirtschaftskrise, vor allem zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit, werden immer wieder abgelehnt. Daraufhin verläßt M. auch seine zweite politische Heimat und bildet 1931 aus seiner persönlichen Gefolgschaft die New Party, die allerdings vollkommen erfolglos bleibt. M. geht enttäuscht auf Reisen und besucht unter anderem Italien, wo er von Mussolini empfangen wird. Er zeigt sich sehr beeindruckt vom faschistischen Regime und entschließt sich, nach seiner Rückkehr in Großbritannien ähnliches aufzubauen. Im Herbst 1932 gründet er die British Union of Fascists (BUF), die optisch als Kopie des italienischen Modells erscheint, allerdings eine Programmatik verficht, die vor allem auf die Erhaltung des Empire und die Schaffung eines geschlossenen Wirtschaftsraums zielt. M. begrüßt auch die Machtübernahme Hitlers, was mit allgemeinem Befremden quittiert wird und ihn viel an bürgerlicher Unterstützung kostet. Er orientiert sich daraufhin ganz offen am Nationalsozialismus und übernimmt auch dessen Antisemitismus; allerdings behält die BUF gleichzeitig eine prononciert linke Ausrichtung und hat auch nach den Rückschlägen von 1935/36 im Arbeiterviertel des Londoner East End eine starke Anhängerschaft. Bei Wahlen kommt sie aber über Achtungserfolge nicht hinaus. Die Situation spitzt sich zu, als der Konflikt zwischen Großbritannien und Deutschland eskaliert. Der von der BUF propagierte Isolationismus findet trotz der verbreiteten Friedenssehnsucht keinen Anklang, da die britischen Faschisten längst als »Fünfte Kolonne« Hitlers gelten. Obwohl Mosley ausdrücklich betont, daß seine Anhänger im Krieg ihrem Land gegen jeden Feind dienen werden, läßt ihn die Regierung im Mai 1940 inhaftieren und bis Kriegsende unter Hausarrest stellen. 1945 entlassen, wird M. von ehemaligen Gefolgsleuten überzeugt, eine neue Partei, das Union Movement, zu gründen, das in Abwandlung früherer Pläne den Aufbau einer »Nation Europa« propagiert, aber ohne jede Resonanz bleibt, 1951 übersiedelt er deshalb nach Irland, dann nach Paris. Ende der fünfziger Jahre kehrt M. noch einmal kurz zurück, nachdem der Ausbruch erster Rassenunruhen in Notting Hill die Chance zu eröffnen scheint, eine radikale »weiße« Bewegung zu schaffen. Aber auch mit diesem Projekt scheitert M., der sich daraufhin ins Privatleben zurückzieht.
Van Severen, Joris (1894–1940),
eigentlich Georges Van Severen, belgischer Politiker. S. entstammt einer angesehenen flämischen Familie, die sich dem tonangebenden wallonischen Bürgertum assimiliert hat. Er selbst zeigt allerdings schon in jungen Jahren Sympathie für die flämische Bewegung. Im Januar 1915 zum Militärdienst einberufen, verweigert S. lange Zeit die Beförderung zum Offizier, um seine Opposition gegenüber der belgischen Armeeführung unter Beweis zu stellen, die die flämischen Rekruten als Kanonenfutter betrachtet. Erst auf Wunsch einiger Kameraden gibt er seinen Widerstand auf, gerät allerdings mehrfach in Konflikt mit seinen Vorgesetzten wegen offenen Eintretens für seine Landsleute; er wird zweimal inhaftiert und degradiert. Da die Regierung nach Ende des Krieges keines ihrer Versprechen im Hinblick auf die Besserstellung Flanderns einhält, schließt sich S. der Frontpartij an. Aus Enttäuschung über den Parlamentarismus radikalisiert sich seine Position aber rasch, und 1931 gründet er eine eigene Partei, den Verbond van Dietse Nationaal-Solidaristen (Verdinaso), der sehr stark faschistische Züge aufweist. Mit anderen flämischen Gruppierungen teilt Verdinaso die Stoßrichtung gegen den belgischen Staat und die Ausrichtung an Katholizismus und Selbstbestimmung, was ihn unterscheidet, ist der Separatismus und die Idee eines neuen – »dietsen«, das heißt großniederländischen – Reiches. Diese eher völkische Orientierung gibt S. allerdings wenige Jahre später auf zugunsten der »burgundischen« Idee einer Föderation von Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Französisch-Flandern. Damit einher geht zunehmende Distanz zum Faschismus, dessen zentralistischen und totalitären Ideen S. immer skeptischer gegenübersteht. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs wendet er sich mit äußerster Schärfe gegen Hitlers Aggressionspolitik, wird aber trotzdem als potentieller Verräter in Haft genommen, über die französische Grenze geschafft und ohne Urteil liquidiert. Einige Funktionäre des Verdinaso entschließen sich nach der Besetzung Belgiens zur Kollaboration, andere bilden eine der ersten Partisanengruppen – Dietse Eenheid –, die den Kampf gegen die Deutschen fortsetzt.
