Annie Oakley war kein Flintenweib

Knapp verspätet möchte ich noch an den 150. Geburtstag einer feschen Dame erinnern. Annie Oakley wurde am 13. August 1860 in Ohio...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

als fünf­tes von acht Kin­dern in der Block­hüt­te einer armen Quä­ker-Fami­lie gebo­ren. Der Vater starb bald, und Klein-Annie ging auf die Jagd, um den Unter­halt der Fami­lie zu sichern.

Annie schoß so schnell und treff­si­cher, daß sie mit zehn, elf Jah­ren mas­sen­wei­se erleg­tes Wild auf dem Markt ver­kau­fen konn­te. Auf einem Scharf­schüt­zen­wett­be­werb besieg­te sie Frank But­ler, den sie spä­ter hei­ra­te­te – Annie war da erst 15 Jah­re. Die bei­den – sie als Meis­ter­schüt­ze, er als Mana­ger und ihr Leh­rer, der ihr erst das Lesen bei­brach­te – tin­gel­ten zukünf­tig mit ihrer Wild­west-Show durchs Land. Auf 30 Schritt Ent­fer­nung traf sie in die Luft gewor­fe­ne Wür­fel, und Spiel­kar­ten durch­lö­cher­te sie x‑mal, bevor sie zu Boden fie­len. Bald wur­de Oak­ley auch in Euro­pa popu­lär, auf des Kai­sers Wunsch schoß Annie Oak­ley Wil­helm II. die Ziga­ret­te vom Mund (spä­ter, im ers­ten Welt­krieg, soll sie den Wunsch geäu­ßert haben, noch einen Schuß freizuhaben …).

1922 wur­de Oak­ley durch einen Auto­an­fall bett­lä­ge­rig, sie starb 1926, Frank folg­te ihr nur drei Wochen später.

Frau­en an der Waf­fe – ein zwie­späl­ti­ges Ding. Dem Charme sym­bo­lis­ti­scher Ama­zo­nen-Sta­tu­et­ten kann man sich schwer­lich ent­zie­hen, eher übel hin­ge­gen wird mir beim Anblick von Flin­ten­wei­bern in moder­nen und post­mo­der­nen Armeen. Vom Mythos der „toug­hen und hüb­schen“ israe­li­schen Sol­da­tin­nen, die gleich­be­rech­tigt in der Armee ihres Lan­des „ihren Mann ste­hen“, mag ich gar nichts mehr lesen. Hier sehen wir nicht nur das aktu­el­le Zerr­bild einer Annie Oak­ley, son­dern kön­nen zugleich einen aus­nahms­wei­se kri­ti­schen Arti­kel lesen. Unter all den klei­nen Vide­os und (oft gna­den­los „gen­der­ge­rech­ten“) Doku­men­ta­tio­nen, die über Oak­ley zu fin­den sind, ist mir die­se halb­mi­nü­ti­ge Mini-Sze­ne die liebs­te. Die­se Mischung aus Schnel­lig­keit, rou­ti­nier­ter Sou­ve­rä­ni­tät und Anmut – letz­te­res wird unter­stri­chen durch den halb­lan­gen Rock, der Annie nicht im min­des­ten dar­an hin­dert nie­der­zu­knien und rasch nach­zu­la­den – großartig!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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