gingen Dutzende Kundenanrufe bei der Buchhandlung ein, des Inhalts, daß man zukünftig eine Buchhandlung meiden würde, die einem Mann wie Sarrazin eine Plattform böte.
Ich bin mit meinen Überlegungen zu diesem Vorgang (der anscheinend Schule macht, denn auch andere Buchhandlungen sagen inzwischen Lesungen mit Sarrazin ab) noch nicht fertig. Die Fragen:
1. Wird eine Buchhandlung, die eine Lesung mit Sarrazin absagt, so konsequent sein und Kundenwünsche nach dem Buch abschlägig bescheiden?
2. Wer ruft bei einer Buchhandlung an? Sind das öffentliche Stellen, deren Großaufträge für eine Buchhandlung ins Gewicht fallen (Universitäten, Schulen, Gerichte usf.). Oder ist dies nur ein Zeichen dafür, daß das intellektuelle Publikum im Schnitt Sarrazin kritischer gegenübersteht als der Mann von der Straße?
3. Was wäre, wenn nun Kunden anriefen und erklärten, daß sie fürderhin nicht mehr bei Decius kaufen wollten, bis nicht Sarrazin doch noch seine Lesung abhalten dürfte. Anders ausgedrückt: Ist dieser Kundendruck immer nur eine Sache der Gutmenschen?
4. Wird eigentlich irgendwo die Rolle der Deutschen Verlagsanstalt (DVA) thematisiert, die gerade das Geschäft des Jahrzehnts mit einem Autor macht, den angesehene Buchhandlungen ausladen?
Abschließend eine Anekdote: Gestern ging hier der Anruf eines Radiosenders ein, man wollte eine Stellungnahme von uns zur Hildesheimer Ausladung Sarrazins. Meine drei Sätze:
+ Wer sich als Buchhändler auf Sicherheitsbedenken herausredet, sagt nicht die Wahrheit.
+ Wer Sarrazin auslädt gibt zu, daß er Angst vor den Argumenten hat.
+ Wer dem Kundendruck nachgibt, hat kein Stehvermögen.
Zuletzt fragte ich, wieso gerade ich eine Stellungnahme zu diesen Vorgängen abgeben dürfte. Die Redakteurin war verwirrt: Es sei doch klar, daß man jemanden vom Verlag zu Wort kommen lassen wollte. – Ich habe die Verwechslung nicht aufgeklärt.
Thorsten Tragelehn
Sarrazin in München:
https://www.literaturhaus-muenchen.de/programm/veranstaltung.asp?ID=7891
Literaturhaus München
Deutschland schafft sich ab
Ein Abend mit Thilo Sarrazin
Mittwoch, 29.9.2010
20:00 Uhr
Salvatorplatz 1
80333 München
Kartenvorbestellung:
089 - 29 19 34 - 27
https://www.tz-online.de/aktuelles/muenchen/sarrazin-muenchen-protest-gegen-lesung-tz-900393.html
München - Dass Skandal-Autor und Bundesbanker Thilo Sarrazin mit seinem Buch auch in München auftreten soll, hat sich bislang kaum herumgesprochen – trotzdem formiert sich schon der Protest.