Robert Redeker und die islamophile Linke

pdf der Druckfassung aus Sezession 23/April 2008

sez_nr_238von Daniel Leon Schikora

Dem Kabarettisten Hagen Rether gebührt das Verdienst, im Rahmen der ARD-Kabarettsendung „Scheibenwischer" vom 29. Dezember 2007 eine der Lieblingsbeschäftigungen „politisch korrekter" Tugendwächter unserer Republik in extenso vorgeführt zu haben: den Kampf gegen die „Islamophobie". Rether tat dies keineswegs in einer kritisch reflektierenden Weise, sondern (offenkundig ernst gemeint) polemisch. Sein Verdienst wird dadurch jedoch keinesfalls geschmälert: Er spitzte die Argumentationsmuster der multikulturalistischen Kämpfer gegen das „Feindbild Islam" derart zu, daß sie - ungewollt - die Abstrusität der islamophilen Haltung deutscher (und europäischer) Linker offenlegten.


Ana­log zu den sich selbst als „zivil­cou­ra­giert” begrei­fen­den Ver­fech­tern eines im Jahr 2000 sogar regie­rungs­of­fi­zi­ell pro­kla­mier­ten „Auf­stands der Anstän­di­gen” (Ger­hard Schrö­der) gegen „Rechts”, prä­sen­tiert sich Rether als der vor Kühn­heit zit­tern­de Rebell, der sich dem „aktu­el­len Lieb­lings­spiel der Deut­schen”, dem „Mos­lem-Bas­hing”, ver­wei­gert – und der statt des­sen die für ter­ro­ris­ti­sche Akti­vi­tä­ten „in Sip­pen­haft” (sic!) genom­me­nen Mus­li­me vor der „Prä­ven­tiv-Para­noia” sei­ner Lands­leu­te in Schutz nimmt. Hen­ryk M. Bro­der, Ralph Giord­a­no und sogar Gün­ter Wall­raff stellt Rether als Stich­wort­ge­ber einer faschis­to­iden anti­mus­li­mi­schen Meu­te dar. Tat­säch­lich gehö­ren die­se drei Per­sön­lich­kei­ten zwar kei­nem gemein­sa­men poli­ti­schen Lager (etwa irgend­ei­ner „Anti-Islam-Par­tei”) an, stim­men aber zumin­dest in einem Punkt über­ein: Ihre islam(ismus)-kritischen Stel­lung­nah­men haben weder eine frem­den­feind­li­che oder gar „ras­sis­ti­sche” Ten­denz, noch haben sie jemals die Men­schen- und Bür­ger­rech­te eines Mus­lims in Fra­ge gestellt, etwa indem sie von ihm ver­langt hät­ten, sei­nem Glau­ben abzuschwören.
Für die rea­len mus­li­mi­schen Opfer des von „Isla­mo­pho­ben” the­ma­ti­sier­ten isla­mi­schen Inte­gris­mus inmit­ten Deutsch­lands hat Rether hin­ge­gen nur Hohn und Spott übrig: „Und dann noch ’ne Pri­se Zwangs­hei­rat und ’ne Pri­se Ehren­mord, und dann haben wir den bösen Mos­lem. Wir backen uns einen Feind, zuge­schaut und mit­ge­graut.” Ralph Giord­a­nos Absa­ge an einen „Mul­ti-Kul­ti-Kuschel­kurs” kon­tert Rether, wie folgt: „Die Alter­na­ti­ve zum Kuschel­kurs, die kön­nen wir seit zwan­zig, drei­ßig, vier­zig Jah­ren im Nahen Osten uns angu­cken.” In die­ser Logik könn­te die Tat­sa­che, daß seit 2003 über eine hal­be Mil­li­on ira­ki­scher Chris­ten ihre Hei­mat ver­las­sen muß­te, dar­auf zurück­ge­führt wer­den, daß die christ­li­chen Gemein­schaf­ten des Irak sich zu wenig tole­rant gegen­über der mus­li­mi­schen Mehr­heits­be­völ­ke­rung ver­hal­ten hätten.
Dar­über hin­aus ver­steigt sich Rether – ohne ein Gran an Selbst­iro­ni­sie­rung erken­nen zu las­sen – zu der Unter­stel­lung, im Fal­le einer Auf­füh­rung von Mon­ty Pythons „Das Leben des Bri­an” im Köl­ner Dom wür­den von katho­li­schen Fana­ti­kern „fun­da­men­ta­lis­ti­sche” (Gewalt-)Akte aus­ge­hen, wie sie tat­säch­lich von jenen isla­mi­schen Fun­da­men­ta­lis­ten ver­übt wer­den, die in Sal­man Rush­dies Sata­ni­schen Ver­sen eine ahn­dungs­wür­di­ge Got­tes­läs­te­rung sehen (deret­we­gen Aya­tol­lah Kho­mei­ni 1989 zur Tötung des Schrift­stel­lers auf­rief – ein Mord­auf­ruf gegen einen EG/EU-Bür­ger, den die Isla­mi­sche Repu­blik Iran bis heu­te nicht zurück­ge­nom­men hat).

