Vom Wesen der Massen

pdf der Druckfassung aus Sezession 24/Juni 2008

sez_nr_242von Frank Lisson

Das Verhältnis der Menschen zueinander und das zu den Dingen, die sie umgeben, ist im wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: Anerkennung und Maß. So wie der Mensch des anderen Menschen bedarf, um über den Vergleich zum Bewußtsein eigener Existenz zu gelangen, so mißt er die Qualität einer Sache hauptsächlich an deren Quantität. Das heißt, ein knappes Gut erscheint ihm - beinahe unabhängig von dessen Nützlichkeit - stets wertvoller als eines, das in großer Zahl vorhanden ist. Etwas Seltenes ist weniger austauschbar als etwas Häufiges und erfährt dadurch in der Regel eine höhere Wertschätzung, weil es als etwas Besonderes gilt. - Und genau das wünscht auch der Mensch: Bedeutung durch Besonderheit. Das reziproke Verhältnis von Maß und Anerkennung scheint also evident.


Gleich­wohl ist unüber­seh­bar, daß die gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen – seit gut hun­dert Jah­ren und welt­weit – im kras­sen Wider­spruch zu die­sem Prin­zip ste­hen. Die Welt hat den epo­cha­len Schritt ins Mas­sen­zeit­al­ter defi­ni­tiv voll­zo­gen, der geis­ti­ge Wider­stand ist erlahmt, und fast jeder scheint mit Leib und See­le im Zeit­al­ter der Mas­sen ange­kom­men zu sein. – Wor­an liegt das?
Aris­to­te­les fragt: Ist der Mensch ein zoon poli­ti­kon, also ein gemein­schafts- oder staats­bil­den­des Wesen, und beant­wor­tet die­se Fra­ge mit Ja, denn, so sagt er, das Wesen, das völ­lig für sich allei­ne zu leben ver­möch­te, sei ent­we­der ein Tier oder ein Gott. Nietz­sche ergänzt: Es fehlt ein Drit­tes, der Phi­lo­soph. Hob­bes dage­gen erklärt, Men­schen sei­en ihrer Natur nach durch­aus Ein­zel­gän­ger, nur die Not habe sie zusammengeführt.
Als Uti­li­ta­rist geht Hob­bes davon aus, daß der Mensch nach dem ihm Nütz­li­chen stre­be. Die Zie­le sei­en Selbst­er­hal­tung und Lust­ge­winn. Da bei­des aber nur mit und kaum gegen die sozia­le Umwelt erreicht wer­den kön­ne, habe sich der Mensch ent­schlie­ßen müs­sen, Ver­hält­nis­se mit ande­ren ein­zu­ge­hen, die ihm jedoch nur als Mit­tel dazu dien­ten, die eige­nen Wün­sche zu befrie­di­gen. Daher sei auch der Staat ein Erzeug­nis der ego­is­ti­schen Inter­es­sen sei­ner Mit­glie­der und erfah­re eben genau dar­in sei­ne Rechtfertigung.
Man könn­te, Hob­bes wider­spre­chend, nun sagen, nein, nicht das Allein­sein ent­spricht der Natur des Men­schen, son­dern das Leben in Gesel­lig­keit. Das Bedürf­nis nach Ein­sam­keit und Abson­de­rung ist dage­gen ein Zei­chen von Kul­tur, nicht von Natur. Denn es waren gera­de sei­ne sozia­len Fähig­kei­ten, die homo sapi­ens vor den ande­ren Homi­ni­den aus­zeich­ne­ten und ihn bis heu­te auf einem nie erreich­ten Niveau über­le­ben lie­ßen, wäh­rend alle ande­ren Arten, die über ande­re Fähig­kei­ten ver­füg­ten, aus­star­ben. Ist der Mensch unter allen Spe­zi­es schon an sich ein „Män­gel­we­sen”, wie Arnold Geh­len fest­stell­te, so ist es homo sapi­ens ganz beson­ders. Am wenigs­ten spe­zia­li­siert, war er seit jeher zur Anpas­sung an ver­än­der­te Bedin­gun­gen gera­de­zu gezwun­gen. Die­se Fähig­keit hat er sich bis heu­te bewahrt, und sie tritt in einen gewis­sen Wider­spruch zu sei­nem Wil­len, ein frei­es, selbst­be­stimm­tes Wesen zu sein.

