Helboks Volksgeschichte

pdf der Druckfassung aus Sezession 23/April 2008

sez_nr_233von Andreas Vonderach

Der Grabert-Verlag hat 2005 die Deutsche Volksgeschichte des Innsbrucker Historikers Adolf Helbok (1883-1968) in neuer Auflage herausgebracht, ein Anlaß, sich nicht nur mit Helboks Buch, sondern mit der Forschungsrichtung der „Volksgeschichte" in den zwanziger und dreißiger Jahren in Deutschland zu befassen, zu deren führenden Vertretern Adolf Helbok gehörte.


Anfang der zwan­zi­ger Jah­re streb­ten vor dem Hin­ter­grund der deut­schen Nie­der­la­ge im Ers­ten Welt­krieg und des Zusam­men­bruchs des wil­hel­mi­ni­schen Rei­ches eini­ge deut­sche His­to­ri­ker eine grund­sätz­li­che Neu­aus­rich­tung ihre Faches an. Nicht der Staat und sei­ne Poli­tik soll­ten mehr im Mit­tel­punkt der Geschichts­be­trach­tung ste­hen, son­dern das Volk. Es soll­te ver­sucht wer­den, „sein Wesen nach Abstam­mung, … Kul­tur­schich­tung und land­schaft­li­cher wie stamm­li­cher Glie­de­rung zu begrei­fen und die­ses Gesamt­volk, wo immer mög­lich als Trä­ger der deut­schen Geschich­te zu set­zen” (Her­mann Aubin). Die His­to­ri­ker woll­ten einen Bei­trag zur Neu­be­sin­nung der Deut­schen nach der Nie­der­la­ge von 1918 leis­ten. Ähn­lich wie im Zeit­al­ter der Befrei­ungs­krie­ge sei­en zunächst geis­ti­ge Anstren­gun­gen erfor­der­lich, um den Zustand der Bedro­hung und Macht­lo­sig­keit von Volk und Nati­on zu über­win­den. Die auch mit his­to­ri­schen Argu­men­ten vor­ge­brach­ten fran­zö­si­schen und pol­ni­schen Ansprü­che auf deut­sches Land woll­te man begrün­det zurückweisen.
Zen­tren der „Volks­ge­schich­te” waren die lan­des­ge­schicht­li­chen Insti­tu­te an den Uni­ver­si­tä­ten in Bonn, Leip­zig und Inns­bruck. Die Volks­ge­schich­te war metho­disch außer­or­dent­lich inno­va­tiv und zugleich inter­dis­zi­pli­när aus­ge­rich­tet. Neu war vor allem die Ver­bin­dung his­to­ri­scher und kar­to­gra­phi­scher Ver­fah­ren und die enge Zusam­men­ar­beit mit der Sprach­wis­sen­schaft, der Volks­kun­de und den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten. Beson­ders der Bon­ner His­to­ri­ker Her­mann Aubin (1885–1969) schritt metho­disch vor­an. In sei­nen gemein­sam mit dem Sprach­wis­sen­schaft­ler Theo­dor Frings und dem Volks­kund­ler Josef Mül­ler ver­faß­ten Kul­tur­strö­mun­gen und Kul­tur­pro­vin­zen in den Rhein­lan­den wur­de das neue Kon­zept erst­mals bei­spiel­haft umge­setzt. In Leip­zig war es Rudolf Kötzschke (1867–1949), der auf ähn­li­che Wei­se den ost­mit­tel­deut­schen Raum erforsch­te, und in Inns­bruck Adolf Hel­bok. Zum Kreis der Volks­ge­schicht­ler gehör­ten außer­dem die His­to­ri­ker Otto Brun­ner und Erich Key­ser, der Sozio­lo­ge Gun­ther Ipsen sowie die Sprach­wis­sen­schaft­ler Franz Stein­bach und Ernst Schwarz. Her­mann Aubin und ande­re Ver­tre­ter der Volks­ge­schich­te waren es auch, die gemein­sam mit Volks­kund­lern den Anstoß zu dem gro­ßen Raum­werk der deut­schen Volks­kun­de, dem Atlas der deut­schen Volks­kun­de (ADV), gaben.