Nicht ein­mal vor einer aus­drück­li­chen Iden­ti­fi­ka­ti­on gegen­wär­ti­ger Abnei­gung gegen „den Islam” mit der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gewalt­herr­schaft schreckt Rether zurück: „Wir hat­ten hier schon mal ’ne Zeit in Deutsch­land, wo man Bücher für gefähr­lich hielt”, mahnt er, wohl ohne zu mer­ken, daß er durch his­to­ri­sche Ver­glei­che die­ser Art – mit Blick auf Bücher­ver­bren­nun­gen in isla­mis­tisch regier­ten Län­dern – sehr schnell auf sich selbst den Ver­dacht der „Isla­mo­pho­bie” zie­hen könnte.
Zu dem Zeit­punkt, als in Deutsch­land Rethers Phil­ip­pi­ka gegen „Isla­mo­pho­bie” aus­ge­strahlt wur­de (die durch­aus die Stim­mungs­la­ge des gela­de­nen Publi­kums zu tref­fen schien), befand sich der Fran­zo­se Robert Rede­ker bereits 15 Mona­te lang in einem Zustand, den er selbst – kei­nes­falls dra­ma­ti­sie­rend – dadurch cha­rak­te­ri­sier­te, daß er zu einem „Flücht­ling im eige­nen Land” gewor­den sei. Der Phi­lo­soph Rede­ker hat­te bis Sep­tem­ber 2006 in Tou­lou­se als Gym­na­si­al­leh­rer gear­bei­tet. Die Mög­lich­keit, die­sen Beruf wei­ter­hin aus­zu­üben, wur­de eben­so zunich­te gemacht, wie er sein Recht auf Frei­zü­gig­keit im all­ge­mei­nen nicht mehr wahr­neh­men kann – er lebt an einem gehei­men Ort, stets den Funk­kon­takt zum nächs­ten Poli­zei­pos­ten hal­tend. Selbst auf jed­we­de öffent­li­che Hand­lung im Zusam­men­hang mit der Beer­di­gung sei­nes ver­stor­be­nen (deut­schen) Vaters muß­te ver­zich­tet wer­den: „Nie­mand durf­te wis­sen, daß ein Mensch mit mei­nem Namen am Mitt­woch, dem 7. Febru­ar zu sei­ner letz­ten Ruhe­stät­te beglei­tet wur­de. Das sei zu gefähr­lich, hieß es; jemand könn­te den Trau­er­zug foto­gra­fie­ren und danach betei­lig­te Per­so­nen bedrohen.”
Was hat­te Rede­ker ver­bro­chen? In der Tages­zei­tung Le Figa­ro hat­te er unter dem Titel: „Was soll die freie Welt ange­sichts der isla­mis­ti­schen Ein­schüch­te­rungs­ver­su­che tun?”, Bezug neh­mend auf die Debat­te über die „Regens­bur­ger Rede” Papst Bene­dikts XVI. vom 12. Sep­tem­ber 2006, sei­ner­seits Chris­ten­tum und Islam in einer für den Islam unvor­teil­haf­ten Wei­se anti­the­tisch gegen­über­ge­stellt. Den Koran hat­te er „ein Buch von uner­hör­ter Gewalt” genannt und (wie zuvor Lou­is Chagnon) auf Ver­bre­chen der Früh­ge­schich­te des Islam ein­schließ­lich der vom Reli­gi­ons­stif­ter Moham­med, einem „Lehr­meis­ter des Has­ses”, ver­ant­wor­te­ten geno­zi­da­len Ver­bre­chen an dem jüdi­schen Stamm der Quray­za ver­wie­sen. Vor allem aber hat­te er davor gewarnt, Kri­ti­ker des archai­schen Cha­rak­ters der durch den Koran ver­mit­tel­ten Nor­men mit dem Stig­ma der Isla­mo­pho­bie zu bele­gen und sie – wie wäh­rend des Kal­ten Krie­ges die als Anti­kom­mu­nis­ten geschmäh­ten Kri­ti­ker des sowje­ti­schen Tota­li­ta­ris­mus – zu exkom­mu­ni­zie­ren. Nach dem Erschei­nen des Arti­kels am 19. Sep­tem­ber wur­de von isla­mis­ti­scher Sei­te prompt zu sei­ner Ermor­dung aufgerufen:

“Auf der offi­zi­el­len Web­site des Dschi­ha­dis­mus, Al Hes­bah, wur­de ich zum Tode ver­ur­teilt. Es erging ein Appell an alle Mus­li­me der Welt, mir den Kopf abzu­schnei­den: ‚Die­sem Schwein, das es gewagt hat, Moham­med zu kri­ti­sie­ren, muß der Kopf vom Leib getrennt wer­den‘, so war es auf der Web­site zu lesen. Die Mus­li­me wur­den also auf­ge­for­dert, mir das­sel­be Schick­sal zu berei­ten wie Theo van Gogh. Die­sem Todes­ur­teil hin­zu­ge­fügt wur­den mein Foto, mei­ne Adres­se, mei­ne Tele­fon­num­mer, die Adres­sen mei­ner ver­schie­de­nen Lehr­tä­tig­kei­ten und eine genaue Weg­be­schrei­bung zu mei­ner Woh­nung. Die Mör­der brauch­ten sich nur noch zu bedie­nen. Die Anwei­sung zum Mord und die Anfahrts­skiz­ze wur­den in der gan­zen Welt ver­teilt, natür­lich auch in den Vor­or­ten von Paris mit ihren isla­mis­ti­schen Netzwerken.”
Der sich der repu­bli­ka­nisch-lai­zis­ti­schen Lin­ken zuge­hö­rig füh­len­de Intel­lek­tu­el­le – Redak­ti­ons­mit­glied der von Sart­re ins Leben geru­fe­nen Zeit­schrift Les Temps Moder­nes und 2002 enga­gier­ter Unter­stüt­zer des „sou­ve­rä­nis­ti­schen” Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten Jean-Pierre Che­vè­ne­ment – muß­te im Ange­sicht der gegen ihn gerich­te­ten isla­mis­ti­schen Mord­dro­hun­gen erfah­ren, wie wenig das Gros der die Men­schen­rech­te im Mun­de füh­ren­den Lin­ken das Schick­sal eines indi­vi­du­el­len Ein­zel­nen beküm­mert, des­sen Ver­ge­hen dar­in bestand, sein Recht auf Mei­nungs­äu­ße­rungs­frei­heit wahrzunehmen:
„Die fran­zö­si­sche lin­ke, die sich immer schon gegen die Todes­stra­fe aus­ge­spro­chen hat­te, hat­te Ver­ständ­nis dafür, daß ich zum Tode ver­ur­teilt wur­de für eine Kri­tik des Islam. Sie ver­trat die Auf­fas­sung, ich hät­te ein über­aus schwe­res Ver­bre­chen began­gen. In ihren Augen bezieht sich der Lai­zis­mus immer nur auf die katho­li­sche Kir­che, nicht auf den Islam (es war, nota­be­ne, eine Regie­rung der Rech­ten, die den isla­mi­schen Schlei­er in den Schu­len ver­bot, nicht eine der Lin­ken, die sich der ent­spre­chen­den Gesetz­ge­bung ver­wei­ger­te). Gegen­über dem Katho­li­zis­mus ist die fran­zö­si­sche Lin­ke unnach­gie­big, will­fäh­rig jedoch im Fall des Islam. In den Leh­rer­zim­mern der Gym­na­si­en wur­de ich in Aus­hän­gen am Schwar­zen Brett bereits gelyncht: Da schrie­ben die Phi­lo­so­phie­leh­rer, ich hät­te schließ­lich die Mei­nungs­frei­heit mißbraucht.”
Es ver­wun­dert kaum, daß inner­halb einer sol­chen Lin­ken dem Isla­mis­mus-Opfer Rede­ker sogar vor­ge­wor­fen wur­de, daß – neben Nico­las Sar­ko­zy – auch Phil­ip­pe de Vil­liers, Prä­si­dent des natio­nal­kon­ser­va­ti­ven MPF, sich mit dem Bedroh­ten soli­da­ri­sier­te und die­ser die Soli­da­ri­täts­er­klä­rung des Rechts­ka­tho­li­ken nicht zurückwies.

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