So sehr Kul­tu­ren auch Gebil­de höchs­ter Dif­fe­ren­zie­rung sind, indem sie sich immer nach stren­gen sozia­len und reli­giö­sen Hier­ar­chien glie­dern, so sehr beru­hen sie auch auf dem Prin­zip der Gleich­heit inner­halb der jewei­li­gen Schich­ten. Die­ses Prin­zip grün­det auf dem arche­ty­pi­schen Bedürf­nis nach Zuge­hö­rig­keit des Ein­zel­nen zu irgend­ei­ner Grup­pe. Denn früh hat­te der Mensch gelernt: sich wohl­zu­füh­len unter sei­nes­glei­chen ver­spricht bio­lo­gi­sche Vor­tei­le, sich zusam­men­zu­schlie­ßen erhöht die Über­le­bens­chan­ce. Das Bedürf­nis nach Gleich­heit und Ein­glie­de­rung oder wenigs­tens Auf­nah­me in den Ver­band ist zumeist deut­lich grö­ßer als das nach Abson­de­rung und Ver­schie­den­heit. Bei­de Bedürf­nis­se ste­hen mit­ein­an­der im Streit, aber die Natur des Men­schen erhebt sich fast immer über sei­ne Kul­tur, denn er ist und bleibt ein Män­gel­we­sen und als sol­ches schutz­be­dürf­tig. – Daher rührt die Anzie­hungs­kraft der Mas­se auf den Men­schen, daher das Phä­no­men, daß die meis­ten sie suchen, nur weni­ge sie scheuen.
Wir haben es inner­halb der Gat­tung Mensch unter ande­rem also mit zwei Typen, zwei Wesens- oder Cha­rak­ter­for­men zu tun, die sich, bei­na­he unab­hän­gig von sozia­ler oder eth­ni­scher Her­kunft, seit jeher unver­söhn­lich gegen­über­ste­hen. Nen­nen wir sie, ver­ein­facht gespro­chen, den soli­tä­ren und den sozia­len Typus. Im einen ist das Bedürf­nis nach Abson­de­rung stär­ker aus­ge­prägt, im ande­ren das nach Zuge­hö­rig­keit. Den einen lei­tet ein rela­tiv sou­ve­rä­nes Ich, den ande­ren die Auto­ri­tät der Menge.
Die Sozi­al­ge­schich­te war stark geprägt durch den Kampf um Vor­herr­schaft die­ser bei­den Typen, die ihre Ana­lo­gie auch in Hegels berühm­ter Herr-Knecht-Dia­lek­tik fin­den. Mit der Kon­trol­le des „Her­ren” über den „Knecht” war jedoch ein Aus­nah­me­zu­stand erreicht, der sich – wie jeder Aus­nah­me­zu­stand – per­ma­nent mit dem Wil­len nach Revi­si­on kon­fron­tiert sieht. Somit spie­gelt sich in der glo­ba­len Mas­sen­de­mo­kra­ti­sie­rung und im Macht­wech­sel der Typen eine gewis­se Natur­ge­setz­mä­ßig­keit wider, die besagt, daß jeder Zustand nach sei­ner „Nor­ma­li­tät” strebt, das heißt, nach Über­win­dung jener Schran­ken, die sein natür­li­ches Wachs­tum hemmen.
In der äußerst weit­sich­ti­gen Ana­ly­se Über die Demo­kra­tie in Ame­ri­ka weist Alexis de Toc­que­ville bereits zwi­schen 1835 und 1840 auf die Funk­ti­ons­wei­sen des kom­men­den Mas­sen­zeit­al­ters hin. Und wie alle gro­ßen Staats­theo­re­ti­ker des 19. und 20. Jahr­hun­derts hält auch er die her­auf­zie­hen­de glo­ba­le Mas­sen­de­mo­kra­tie nicht für das Werk „böser Mäch­te”, son­dern für eine Fol­ge inne­rer Logik, ja sogar für ein „Merk­mal gött­li­chen Willens”.