Vor allem Otto Brun­ner (1898–1982) und Wer­ner Con­ze (1910–1986) lie­ßen nach dem Krieg vie­le metho­di­sche Neue­run­gen der Volks­ge­schich­te in die moder­ne Sozi­al­ge­schich­te ein­flie­ßen. Dabei war in den fünf­zi­ger Jah­ren ein gemä­ßigt natio­nal­ge­schicht­li­cher Stand­punkt durch­aus noch vor­herr­schend. Das änder­te sich bekannt­lich mit der kul­tu­rel­len Wen­de von 1968. Die per­so­nel­le Kon­ti­nui­tät der Volks­ge­schich­te in der deut­schen Nach­kriegs­wis­sen­schaft ist der Grund, war­um spä­tes­tens seit dem Frank­fur­ter His­to­ri­ker­tag von 1998 eine Grup­pe von lin­ken His­to­ri­kern – hier sind Götz Aly, Micha­el Fahl­busch, Peter Schött­ler und Ingo Haar zu nen­nen – zum Sturm auf die Grün­der­fi­gu­ren der deut­schen Sozi­al­ge­schich­te nach dem Zwei­ten Welt­krieg gebla­sen hat. Selbst alt­lin­ke Ver­tre­ter der His­to­ri­ker­zunft wie Hans-Ulrich Weh­ler und Hein­rich August Wink­ler gerie­ten plötz­lich in die Schuß­li­nie und erschie­nen als „Apo­lo­ge­ten” NS-belas­te­ter Traditionen.
Die Kri­ti­ker wer­fen der „Volks­ge­schich­te” nicht nur ideo­lo­gi­sche Nähe zum Natio­nal­so­zia­lis­mus und die Ver­stri­ckung eini­ger Ver­tre­ter in die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ost­raum­pla­nung, son­dern gene­rell ihre „eth­no­zen­tri­sche” Hal­tung vor. Da ist die Rede von einer „ver­werf­li­chen Volks­tums­ideo­lo­gie”, die dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und sei­nen Ver­bre­chen vor- und zuge­ar­bei­tet habe. Die Kri­ti­ker über­se­hen dabei, daß in jener Zeit das Bekennt­nis zu Volk und Hei­mat für die gro­ße Mehr­heit der Deut­schen noch selbst­ver­ständ­lich war. Ver­werf­lich ist eine „eth­no­zen­tri­sche” Hal­tung erst dann, wenn sie dazu führt, daß sach­li­che Stan­dards in der Wis­sen­schaft oder ethi­sche Stan­dards im Ver­hält­nis zu den Men­schen ande­rer Völ­ker ver­letzt wer­den. Daß in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus die Gefahr der Ver­stri­ckung groß war und sich nicht alle Wis­sen­schaft­ler so ver­hiel­ten, wie wir es uns heu­te wün­schen wür­den, sei unbestritten.
