Analog zu den sich selbst als „zivilcouragiert” begreifenden Verfechtern eines im Jahr 2000 sogar regierungsoffiziell proklamierten „Aufstands der Anständigen” (Gerhard Schröder) gegen „Rechts”, präsentiert sich Rether als der vor Kühnheit zitternde Rebell, der sich dem „aktuellen Lieblingsspiel der Deutschen”, dem „Moslem-Bashing”, verweigert – und der statt dessen die für terroristische Aktivitäten „in Sippenhaft” (sic!) genommenen Muslime vor der „Präventiv-Paranoia” seiner Landsleute in Schutz nimmt. Henryk M. Broder, Ralph Giordano und sogar Günter Wallraff stellt Rether als Stichwortgeber einer faschistoiden antimuslimischen Meute dar. Tatsächlich gehören diese drei Persönlichkeiten zwar keinem gemeinsamen politischen Lager (etwa irgendeiner „Anti-Islam-Partei”) an, stimmen aber zumindest in einem Punkt überein: Ihre islam(ismus)-kritischen Stellungnahmen haben weder eine fremdenfeindliche oder gar „rassistische” Tendenz, noch haben sie jemals die Menschen- und Bürgerrechte eines Muslims in Frage gestellt, etwa indem sie von ihm verlangt hätten, seinem Glauben abzuschwören.
Für die realen muslimischen Opfer des von „Islamophoben” thematisierten islamischen Integrismus inmitten Deutschlands hat Rether hingegen nur Hohn und Spott übrig: „Und dann noch ’ne Prise Zwangsheirat und ’ne Prise Ehrenmord, und dann haben wir den bösen Moslem. Wir backen uns einen Feind, zugeschaut und mitgegraut.” Ralph Giordanos Absage an einen „Multi-Kulti-Kuschelkurs” kontert Rether, wie folgt: „Die Alternative zum Kuschelkurs, die können wir seit zwanzig, dreißig, vierzig Jahren im Nahen Osten uns angucken.” In dieser Logik könnte die Tatsache, daß seit 2003 über eine halbe Million irakischer Christen ihre Heimat verlassen mußte, darauf zurückgeführt werden, daß die christlichen Gemeinschaften des Irak sich zu wenig tolerant gegenüber der muslimischen Mehrheitsbevölkerung verhalten hätten.
Darüber hinaus versteigt sich Rether – ohne ein Gran an Selbstironisierung erkennen zu lassen – zu der Unterstellung, im Falle einer Aufführung von Monty Pythons „Das Leben des Brian” im Kölner Dom würden von katholischen Fanatikern „fundamentalistische” (Gewalt-)Akte ausgehen, wie sie tatsächlich von jenen islamischen Fundamentalisten verübt werden, die in Salman Rushdies Satanischen Versen eine ahndungswürdige Gotteslästerung sehen (deretwegen Ayatollah Khomeini 1989 zur Tötung des Schriftstellers aufrief – ein Mordaufruf gegen einen EG/EU-Bürger, den die Islamische Republik Iran bis heute nicht zurückgenommen hat).
Nicht einmal vor einer ausdrücklichen Identifikation gegenwärtiger Abneigung gegen „den Islam” mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft schreckt Rether zurück: „Wir hatten hier schon mal ’ne Zeit in Deutschland, wo man Bücher für gefährlich hielt”, mahnt er, wohl ohne zu merken, daß er durch historische Vergleiche dieser Art – mit Blick auf Bücherverbrennungen in islamistisch regierten Ländern – sehr schnell auf sich selbst den Verdacht der „Islamophobie” ziehen könnte.
