RAMB: Das wäre wahrlich glaubwürdiger und einsichtiger als die von ihnen vorgetragenen Begründungen. Allerdings ist die Mittäterschaft der beiden am Euro-Desaster so groß, daß sie wohlweislich auf dieses Argument verzichten. Insbesondere Ex-Bundespräsident Köhler hat als Sherpa Helmut Kohls vehement dazu beigetragen, den Euro gegen den Willen der Deutschen durchzupeitschen. Tätige Reue stünde ihm jetzt gut an. Das bedingt aber ein offenes Schuldbekenntnis und nicht das unglaubwürdige Lamento über die angeblich ehrverletzenden Kommentare zu seinen tatsächlich verfassungsverletzenden Kriegstheorien.
SEZESSION: Gut, einmal angenommen, die beiden sind jetzt wirklich fahnenflüchtig, weil sie ein Desaster ahnen: Gehen Sie selbst im Ernst davon aus, daß der Euro zusammenbrechen könnte, wir also vor einer Währungsreform stehen?
RAMB: Die offenkundigen Fakten begründen, um es exakt zu formulieren, einen bevorstehenden Zusammenbruch unserer Währung. Ob das dann (noch) der Euro ist oder nicht, kann ich nicht vorhersagen; das ist aber auch nachrangig. Die Währung bricht in Deutschland auch nicht wegen des Euros zusammen, obwohl dessen Niedergang die Sache beschleunigen könnte. Unsere Währung bricht wegen der unerträglichen Staatsverschuldung zusammen, die natürlich wegen der unkontrollierbar hohen Unterstützungszahlungen an Griechenland und andere EU-Länder nochmals in die Höhe schnellt. Diese Staatsverschuldung wird selbst im wirtschaftsstarken Deutschland künftig nicht mehr finanzierbar. Eine Lösung bietet dann nur noch ein dezidierter Staatsbankrott mit Währungsreform.
SEZESSION: Ist denn kein anderes Szenario als Ausweg aus der Finanzkrise denkbar?
RAMB: Theoretisch schon. Rechtstheoretisch wäre eine Einstufung der Staatsschulden als »unsittlich« denkbar, weil die Verschuldung zu Lasten Dritter – der kommenden Generationen – vereinbart wurde. Dann wären diese Kreditverträge nichtig und alle Gläubiger würden ihr Geld verlieren. Haushaltstheoretisch könnten die Schulden mit enormen Einsparungsanstrengungen in den nächsten 100 bis 200 Jahren abgetragen werden. Inflationstheoretisch müßten 10 Prozent jährliche Geldentwertung über 30 Jahre ertragen werden. Da erscheint es mir wahrscheinlicher, wenn die jungen Deutschen – vielleicht sogar zusammen mit ihren Eltern – auf die Straße gehen und laut verkünden: »Wir weigern uns, die Schulden unserer Vorfahren und der kinderlosen Vorgenerationen zu übernehmen«.
SEZESSION: Ein Teil der heute 45- bis 65jährigen, das ist doch die »satte Generation«, oder? Das sind diejenigen, die ins gemachte Nest sich setzen konnten, ein unglaubliches Geld verdient haben und uns Jüngeren mindestens an vier Fronten eine Erblast auferlegen: Staatsschulden, demographische Katastrophe, Überfremdung, Schuldkult. Bleiben wir bitte bei den Schulden: Man kann seine Weigerung verkünden, diese Schulden zu übernehmen, das haben Sie ja eben gesagt. Aber wie sähe so eine Weigerung konkret aus?
RAMB: Schuldig – im wahrsten Sinne des Wortes – haben sich vor allem die Politiker gemacht, die diesen Schuldenberg aufgetürmt haben. Bestenfalls waren sie charakterlos und haben sich von den »Gutmenschen«, die im Namen der »sozialen Gerechtigkeit« ungedeckte Staatsausgaben zur Befriedigung von überzogenen Transferzahlungen an geringere Leistungserbringer forderten, in diese Schuld verstricken lassen. Kommende Generationen können das nicht mehr aufrechterhalten. Die Zinslast ertragen, noch mehr Alte ernähren und dann noch die eigenen Nachkommen versorgen, stößt bei dem normalen Einkommensbezieher an existentielle Grenzen. Ich propagiere nicht, daß die Bürger ihren Widerstand gewaltsam auf die Straße tragen sollen, ich bin kein Agitator, aber als Wissenschaftler prognostiziere ich dies. In fünf bis zehn Jahren haben wir in Deutschland griechische Verhältnisse. An revolutionären Veränderungen führt kein Weg vorbei.