Eli­as Canet­ti spricht in sei­nem Buch Mas­se und Macht von einer „Ent­la­dung”, die im Men­schen statt­fin­de, wenn er akti­ver Bestand­teil einer Mas­se wer­de. Dabei setzt Canet­ti das Vor­han­den­sein von Distan­zen vor­aus, die in allen sozia­len Berei­chen bestün­den und nach deren Über­win­dung im Grun­de jeder Mensch stre­be, da es die­se Distan­zen sei­en, die den Men­schen sei­ne inne­re Ein­sam­keit spü­ren lie­ßen. Dadurch wer­de er in sei­ner geis­ti­gen wie phy­si­schen Ent­fal­tung gehemmt. „Die Genug­tu­ung, in der Rang­ord­nung höher als ande­re zu ste­hen”, schreibt Canet­ti, „ent­schä­digt nicht für den Ver­lust an Bewe­gungs­frei­heit. In sei­nen Distan­zen erstarrt und ver­düs­tert der Mensch.” Des­halb sei eine Ent­la­dung oder Ent­las­tung nötig, ein Abstrei­fen der per­sön­li­chen Unter­schie­de. Und da sich jeder glei­cher­ma­ßen dar­an betei­li­gen müs­se, kön­ne sich ein sol­cher Vor­gang nur in der Mas­se vollziehen.
Zwi­schen die­sen bei­den Polen, dem von Canet­ti beschrie­be­nen Bedürf­nis nach Auf­he­bung der Distan­zen und dem von Nietz­sche so genann­ten „Pathos der Distanz”, das der soli­tä­re Typus pflegt, spannt sich das Leben des moder­nen Men­schen. Und das Kräf­te­ver­hält­nis die­ser bei­den Bedürf­nis­se ent­schei­det dar­über, wie tief der Riß ist, der durch jede Kul­tur geht. Im Mas­sen­zeit­al­ter ste­hen sich jene bei­den Anti­po­den feind­se­li­ger denn je gegen­über. Denn im Zeit­al­ter der Mas­sen sind sie zu Tota­li­tä­ten gewor­den, die ein­an­der aus­schlie­ßen, da sie – wie nie­mals zuvor – über die Bedeu­tung des Ein­zel­nen bestim­men. Das erklärt die bizar­ren For­men, die das Ver­lan­gen nach Auf­merk­sam­keit beson­ders im Medi­en­sek­tor inzwi­schen erreicht hat, aber auch die Gleich­schal­tung des Den­kens als Vor­aus­set­zung all derer, die Ein­laß in den Kul­tur­be­trieb begehren.
Heu­te gene­riert sich Mas­se eben nicht mehr durch die Ver­samm­lung vie­ler Men­schen an einem bestimm­ten Ort, son­dern ihr Ent­ste­hen hängt ganz ent­schei­dend davon ab, wel­cher Typus mei­nungs­ma­chend vor­herrscht. Dem­nach ist Mas­se kei­ne Fra­ge der Zahl mehr, son­dern eine des Cha­rak­ters. Die­ser Aspekt bleibt bei Canet­ti weit­ge­hend unbe­rück­sich­tigt, da er das Phä­no­men der „unsicht­ba­ren Mas­se” noch nicht kennt. „Die aktu­el­len Mas­sen haben im wesent­li­chen auf­ge­hört, Ver­samm­lungs- oder Auf­lauf­mas­sen zu sein; sie sind in ein Regime ein­ge­tre­ten, in dem der Mas­sen­cha­rak­ter nicht mehr im phy­si­schen Kon­vent, son­dern in der Teil­nah­me an Pro­gram­men von Mas­sen­me­di­en zum Aus­druck kommt.” In die­sen neu­en Ver­samm­lungs­for­men „ist man als Indi­vi­du­um Mas­se. Man ist jetzt Mas­se, ohne die ande­ren zu sehen.” Der ehe­mals evi­den­te Gebor­gen­heits­cha­rak­ter, den Mas­sen­ver­an­stal­tun­gen oder Auf­mär­sche zu stif­ten fähig waren, ist also nun­mehr einem eher vir­tu­el­len Zuge­hö­rig­keits­ge­fühl gewichen.