Adolf Hel­bok, der Ver­fas­ser der von Gra­bert neu auf­ge­leg­ten Deut­schen Volks­ge­schich­te, wur­de am 2. Febru­ar 1883 in Hit­tis­au im öster­rei­chi­schen Vor­arl­berg als Sohn eines Beam­ten gebo­ren. Nach der Matu­ra und einem Frei­wil­li­gen­jahr bei den Tiro­ler Kai­ser­jä­gern stu­dier­te er in Inns­bruck Geschich­te und pro­mo­vier­te 1910 mit einer Arbeit über die Ver­wal­tung der Stadt Bre­genz im Mit­tel­al­ter. 1923 wur­de er zum außer­or­dent­li­chen Pro­fes­sor für Geschich­te und Wirt­schafts­ge­schich­te in Inns­bruck beru­fen. Er ent­wi­ckel­te ein Kon­zept einer aus­ge­wei­te­ten Sied­lungs­for­schung, die den „tie­fe­ren Lebens­zu­sam­men­hän­gen zwi­schen Men­schen und Boden” nach­spü­ren und neben Haus­for­schung und Flur­na­men­for­schung auch die Fami­li­en­ge­schich­te berück­sich­ti­gen soll­te. Hel­bok trug sei­ne Vor­stel­lun­gen gemein­sam mit Her­mann Aubin auf dem Frank­fur­ter His­to­ri­ker­tag von 1924 vor, der für die „Volks­ge­schich­te” den Durch­bruch zur Aner­ken­nung in der eta­blier­ten His­to­ri­ker­schaft bedeu­te­te. 1929 wur­de er mit der Lei­tung des Atlas der deut­schen Volks­kun­de in Öster­reich beauf­tragt. Schon drei Jah­re spä­ter über­nahm er die Gesamt­lei­tung des ADV in Ber­lin. Wegen Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten über die Durch­füh­rung des Atlas­un­ter­neh­mens gab er die Lei­tung bereits 1933 wie­der auf und kehr­te nach Inns­bruck zurück. Wäh­rend sei­ner Zeit in Ber­lin ist Hel­bok im April 1933, zwei Mona­te nach der „Macht­er­grei­fung”, der NSDAP beigetreten.

Wie­der in Öster­reich, geriet Hel­bok in Wider­spruch zu dem dort herr­schen­den „aus­tro­fa­schis­ti­schen” Regime der Regie­rung Doll­fuß. 1934 schließ­lich wur­de er wegen anti­kle­ri­ka­ler und „pan­ger­ma­ni­scher” Akti­vi­tä­ten von der Uni­ver­si­tät Inns­bruck beur­laubt und zwangs­pen­sio­niert. In die­ser Situa­ti­on ging der mitt­ler­wei­le 51jährige Hel­bok wie­der nach Deutsch­land, wo er zunächst eine Gast­pro­fes­sur in Ber­lin über­nahm und ein Jahr spä­ter an das Insti­tut für Deut­sche Lan­des- und Volks­ge­schich­te in Leip­zig wechselte.
Wäh­rend die Mehr­heit der Ver­tre­ter der Volks­ge­schich­te bür­ger­lich-natio­nal, aber nicht natio­nal­so­zia­lis­tisch ein­ge­stellt war, gehör­te Adolf Hel­bok zu den­je­ni­gen unter ihnen, die man als über­zeug­te Natio­nal­so­zia­lis­ten bezeich­nen kann. Den­noch erreg­te auch er Anstoß, etwa wenn er den Bei­trag der „nicht nor­di­schen Ras­sen” zum deut­schen Volk als kon­sti­tu­tiv ansah und ent­spre­chend posi­tiv bewer­te­te. Es gab zwar Intri­gen gegen ihn, doch konn­ten die ihm nicht wirk­lich gefähr­lich werden.
In Ber­lin hat­te sich Hel­bok mit dem dama­li­gen Rek­tor der Uni­ver­si­tät, dem Anthro­po­lo­gen Eugen Fischer ange­freun­det. Unter des­sen Ein­fluß nahm er immer mehr bio­lo­gi­sche Gedan­ken­gän­ge in sein Kon­zept der Volks­ge­schich­te auf. Die Volks­ge­schich­te soll­te nach sei­ner Vor­stel­lung nicht nur die Kul­tur- und Sozi­al­ge­schich­te, son­dern auch die bio­lo­gi­schen Siebungs- und Aus­le­se­vor­gän­ge umfas­sen, die mit der sozia­len und regio­na­len Mobi­li­tät der Men­schen in einem Volk ver­bun­den sind. In der Ober­schicht, an den Fürs­ten­hö­fen, in den Zünf­ten und in den evan­ge­li­schen Pfarr­häu­sern, in den Rodungs­ge­bie­ten des Mit­tel­al­ters und in den Resi­denz­städ­ten hät­ten sich bestimm­te Bega­bungs­ty­pen ange­rei­chert, die dann prä­gend auf ihr kul­tu­rel­les Umfeld wirkten.