SEZESSION: Sie prognostizieren also eine »Macht des Faktischen«. Damit aber aus »griechischen Verhältnissen« wieder deutsche werden, bedarf es eines Begriffs von einer spezifisch deutschen Art zu wirtschaften oder einen Staat zu bauen. Wo wäre das revolutionäre Subjekt, das dieses Verständnis hat und daraus einen Anspruch formuliert?
RAMB: Der revolutionäre Widerstand, sofern er nicht mit Gewalt im Keim erstickt wird, benötigt natürlich eine revolutionäre Alternative. Nach den vergangenen Jahrzehnten einer sozialistischen Fehlentwicklung mit dem entsprechenden Niedergang der gesellschaftlichen Moral kann die Alternative nur in einer Rückbesinnung auf die Werte der Freiheit und des Christentums in ihrer konservativen Ausprägung liegen. Alle drei Attribute – freiheitlich, christlich, konservativ – hatten in früheren deutschen Gesellschaften durchaus Relevanz. Falsch verstandene Demokratie und die Verlockungen sozialistischer Umverteilung haben jedoch immer wieder zur Dekadenz geführt – bis die wirtschaftliche Grundlage zusammenbrach. Die nächste (oder erste echte) deutsche Revolution wird also eine freiheitlich-christlich-konservative sein oder überhaupt keine.
SEZESSION: Sehen Sie irgendwo in dem von Ihnen umrissenen Milieu so etwas wie revolutionären Furor? Die freiheitsliebenden, konservativen Christen sind doch eher dafür bekannt, daß sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag selbst die marodeste Ordnung stabilisieren, weil sie jede umwälzende Unordnung noch mehr quält und ängstigt …
RAMB: Die Zeit ist noch lange nicht reif. Das Denken in diesen Kategorien wurde in der mehr als ein halbes Jahrhundert andauernden Phase der sozialistischen Infiltration systematisch verödet. Das revolutionäre Aufbegehren gegen diese Knechtschaft befindet sich in statu nascendi. Konservative Ideale stehen noch im Abwehrkampf und revolutionäre Christen bieten sicher ein eher ungewohntes Bild. Der erwartete Dreiklang der Reformation unserer Gesellschaft wird in einer zeitlichen Abfolge plausibler: Zunächst entwickelt sich der Freiheitsdrang und der Wille, die Fesseln der Schuldenvergangenheit abzuschütteln. Die konsequente Forderung »Nie wieder Schulden« führt zum Ideal einer konservativen Lebensführung und die dabei erwünschte Erfüllung moralischer Ansprüche zu einer Renaissance christlicher Werte. Letzteres bedingt nebenbei nicht unbedingt die religiöse Einbindung im engeren Sinne. Erwartet wird die Restitution des christlich-abendländischen Wertekanons, dessen Einhaltung wiederum nach christlicher Vorstellung auf der völlig freien Entscheidung des individuellen Menschen beruht. Womit sich der Kreis zur Freiheit schließt.
SEZESSION: Drei Einwände: Die Gruppe oder das Milieu, von dem Sie ein Aufbegehren erwarten, ist per se nicht für Revolutionen, sondern für Reformationen geeignet: zuviel Respekt vor den Eltern, dem Hergebrachten, zu wenig Unbürgerlichkeit und asoziale Power. Zum zweiten: Auch den konservativen Christen fehlen die Söhne, die – laut Gunnar Heinsohn – für die Dynamik und Durchschlagskraft jeder Umwälzung stehen. Und drittens: Ich sehe die Fahne nicht, deren Idee einen mitrisse – aufbrechend aus einer christlich-konservativen heilen Welt.
