Das ist eines der Ergebnisse einer am Dienstag vorgestellten repräsentativen Studie über die „Jugend 2009 in Sachsen“, die von der Sozialministerin des Freistaates, Christine Clauß (CDU), in Auftrag gegeben wurde. Die notwendige Schlußfolgerung: Überfremdung wird nicht als existentielle Bedrohung empfunden, Arbeitslosigkeit schon.
Zunächst zu den Fakten: Befragt wurden 15 bis 26 Jahre alte Sachsen zu ihren Lebenswerten und politischen Einstellungen. So lautete eine Frage: „Ist für Sie persönlich ein Zusammenleben vorstellbar bzw. gegenwärtig schon zutreffend mit einem Ausländer?“ Nur 18 Prozent der erwerbstätigen jungen Sachsen bejahen das. 65 Prozent der Befragten meinen zudem, der Ausländeranteil in Deutschland sei generell zu hoch. Knapp über die Hälfte empfindet sogar die 85.000 Ausländer im Freistaat (2,7 Prozent der Gesamtbevölkerung) als zu viel, obwohl es sich dabei hauptsächlich um Osteuropäer handelt. Nach offizieller Statistik leben nur 4.000 Türken in Sachsen, eine Islamisierungsgefahr gibt es nicht.
Mancher wundert sich darüber, daß gerade dort, wo am wenigsten Ausländer leben, die Ablehnung ihnen gegenüber am größten ist. Doch das erklärt sich ganz leicht: Die sächsischen Jugendlichen können noch ziemlich zuverlässig zwischen eigen und fremd unterscheiden, währenddessen es für viele Westdeutsche inzwischen „normal“ sein dürfte, in einer bunt durchmischten Gesellschaft zu leben.
Was viel mehr aufschrecken sollte, ist die Konsequenzlosigkeit dieser Meinung. Die Mehrheit der jungen Sachsen würde nach Westdeutschland umziehen, wenn dort die persönlichen Zukunftschancen größer sind als in der Heimat. Umgekehrt gilt ähnliches: Bisher kommen nur wenige nach Mitteldeutschland , weil sie die multikulturelle Gesellschaft im Westen satt haben und ihren Kindern den Kampf im Klassenzimmer ersparen wollen.
Die Inkonsequenz zwischen Wahrnehmung und Handeln erklärt sich so: Die Wahrnehmung der Überfremdung bewegt sich auf der Ebene der Meinungen. Man wird ja wohl noch sagen dürfen, daß in Deutschland zu viele Ausländer leben. Aber Konsequenzen? Noch hat niemand eine Bürgerwehr gegründet. Noch kann sich eben jeder vor jedem an jedem Ort so stark abschotten, daß in der einen Wohnung gegen Ausländer gehetzt wird und die Nachbarn gerade das Ende des Ramadan feiern.
Das macht die eigentliche Tragweite des Zerfalls des deutschen Volkes deutlich: Mit etwas Optimismus betrachtet, mag die Mehrheit der Deutschen noch das Richtige meinen. In vielen verschlossenen Räumen fliegen verbal die Fetzen. Aber was bringt das schon, wenn am Ende doch alle nur nach ihrem persönlichen Vorteil handeln?
Hansdampf
Klar, Arbeitslosigkeit wird als individuelle Schmach empfunden - Überfremdung ist eher ein gesellschaftliches Phänomen, das nicht direkt auf die ,,Sinnfragen" und materiellen Nöte des Einzelnen sich auswirkt.
Erstaunlich ist es aber immer wieder, dass gerade dort, wo es kaum Ausländer gibt, die Angst am Größten ist - dies könnte man doch tatsächlich im Zusammenhang mit der These sehen, dass in vielen Gebieten des Ostens wohl tatsächlich nur noch die etwas weniger gesegneten verbleiben (ohne das Problem generell kleinreden zu wollen).