Nach­dem in Leip­zig die Finan­zie­rung sei­ner For­schungs­vor­ha­ben unter ande­rem durch die nega­ti­ve Bewer­tung sei­tens poli­ti­scher Stel­len zum Still­stand gekom­men war, kehr­te Hel­bok 1941 wie­der nach Inns­bruck zurück, wo er sei­ne Lehr­tä­tig­keit wie­der auf­nahm. Nach 1945 wur­de er von der Uni­ver­si­tät Inns­bruck wegen sei­ner NS-Ver­gan­gen­heit ent­las­sen und unter Kür­zung sei­ner Pen­si­on in den dau­ern­den Ruhe­stand versetzt.
In den Nach­kriegs­jah­ren schlug sich Hel­bok als Zie­gen­züch­ter in den Tiro­ler Ber­gen durch. 1953 gelang es ihm aber, als einer der Initia­to­ren des Öster­rei­chi­schen Volks­kun­de­at­las­ses noch ein­mal eine Rol­le in einer wis­sen­schaft­li­chen Insti­tu­ti­on zu spie­len. 1963 ver­öf­fent­lich­te Hel­bok sei­ne Lebens­er­in­ne­run­gen, eines jener typi­schen Recht­fer­ti­gungs­bü­cher NS-belas­te­ter Pro­mi­nen­ter, nicht frei von Ver­bit­te­rung, ins­be­son­de­re über das ver­meint­li­che Unrecht sei­ner Ent­las­sung im Jahr 1945. Er sah im Natio­nal­so­zia­lis­mus nach wie vor eine Revo­lu­ti­on hin zum Gesun­den und Guten, die aller­dings durch inkom­pe­ten­te und kor­rup­te Amts­trä­ger beschä­digt wor­den sei. Der Krieg und die Unter­jo­chung ande­rer Völ­ker sei­en die ent­schei­den­den Feh­ler gewe­sen, die alles Erreich­te wie­der zunich­te mach­ten. Hel­bok starb 85jährig am 29. Mai 1968 in Göt­zens bei Innsbruck.

Schon wäh­rend des Krie­ges hat­te Hel­bok an einer umfas­sen­den Geschich­te des deut­schen Vol­kes unter volks­ge­schicht­li­chem Gesichts­punkt gear­bei­tet. Es soll­te eine „Deut­sche Wesens­ge­schich­te” wer­den. Das bei Kriegs­en­de bereits in wesent­li­chen Tei­len fer­tig­ge­stell­te und in den fol­gen­den Jah­ren noch ein­mal über­ar­bei­te­te Werk erschien 1964 und 1967 unter dem Titel Deut­sche Volks­ge­schich­te in zwei Bän­den mit ins­ge­samt mehr als 800 Sei­ten im Deut­schen Hoch­schul­leh­rer­ver­lag, dem Vor­gän­ger des Grabert-Verlages.