RAMB: Zu Ihren drei Einwänden ließe sich manches erwidern: Die Montagsdemonstrationen in der DDR waren beispielsweise auch nicht in dieser Intensität zu erwarten; konservative Christen haben durchaus Kinder, nur existieren zur Zeit sehr wenige; kaum Kinder haben dagegen die mehrheitlichen sozialistischen »Christen«; die fehlenden (Kirchen-)Christen sind auch nicht das Problem, sondern die fehlenden christlichen Ideale; und nebenbei: Wenn die »Fahne« fehlt, werden neue Fahnen genäht – die Farben sind ja vorgegeben: freiheitlich – christlich – konservativ. Grundsätzliche Skepsis gegenüber den Erfolgsaussichten einer FCK-Revolution mag angebracht sein, diese bietet aber die einzige Alternative zur drohenden Schuldenknechtschaft mit Massenverarmung. Ich bin zuversichtlich, die kommende Generation wird sich gegen diese Bedrohung zur Wehr setzen.
SEZESSION: Sehen Sie am Horizont eine neue Partei dräuen – vielleicht eine FCKD? Im Ernst: Da scheint doch eine Menge Platz zu sein …
RAMB: Meine Erfahrungen mit dem »Bund Freier Bürger« in den neunziger Jahren wie auch mit der regional begrenzten Initiative »Bremen muß leben« vor drei Jahren haben mir klargemacht, daß neue Parteien in Deutschland keine Chance haben, wenn die Medien nicht mitspielen. Da trifft nach wie vor Manfred Brunners Einschätzung zu: In Deutschland spielen 10 Spitzenpolitiker mit 10 Medienmoguln Monopoly. Zudem ist die Standardreaktion der Deutschen auf parteipolitische Mißstände nicht der Wunsch nach einer neuen Partei, sondern Wahlverweigerung. Vielleicht ändert sich das einmal und wir erreichen einen politischen Boden (im doppelten Sinne), auf dem – wie in vielen Nachbarländern bereits geschehen – neue Parteien nicht nur gewählt werden, sondern auch relevante Mehrheiten erhalten. Bevor cfk (ich würde die Buchstaben in diese Reihenfolge stellen und klein schreiben, da sie attributiv verwendet werden sollten) Parteienstatus erhält, müssen diese Attribute erst einmal im Bewußtsein der Bevölkerung Wurzeln fassen. Vor der Parteienrevolution kommt die politisch-kulturelle Revolution. Dazu muß zunächst Platz in den Köpfen geschaffen werden. Vielleicht korreliert dieser Raumgewinn mit der zunehmenden Leere in den Geldbeuteln.
Die Fragen stellte Götz Kubitschek
(Das Gespräch ist in Sezession 37/ August 2010 abgedruckt. Lesen Sie dort auch Hermann von Laers “Euro-Dämmerung” und Karlheinz Weißmanns “Vom Reversiblen in der Politik” – Inhaltsverzeichnis und Bestellmöglichkeit finden sich hier).
Rüting
Fein! Dann haben wir in den nächsten Jahren gleich zweierlei zu erwarten: Barings Bürgerbarrikaden (verkündet 2002) und nunmehr Rambs cfk-Revolution.
Ob die potentiellen Revolutionäre schon von ihrem Glück wissen? Noch halten sich die möglichen Protagonisten ja vornehm zurück. Vermutlich, um sich graswurzelartig der politisch-kulturellen Vorrevolution zu widmen, während sie gleichzeitig über die verpassten Chancen mit dem BfB und 'Bremen muß Leben' grübeln. Es kann natürlich auch sein, daß es die passenden Bahnsteigkarten am ServicePoint der Bahn noch nicht zu kaufen gibt. Vielleicht warten sie ja aber auch auf die durch Herrn von Laer angekündigte Euro-Dämmerung, um dann wie ein Spingteufelchen aus der Kiste zu fahren und dem erstaunten und der Erlösung harrenden Volke zu verkünden: hier sind wir - ihr habt zwar bislang von uns noch nichts gehört, jedoch werdet ihr jetzt bereitwillig einer cfk-Revolution folgen. Leistung muß sich wieder lohnen. Mehr Netto vom Brutto. Schön!