kam mir eine – gerade Berliner – Wahrnehmung in den Sinn, die ich eine posturbane nennen möchte: Allerorten hören wir hier von sogenannten Mietnomaden – das sind, jedenfalls auf den ersten Blick, “Hausbewohner”, aber mit einer nahezu nazarenischen Abneigung gegen wirtschaftlichen Mehrwert und Verwertbarkeit.
Ins Haus zu kommen sehen sie just durch ihre Menschenwürde verbürgt, wofür zu zahlen ihnen aber unter derselben erschiene. – Der Autor unseres Buches befürchtet nun, daß das Schicksal jener Häuser irgendwann einmal das Schicksal des europäischen Hauses und zuerst seiner Hauswartswohnung, der Deutschen, werden könne.
Der Autor des vorliegenden Buches, der ein hochgestellter Verwaltungsfachmann ist, weiß um die demographischen, lebenspraktischen Sachverhalte der komplexen Migrationsbewegungen. Gerade deshalb kann man von ihm natürlich keine pauschalen Klagen (etwa: Ausländer raus!) erwarten, auch ist ihm eine Stammtisch-Psychologie über ‚die Ausländer’ fremd. – Was ist sein Problem? Er verweist auf eine ganz besondere, kulturell (und religiös) genau abzugrenzende Facette dieser Vorgänge. Und nur deren Eigendynamik untersucht jener Text. Er macht nämlich auf eine sozial inverse Praxis bei der Einwanderung aufmerksam: Der zivilisatorische Standard, jedem politisch Verfolgten Asyl zu gewähren, wird augenfällig ad absurdum geführt, wenn jene Bedingung fürs Asyl in der Immigrationspraxis de facto aufgehoben ist. Also, – wie es mancher menschenwürde-geboten meint, – wenn jedem, der das will, dauerhaft und vor allem: sozial gesichert, Aufenthalt gewährt würde; kurz: Gastrecht (hospitium publicum) und Staatsbürgerrecht (ius sanguinis und ius soli) identisch werden; und also Integrationsanstrengungen gar nicht erforderlich scheinen! Wenn also das politisch-kulturelle A‑B-C bestimmter Einwanderer schon bei ‚Asyl’ endet, so beginnt dann aber dort ein ungleich erweiterter Anspruchs- und Behauptungsalltag.
Jenes Buch lenkt nun den Blick allein auf jene genau zu identifizierende Gruppe von Zuwanderern, die ihre Wahl für Deutschland – lebenspraktisch – offensichtlich allein aus Gründen der ‚ökonomischen Verwertbarkeit’ bzw. des ‚wirtschaftlichen Mehrwerts’ getroffen haben (warum nur wählen z. B. nahöstliche Muslime Wege ins ‚christliche’ Deutschland und nicht vielmehr in benachbarte muslimische Musterländer oder in die – auch muslimische – Weltwirtschaftsmetropole Singapur?). Die Kritik auf jene kühlen Kalkulierer gelenkt zu haben, bringt dem Kritiker nun – absurd genug – selber den Vorwurf ein, Einwanderer des Kalküls zu verdächtigen.
Sind aber die langfristigen Befürchtungen unseres Autors zum kulturellen (postnationalen) Klimawandel in Deutschland wirklich einfach von der Hand zu weisen? Denn wir alle sehen doch, wie sich das Land, das jene Einwanderer einst als lebenswerte Alternative gesucht hatten, (auch durch sie) zu genau dem Land werden könnte, dem sie gerade entflohen sind!