Die bei­den hier auf­ge­zeig­ten Typen, den soli­tä­ren und den sozia­len, hat es frei­lich immer gege­ben, und die längs­te Zeit stan­den sie in einem kla­ren hier­ar­chi­schen Ver­hält­nis zuein­an­der, des­sen gewis­ser­ma­ßen natür­li­che Berech­ti­gung von kei­ner der bei­den Grup­pen ange­zwei­felt wur­de. – Bis ein bedeut­sa­mer Wan­del ein­trat, den Orte­ga y Gas­set als Auf­stand der Mas­sen titu­lier­te, der aller­dings weni­ger die Erhe­bung brei­ter Volks­schich­ten beschreibt, als viel­mehr den Auf­stand eben jenes Typus, der sich dar­an­mach­te, die bis­her gül­ti­ge Wer­te­ord­nung zu kip­pen, um sich mit sei­nen Wer­ten bestim­mend in den Vor­der­grund zu drän­gen. Die­ser Pro­zeß habe einen sozia­len Para­dig­men­wech­sel zur Fol­ge gehabt. Orte­ga y Gas­set nennt die Staats­form, in der alles nach den Bedürf­nis­sen des Mas­sen­men­schen aus­ge­rich­tet ist, „Hyper­de­mo­kra­tie” oder „Tri­umph der Über­de­mo­kra­tie”. Sie sei gekenn­zeich­net durch „die Unver­fro­ren­heit der Men­ge, für das Recht der Gewöhn­lich­keit ein­zu­tre­ten und es über­all durchzusetzen”.
Seit der Indus­tria­li­sie­rung ist das Phä­no­men der Mas­se zu einem his­to­ri­schen Fak­tor gewor­den, den nie­mand mehr über­se­hen und dem sich auch nie­mand mehr ent­zie­hen kann. Ent­spre­chend groß war die Reso­nanz der geis­ti­gen Welt in Euro­pa auf die­se Erschei­nung. Ob im Wachs­tum der Städ­te, das die „sozia­le Fra­ge” viru­lent mach­te, ob in der Bil­dungs­po­li­tik, in der Kunst und Lite­ra­tur, über­all tra­ten die Fol­gen wach­sen­der Mas­sen in Erschei­nung und for­der­ten zur geis­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zung damit auf. Es ent­stan­den sozia­le Bewe­gun­gen, Arbei­ter­ver­ei­ne und so wei­ter, aber es reg­te sich auch ein geis­ti­ger Wider­stand gegen die­se Ent­wick­lung, der heu­te kaum noch vor­stell­bar ist. Denn die Gefahr, die im Auf­kom­men des Zeit­al­ters der Mas­sen gese­hen wur­de, ver­band fast alle poli­ti­schen Lager: Nietz­sches Wider­wil­le, ja Ekel gegen jede Form von Ver­mas­sung ist bekannt. Auch Wal­ter Ben­ja­mins Kri­tik der Ent­wer­tung von Kunst im Zeit­al­ter ihrer tech­ni­schen Repro­du­zier­bar­keit. Oder Heid­eg­gers berühm­tes Kapi­tel über das „Man” in Sein und Zeit von 1927. Und in der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung beken­nen sich Max Hork­hei­mer und Theo­dor W. Ador­no als vehe­men­te Geg­ner der unter­hal­tungs­ori­en­tier­ten Mas­sen­kul­tur, die vom Fern­se­hen über Zeit­schrif­ten bis hin zum Jazz rei­che. Noch 1973 nennt Kon­rad Lorenz Acht Tod­sün­den der Zivi­li­sa­ti­on, von denen die meis­ten als Fol­ge der Mas­sen­ge­sell­schaft bewer­tet werden.