O’Duffy, Eoin (1892–1944),
eigentlich Owen O., irischer Ingenieur, schließt sich frühzeitig der Unabhängigkeitsbewegung an, tritt 1917 in die Irisch-Republikanische Armee (IRA) ein und übernimmt 1921 deren Führung, nach Gründung des Irischen Freistaates auch das Kommando über die neu gebildete Polizeibehörde. Allerdings kommt es bald zu Konflikten mit der politischen Spitze. Einer der Gründe ist, daß O. die Linkstendenz in der IRA mißbilligt, deren Spitze sich sogar um Unterstützung Moskaus bemüht. 1933 wird er durch den Präsidenten der Republik, Eamon de Valera, seines Postens enthoben. O. resigniert aber nicht, sondern übernimmt die Leitung der Army Comrades Association (ACA), ursprünglich ein Veteranenverband, der sich allmählich in eine antikommunistische Kampforganisation verwandelt. O. benennt die ACA in National Guard um, wegen der blauen Hemden, die die Angehörigen tragen, als blueshirts bezeichnet. Die blueshirts gewinnen rasch eine breite Anhängerschaft, der Stil ihres Auftretens wirkt ausgesprochen faschistisch. Allerdings orientiert O. sich – trotz unverhohlener Sympathie für Mussolini – in erster Linie an den Traditionen des irischen Nationalismus, der katholischen Soziallehre und dem Gedanken der »Königsherrschaft Christi«. Nach Auseinandersetzungen um illegale Aufmärsche wird die National Guard verboten. O. bildet daraufhin die Partei Fine Gael, die sich aber rasch gegen seine radikaleren Vorstellungen wendet; die daraufhin gegründete Fascist National Corporate Party (wegen ihrer Uniformhemden: greenshirts) ist ein Mißerfolg. Von den politischen Tageskämpfen enttäuscht, formiert O. nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs einen Freiwilligenverband – die Irische Brigade – aus den Reihen von Blau- und Grünhemden und nimmt mit etwa siebenhundert Mann auf der Seite Francos an den Kämpfen teil. Der Einsatz dauert allerdings nur ein halbes Jahr, und O.s Rückkehr nach Irland bedeutet faktisch das Ende seiner Laufbahn. Sein Angebot, nach Beginn des Rußlandfeldzugs eine »Grüne Division« zur Unterstützung Deutschlands zu rekrutieren, wird in Berlin dankend abgelehnt. Er stirbt noch vor Ende des Krieges; sein alter Rivale de Valera ordnete ein Staatsbegräbnis an.
Valois, Georges (1878–1945),
eigentlich Alfred-Georges Gressent, französischer Autor und Politiker. Valois entstammt einfachen Verhältnissen und verdient sich seinen Lebensunterhalt eine Zeitlang als Arbeiter und Seemann, sympathisiert mit der jakobinischen Linken und dem Anarchismus, schließt sich aber zuletzt den Neoroyalisten der Action française (AF) an, von deren antibürgerlicher und autoritärer Weltanschauung er fasziniert ist. Dabei spielt die persönliche Beziehung zum spiritus rector der AF, Charles Maurras, eine wichtige Rolle, der seinerseits in V. den Verbindungsmann zu revolutionären Teilen des Proletariats sieht, die vielleicht Bereitschaft zeigten, eine Massenbasis für den Sturz der Republik zu liefern. Letztlich wird V. aber vom ziellosen Radikalismus der AF in der Vorkriegs- wie der Burgfriedenspolitik in der Kriegszeit enttäuscht, wendet sich Mitte der zwanziger Jahre von der Action ab und gründet 1925 den Faisceau, die erste faschistische Bewegung außerhalb Italiens. Die Kopie des Urmodells geht sehr weit, aber die Organisation erreicht niemals Massenwirkung. Außerdem veröffentlicht V. schon 1928 eine Schrift unter dem Titel Le Fascisme, in der er den Faschismus Mussolinis als reaktionär qualifiziert und sich scharf gegen jede Art von Antisemitismus ausspricht. Im selben Jahr wird der Faisceau aufgelöst, V. gibt danach die Zeitschrift Nouvel Age heraus, die vor allem in nonkonformistischen Zirkeln Leser findet. Er hält zwar an der Idee des Korporativismus fest, nähert sich aber wieder sehr stark der Linken, 1935 will er sogar der sozialistischen Partei SFIO beitreten, sein Aufnahmegesuch wird allerdings abgelehnt. V. propagiert außerdem die »antifaschistische« Einheit, ohne damit Gehör zu finden. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen schließt er sich der Résistance an, wird am 18. Mai 1944 durch die Gestapo verhaftet und stirbt im Februar 1945 an Entkräftung und einer Typhusinfektion im Lager Bergen-Belsen.