Deutschland im Abendlicht – Sarrazin lesen

von Steffen Dietzsch

Nach den ersten Leseeindrücken von Deutschland schafft sich ab, das unser ehemaliger Berliner Finanzsenators gerade publiziert hat,...

kam mir eine – gera­de Ber­li­ner – Wahr­neh­mung in den Sinn, die ich eine pos­tur­ba­ne nen­nen möch­te: Aller­or­ten hören wir hier von soge­nann­ten Miet­no­ma­den – das sind, jeden­falls auf den ers­ten Blick, “Haus­be­woh­ner”, aber mit einer nahe­zu naza­re­ni­schen Abnei­gung gegen wirt­schaft­li­chen Mehr­wert und Verwertbarkeit.

Ins Haus zu kom­men sehen sie just durch ihre Men­schen­wür­de ver­bürgt, wofür zu zah­len ihnen aber unter der­sel­ben erschie­ne. – Der Autor unse­res Buches befürch­tet nun, daß das Schick­sal jener Häu­ser irgend­wann ein­mal das Schick­sal des euro­päi­schen Hau­ses und zuerst sei­ner Haus­warts­woh­nung, der Deut­schen, wer­den könne.

Der Autor des vor­lie­gen­den Buches, der ein hoch­ge­stell­ter Ver­wal­tungs­fach­mann ist, weiß um die demo­gra­phi­schen, lebens­prak­ti­schen Sach­ver­hal­te der kom­ple­xen Migra­ti­ons­be­we­gun­gen. Gera­de des­halb kann man von ihm natür­lich kei­ne pau­scha­len Kla­gen (etwa: Aus­län­der raus!) erwar­ten, auch ist ihm eine Stamm­tisch-Psy­cho­lo­gie über ‚die Aus­län­der’ fremd. – Was ist sein Pro­blem? Er ver­weist auf eine ganz beson­de­re, kul­tu­rell (und reli­gi­ös) genau abzu­gren­zen­de Facet­te die­ser Vor­gän­ge. Und nur deren Eigen­dy­na­mik unter­sucht jener Text. Er macht näm­lich auf eine sozi­al inver­se Pra­xis bei der Ein­wan­de­rung auf­merk­sam: Der zivi­li­sa­to­ri­sche Stan­dard, jedem poli­tisch Ver­folg­ten Asyl zu gewäh­ren, wird augen­fäl­lig ad absur­dum geführt, wenn jene Bedin­gung fürs Asyl in der Immi­gra­ti­ons­pra­xis de fac­to auf­ge­ho­ben ist. Also, – wie es man­cher men­schen­wür­de-gebo­ten meint, – wenn jedem, der das will, dau­er­haft und vor allem: sozi­al gesi­chert, Auf­ent­halt gewährt wür­de; kurz: Gast­recht (hos­pi­ti­um publi­cum) und Staats­bür­ger­recht (ius san­gui­nis und ius soli) iden­tisch wer­den; und also Inte­gra­ti­ons­an­stren­gun­gen gar nicht erfor­der­lich schei­nen! Wenn also das poli­tisch-kul­tu­rel­le A‑B-C bestimm­ter Ein­wan­de­rer schon bei ‚Asyl’ endet, so beginnt dann aber dort ein ungleich erwei­ter­ter Anspruchs- und Behauptungsalltag.

Jenes Buch lenkt nun den Blick allein auf jene genau zu iden­ti­fi­zie­ren­de Grup­pe von Zuwan­de­rern, die ihre Wahl für Deutsch­land – lebens­prak­tisch – offen­sicht­lich allein aus Grün­den der ‚öko­no­mi­schen Ver­wert­bar­keit’ bzw. des ‚wirt­schaft­li­chen Mehr­werts’ getrof­fen haben (war­um nur wäh­len z. B. nah­öst­li­che Mus­li­me Wege ins ‚christ­li­che’ Deutsch­land und nicht viel­mehr in benach­bar­te mus­li­mi­sche Mus­ter­län­der oder in die – auch mus­li­mi­sche – Welt­wirt­schafts­me­tro­po­le Sin­ga­pur?). Die Kri­tik auf jene küh­len Kal­ku­lie­rer gelenkt zu haben, bringt dem Kri­ti­ker nun – absurd genug – sel­ber den Vor­wurf ein, Ein­wan­de­rer des Kal­küls zu verdächtigen.

Sind aber die lang­fris­ti­gen Befürch­tun­gen unse­res Autors zum kul­tu­rel­len (post­na­tio­na­len) Kli­ma­wan­del in Deutsch­land wirk­lich ein­fach von der Hand zu wei­sen? Denn wir alle sehen doch, wie sich das Land, das jene Ein­wan­de­rer einst als lebens­wer­te Alter­na­ti­ve gesucht hat­ten, (auch durch sie) zu genau dem Land wer­den könn­te, dem sie gera­de ent­flo­hen sind!

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