Das Buch beginnt mit dem „Wesens­bild” der Ger­ma­nen. Die sei­en ein rei­nes Bau­ern­volk gewe­sen, des­sen gan­zes Den­ken auf der Idee vom „guten Blut” beruht habe. Die Ober­schicht der frei­en Bau­ern hät­te auf ihre ras­si­sche „Art­rein­heit” geach­tet und sich von der Mischung mit min­der „nord-ras­si­schen” Frem­den und Ange­hö­ri­gen der Unter­schicht fern­ge­hal­ten. Die Welt­an­schau­ung der Ger­ma­nen war dies­sei­tig aus­ge­rich­tet und mit ihrem kos­mi­schen Den­ken allen Ideen aus dem Mit­tel­meer­raum über­le­gen. Der Unter­gang des Römi­schen Rei­ches ist für Hel­bok die Fol­ge des Aus­ster­bens der nor­di­schen Ras­se bei den füh­ren­den Geschlech­tern der Römer. Die Ger­ma­nen beerb­ten Rom, nah­men mit der medi­ter­ra­nen Kul­tur und dem Chris­ten­tum aber auch den Keim ihres eige­nen Nie­der­gan­ges auf. Die Kir­che hat­te kein Ver­ständ­nis für die „art­pfle­ge­ri­sche” Gat­ten­wahl der Ger­ma­nen. Den­noch waren die Deut­schen des Mit­tel­al­ters noch „art­be­wuß­te” Men­schen, und die Annah­me des Chris­ten­tums nur äußer­lich. Das Zöli­bat führ­te zum Aus­ster­ben der ade­li­gen Fami­li­en. Trotz­dem habe die Durch­schnitts­be­ga­bung der Deut­schen noch um 1350 heu­ti­gen Spit­zen­be­ga­bun­gen ent­spro­chen. Die Ent­ste­hung der Städ­te im Spät­mit­tel­al­ter beschleu­nig­te den Nie­der­gang. Zwar war das Bür­ger­tum eine sozia­le Leis­tungs­aus­le­se, aber die städ­ti­sche Kul­tur führ­te zur Ver­mas­sung der Men­schen und för­der­te die Ras­sen­mi­schung. Das 16. Jahr­hun­dert bedeu­te­te zwar noch ein­mal eine gro­ße Zeit der Deut­schen – Luther war der „ewi­ge Deut­sche” -, aber auch die Refor­ma­ti­on konn­te den Nie­der­gang nicht mehr auf­hal­ten. Die Ideen der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on waren „Gift” für die Deut­schen. Die Indus­tria­li­sie­rung ver­stärk­te die Ten­denz zur Auf­lö­sung und Ver­mas­sung. Hel­boks Buch endet mit der Wei­ma­rer Repu­blik, die „aus ihrer Unmög­lich­keit im Sin­ne unse­rer ger­ma­ni­schen Her­kunft” her­aus schei­tern muß­te. Der Natio­nal­so­zia­lis­mus und der Zwei­te Welt­krieg kom­men in Hel­boks Buch nicht mehr vor – in „wei­ser Beschrän­kung”, wie Her­aus­ge­ber Her­bert Gra­bert im Vor­wort zur ers­ten Auf­la­ge schreibt.
Das gan­ze Werk ist in einem pathe­ti­schen Stil geschrie­ben, der für den heu­ti­gen Leser – zumin­dest geht es dem Rezen­sen­ten so – nur noch schwer zu ertra­gen ist. Der Gegen­satz zwi­schen den guten und sit­ten­rei­nen Ger­ma­nen und ihren heim­tü­cki­schen und ver­dor­be­nen Fein­den, dem Chris­ten­tum, der medi­ter­ra­nen Zivi­li­sa­ti­on und der west­li­chen Demo­kra­tie, durch­zieht das gan­ze Buch. Das Geschichts­bild, das Hel­bok in sei­nem Buch aus­brei­tet, ist das der Völ­ki­schen der zwan­zi­ger und drei­ßi­ger Jah­re, wie es Hans F. K. Gün­ther und Walt­her Dar­ré ver­tra­ten. Vom Natio­nal­so­zia­lis­mus unter­schei­det sich Hel­boks Welt­an­schau­ung dadurch, daß die Juden in ihr nur am Ran­de vor­kom­men und die aggres­si­ve außen­po­li­ti­sche Kom­po­nen­te fehlt. Daß sein Buch wis­sen­schaft­li­chen Ansprü­chen nicht genügt – auch nicht denen sei­ner Zeit – , muß wohl nicht beson­ders her­vor­ge­ho­ben wer­den. So ist lei­der fest­zu­stel­len, daß die Neu­auf­la­ge von Hel­boks Volks­ge­schich­te nicht begrüßt wer­den kann.