Mas­sen­men­schen pro­du­zie­ren wie­der­um Mas­sen­men­schen, weil nur die­se ihnen vol­le Aner­ken­nung zol­len. Das ist das Erfolgs­re­zept eines Pro­zes­ses, des­sen Dyna­mik sich kaum jemand ent­zie­hen kann. In sei­ner bril­lan­ten Hegel-Inter­pre­ta­ti­on bringt Alex­and­re Kojè­ve die Sache auf den Punkt: „Es ist mensch­lich zu begeh­ren, was die ande­ren begeh­ren, weil sie es begeh­ren.” Jeder will, daß der Wert oder das, was er dar­stellt, vom ande­ren als des­sen Wert aner­kannt und begehrt wird. Kojè­ve folgt damit Gust­ave Le Bon, der in sei­ner Psy­cho­lo­gie der Mas­sen von 1895 das Prin­zip der Nach­ah­mung als eines der wesent­li­chen Merk­ma­le für Mas­sen­bil­dun­gen erkannt hat: „Aus die­sem Bedürf­nis”, schreibt er, „wird die Macht der Mode gebo­ren. Mag es sich nun um Mei­nun­gen, Ideen, lite­ra­ri­sche Äuße­run­gen oder ein­fach um die Klei­dung han­deln, wie vie­le wagen es, sich ihrer Herr­schaft zu entziehen?”
So ist die Mode zu einem Dik­tat gewor­den, das Indi­vi­dua­li­tät oder Eigen­sinn bloß noch vor­täuscht. „Wo Iden­ti­tät war, soll Indif­fe­renz wer­den, sprich eigent­lich dif­fe­ren­te Indif­fe­renz … Wenn wir schwö­ren, daß alles, was wir tun, um anders zu sein, in Wahr­heit nichts bedeu­tet, dür­fen wir tun, was immer uns in den Sinn kommt.” (Slo­ter­di­jk) – In der Tat ist die­se dif­fe­ren­te Indif­fe­renz das gro­ße, gar nicht zu über­se­hen­de Merk­mal des gegen­wär­ti­gen Kul­tur­be­triebs, aber auch das der Poli­tik: Wer den Aus­stieg aus der vor­ge­leb­ten Indif­fe­renz wagt, begibt sich damit in die selbst­ge­wähl­te Iso­la­ti­on, indem er Gren­zen über­tritt, deren Miß­ach­tung von den Wäch­tern der tota­li­tä­ren Mit­te gleich­falls mit Miß­ach­tung des Über­schrei­ten­den geahn­det wird.
„Wo Her­ren waren, müs­sen neue Auf­ga­ben defi­niert wer­den.” (Slo-ter­di­jk) – Fan­gen wir also damit an. Auch wenn die Erwar­tun­gen natür­lich beschei­den blei­ben müs­sen. Ver­än­de­rung des Gan­zen wird es nicht geben. Aber das zwingt den Ein­zel­nen noch lan­ge nicht dazu, über­all mit­zu­ma­chen. Eige­ne Räu­me zu eröff­nen ist nötig. Par­zel­len des pri­va­ten Wider­stands. Botho Strauß hat 1992 in sei­nem immer noch aktu­el­len, weil zeit­los gül­ti­gen Essay Anschwel­len­der Bocks­ge­sang geschrie­ben: „Ich bin davon über­zeugt, daß die magi­schen Orte der Abson­de­rung, daß ein ver­spreng­tes Häuf­lein von inspi­rier­ten Nicht­ein­ver­stan­de­nen für den Erhalt des all­ge­mei­nen Ver­stän­di­gungs­sys­tems uner­läß­lich ist.”
Wo der Staat kei­ne Leit­kul­tur mehr bereit­hält, ist es erfor­der­lich, sel­ber eine zu schaf­fen. Und kei­ne Angst vorm Allein­sein in die­sen Räu­men. Gefähr­ten wer­den sich schon fin­den. Wer nicht zur Mas­se gehö­ren will, hat Nietz­sche gemeint, müs­se nur auf­hö­ren, gegen sich bequem zu sein. Das heißt: alles sel­ber prü­fen, auf die eige­ne Urteils­kraft ver­trau­en und den Mut haben, nein zu sagen, wenn die Tota­li­tät der Mas­sen­ge­sell­schaft nach dem Bekennt­nis zur Ein­heits­ge­sin­nung ver­langt. Jeder kann ein Bei­spiel geben, indem er wagt, sich an dem vor­ge­mach­ten Leben nicht zu beteiligen.

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