hat mit Kollegen der Zeit und nach „intensiver Recherche“ ermittelt, daß es in eben diesem Beschäftigungszeitraum nicht 47 Todesopfer rechter Gewalt gegeben habe, wie Polizei und Bundesministerien vorrechnen, sondern mindestens 137.
Diese erschreckende Nachricht wird dieser Tage – zeitlich passend in der Mitte zwischen Sarrazin-Debatte und Einheitsjubliäum – auf allen Kanälen verkündet.
Zeit-online hat dazu eine drastisch anmutende interaktive Karte konzipiert, bei der es im Verlauf der Jahre scheint, als werde das Land sukzessive mit Blutspritzern übersät. Textlich wird heftig an der Mahnglocke gezerrt:
Der Rechtsextremismus, mit seinem Hass, seiner Hetze, seiner Gewalt, trifft Deutschland seit der Wiedervereinigung in einem Maße, das sich niemand vor dem 3. Oktober 1990 hätte vorstellen können. Rechter Straßenterror hat in den 20 Jahren Einheit mindestens 137 Menschen das Leben gekostet. In die Freude über zwei Jahrzehnte Einheit mischen sich Entsetzen und Scham. (…)Es gibt keinen Flecken in der Bundesrepublik, in dem ein rechtsextremer Mord unvorstellbar ist. Diese bittere Lektion hat das Land in den vergangenen 20 Jahren lernen müssen. (…)Es ist zu befürchten, dass der rechte Straßenterror anhält.
Natürlich ist die nun als sensationell vorgetragene Sache mit den „verschwiegenen Opfern rechter Gewalt“ ein älterer Hut. Die Künstlerin Rebecca Forner arbeitete schon 2000–2004 an einer entsprechenden Ausstellung, die mit eben diesen Zahlen operiert und durch die Lande tourt. Bereits bezogen auf diese Schau zu „Opfern rechter Gewalt“ zog Andreas Nachama („Topographie des Terrors“) den so unvermeidlichen wie haarsträubenden Vergleich:
Vielen Besuchern geht es bei der Betrachtung der Opfer aus den letzten zwölf Jahren so wie vielen, die die Dokumente aus dem Nationalsozialismus sehen.
Wie kommt es zur Diskrepanz zwischen den Zahlen der Behörden und denen der „Experten“? Bis 2001, sagt Jansen, wurde als „rechtsextreme Straftat“ nur gewertet, wenn der Täter mit seiner Tat das gesamte politische System attackieren wollte. Heute habe zwar auch jeder Angriff auf eine Person allein aufgrund deren sozialen Status als „rechtsextremer Übergriff“ zu gelten (also etwa, wenn ein Obdachloser verprügelt wird), aber das sei noch nicht zu allen zuständigen Behörden durchgedrungen bzw. werde absichtlich nicht beherzigt.
Jansen wies bereits 2005 unter Verweis auf Einlassungen des Kriminologen Christian Pfeiffer darauf hin, daß „die tatverstärkende Wirkung rechter Ideologien, selbst wenn es sich nur um Fragmente handelt, bei der Bewertung vieler Gewalttaten von den Behörden nicht angemessen berücksichtigt“ werde. Eine rechte Einstellung oder auch nur das unreflektierte Mitmischen in einer als „rechts“ geltenden Jugendkultur gilt als potentiell „tatverstärkend“. Also: Wenn ein NPD-Mitglied seine Freundin erstäche, wäre das keine bösartige Beziehungstat, sondern ein Fall rechtsradikaler Gewalt.
Diesem Muster entsprechend liest sich auch die Vielzahl der von unseren Experten angeprangerten Fälle. Auf sämtlichen Netzseiten, die sich nun mit dem angeblich verschwiegenen Naziterror auf unseren Straßen beschäftigen, äußern sich die Leser in Kommentatoren überwiegend skeptisch zu der als aufgebauscht empfundenen Gefahr. Die „Experten“ haben beispielsweise auch Fälle aufgenommen, bei denen der „Täter“ wegen Notwehr freigesprochen wurde. Immer wieder wird gefragt, ob es ähnliche Statistiken auch zu „umgekehrtem Rassismus“ gäbe, oder ob von linker Gewalt heute nicht eine größere Bedrohung ausgehe. (Übrigens hat es nicht den Anschein, daß solche Kommentatoren dezidiert „Rechte“ wären.) Gute, wichtige Fragen, die von den redaktionellen Moderatoren solcher Diskussionen gern mit der stereotypen Anweisung gekontert werden: “Kehren Sie bitte zum Thema des Artikels zurück”.
Beispielsweise Markus auf netzpolitik.org:
Das sind natürlich 141 Tode (es gibt eine stark schwankende „Dunkelziffer“, E.K.) zu viel, aber trotzdem ein spitzen Ergebnis. Es sterben wahrscheinlich die doppelte oder dreifache Anzahl an Menschen auf den gleichen Zeitraum an Bienenstichen oder an rostigen Nägeln.Der Kampf gegen Rechts hat sich eindeutig gelohnt. Ich bin zufrieden!
Auf sueddeutsche.de schreibt ein Leser:
Besonders perfide wird die Sache mit der “rechten Gewalt”, wenn politische Vorgaben die Definition bestimmen. Beispiel gefällig? Ein Anhänger der türkischen rechtsradikalen Organisation tötet in Deutschland einen anderen Mitbürger. Als was fließt dieser Getötete in die Statistik ein? Richtig, als Oper rechter Gewalt. Hier verhält es sich wie mit den Fußnoten in den Mobilfunkbroschüren. Wer nicht ganz genau hinschaut wird in die Irre geführt und über den Tisch gezogen. Diese politisch beeinflußten Statistiken sind einfach nur haarsträubend.
Und um die Zahlen einmal in eine Beziehung zu setzen: Seit Jahren sterben in Deutschland rund 2500 Menschen durch Mord oder Totschlag – wohlgemerkt: Jahr für Jahr.
Rudolf
Die Todes-Liste rechter Gewalt ist wohl ein "Mit Zahlen tricksen" für Anfänger.
Es findet sich z.B. folgendes darin:
Da begeht ein Jugendlicher einen sogenannten "Amoklauf", tötet seine Schwester, drei Passanten und sich selbst, aber weil er anstatt eines "Che Guevera"-Posters "Ihn" im Zimmer hängen hat, gilt dies natürlich als rechte Gewalt.
Gut, dass der Täter von Winnenden nicht bei der Linksjugend war!
Eine Liste der rechten Mordtaten findet sich u.a. hier: https://www.gelsenzentrum.de/liste_opfer_gewalt.pdf
Ein gnadenloser Verharmloser, wer auch bei Fällen wie diesem:
sich seinen Teil denkt...