Heißt das nun, daß die Ein­be­zie­hung anthro­po­lo­gisch-bio­lo­gi­scher Fra­gen in eine moder­ne Geschichts­schrei­bung grund­sätz­lich ver­fehlt wäre? Daß sie an sich unwis­sen­schaft­lich und „ver­werf­lich” wäre? – Die Ant­wort dar­auf ist ein kla­res Nein! Es kommt viel­mehr dar­auf an, wie man mit bevöl­ke­rungs­bio­lo­gi­schen The­men umgeht, ob man sie als wis­sen­schaft­li­che Fra­gen stellt und empi­risch zu beant­wor­ten sucht, oder ob man sie wie Hel­bok als gege­be­ne Tat­sa­chen setzt und zugleich mit kräf­ti­gen Wer­tun­gen ver­sieht. Die Human­bio­lo­gie hat bei Hel­bok die Funk­ti­on einer „black box”, mit deren Hil­fe er sei­ne Wer­tun­gen und Vor­ur­tei­le in die Geschich­te hin­ein­trägt. Es han­delt sich bei sei­ner Leh­re nicht um Wis­sen­schaft, son­dern um Glauben.
Das ändert aber nichts dar­an, daß jedes Volk auch sei­ne bio­lo­gi­sche Geschich­te hat. In den regio­na­len Dif­fe­ren­zie­run­gen von Haar- und Augen­far­be, Phy­sio­gno­mie, Kör­per­ge­stalt und gene­ti­schen Poly­mor­phis­men inner­halb Deutsch­lands spie­gelt sich des­sen Bevöl­ke­rungs­ge­schich­te wider. Ger­ma­nen, Kel­ten und Sla­wen haben in regio­nal unter­schied­li­chem Maße ihre Spu­ren hin­ter­las­sen. Selbst loka­le Wan­de­rungs­er­eig­nis­se wie die Ansied­lung von Huge­not­ten las­sen sich noch anhand des Merk­mals­bil­des der heu­ti­gen Bevöl­ke­rung nachvollziehen.
Außer den regio­na­len gibt es auch sozia­le Dif­fe­ren­zie­run­gen. Tat­säch­lich unter­schei­den sich die Ange­hö­ri­gen unter­schied­li­cher sozia­ler Schich­ten und Berufs­grup­pen im Mit­tel sowohl in ihrem IQ als auch in ande­ren psy­cho­lo­gi­schen, anthro­po­lo­gi­schen und gene­ti­schen Merk­ma­len. Wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen zei­gen, daß die­se Unter­schie­de nicht nur auf Ein­flüs­sen der sozia­len Umwelt, son­dern auch auf sozia­len Siebungs­pro­zes­sen beru­hen. Begab­ten Men­schen gelingt der sozia­le Auf­stieg in eine höhe­re Sozi­al­schicht eher als weni­ger begab­ten, und vie­le unter­durch­schnitt­lich Begab­te in der Ober­schicht kön­nen sich dort auf Dau­er nicht hal­ten. Auch in der stän­di­schen Gesell­schaft der Vor­mo­der­ne gab es immer ein gewis­ses Maß an sozia­ler Mobi­li­tät, das seit dem 19. Jahr­hun­dert stark zuge­nom­men hat. Die unter­schied­lich star­ke Fort­pflan­zung in den sozia­len Schich­ten führt schließ­lich dazu, daß sich die anthro­po­lo­gi­sche und gene­ti­sche Zusam­men­set­zung des gesam­ten Vol­kes verändert.
Das sind inter­es­san­te und wich­ti­ge Fra­gen, die nicht nur für die Geschich­te, son­dern auch für die Gegen­wart von Bedeu­tung sind.

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