Zu dem Zeitpunkt, als in Deutschland Rethers Philippika gegen „Islamophobie” ausgestrahlt wurde (die durchaus die Stimmungslage des geladenen Publikums zu treffen schien), befand sich der Franzose Robert Redeker bereits 15 Monate lang in einem Zustand, den er selbst – keinesfalls dramatisierend – dadurch charakterisierte, daß er zu einem „Flüchtling im eigenen Land” geworden sei. Der Philosoph Redeker hatte bis September 2006 in Toulouse als Gymnasiallehrer gearbeitet. Die Möglichkeit, diesen Beruf weiterhin auszuüben, wurde ebenso zunichte gemacht, wie er sein Recht auf Freizügigkeit im allgemeinen nicht mehr wahrnehmen kann – er lebt an einem geheimen Ort, stets den Funkkontakt zum nächsten Polizeiposten haltend. Selbst auf jedwede öffentliche Handlung im Zusammenhang mit der Beerdigung seines verstorbenen (deutschen) Vaters mußte verzichtet werden: „Niemand durfte wissen, daß ein Mensch mit meinem Namen am Mittwoch, dem 7. Februar zu seiner letzten Ruhestätte begleitet wurde. Das sei zu gefährlich, hieß es; jemand könnte den Trauerzug fotografieren und danach beteiligte Personen bedrohen.”
Was hatte Redeker verbrochen? In der Tageszeitung Le Figaro hatte er unter dem Titel: „Was soll die freie Welt angesichts der islamistischen Einschüchterungsversuche tun?”, Bezug nehmend auf die Debatte über die „Regensburger Rede” Papst Benedikts XVI. vom 12. September 2006, seinerseits Christentum und Islam in einer für den Islam unvorteilhaften Weise antithetisch gegenübergestellt. Den Koran hatte er „ein Buch von unerhörter Gewalt” genannt und (wie zuvor Louis Chagnon) auf Verbrechen der Frühgeschichte des Islam einschließlich der vom Religionsstifter Mohammed, einem „Lehrmeister des Hasses”, verantworteten genozidalen Verbrechen an dem jüdischen Stamm der Qurayza verwiesen. Vor allem aber hatte er davor gewarnt, Kritiker des archaischen Charakters der durch den Koran vermittelten Normen mit dem Stigma der Islamophobie zu belegen und sie – wie während des Kalten Krieges die als Antikommunisten geschmähten Kritiker des sowjetischen Totalitarismus – zu exkommunizieren. Nach dem Erscheinen des Artikels am 19. September wurde von islamistischer Seite prompt zu seiner Ermordung aufgerufen:
“Auf der offiziellen Website des Dschihadismus, Al Hesbah, wurde ich zum Tode verurteilt. Es erging ein Appell an alle Muslime der Welt, mir den Kopf abzuschneiden: ‚Diesem Schwein, das es gewagt hat, Mohammed zu kritisieren, muß der Kopf vom Leib getrennt werden‘, so war es auf der Website zu lesen. Die Muslime wurden also aufgefordert, mir dasselbe Schicksal zu bereiten wie Theo van Gogh. Diesem Todesurteil hinzugefügt wurden mein Foto, meine Adresse, meine Telefonnummer, die Adressen meiner verschiedenen Lehrtätigkeiten und eine genaue Wegbeschreibung zu meiner Wohnung. Die Mörder brauchten sich nur noch zu bedienen. Die Anweisung zum Mord und die Anfahrtsskizze wurden in der ganzen Welt verteilt, natürlich auch in den Vororten von Paris mit ihren islamistischen Netzwerken.”
Der sich der republikanisch-laizistischen Linken zugehörig fühlende Intellektuelle – Redaktionsmitglied der von Sartre ins Leben gerufenen Zeitschrift Les Temps Modernes und 2002 engagierter Unterstützer des „souveränistischen” Präsidentschaftskandidaten Jean-Pierre Chevènement – mußte im Angesicht der gegen ihn gerichteten islamistischen Morddrohungen erfahren, wie wenig das Gros der die Menschenrechte im Munde führenden Linken das Schicksal eines individuellen Einzelnen bekümmert, dessen Vergehen darin bestand, sein Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit wahrzunehmen:
„Die französische linke, die sich immer schon gegen die Todesstrafe ausgesprochen hatte, hatte Verständnis dafür, daß ich zum Tode verurteilt wurde für eine Kritik des Islam. Sie vertrat die Auffassung, ich hätte ein überaus schweres Verbrechen begangen. In ihren Augen bezieht sich der Laizismus immer nur auf die katholische Kirche, nicht auf den Islam (es war, notabene, eine Regierung der Rechten, die den islamischen Schleier in den Schulen verbot, nicht eine der Linken, die sich der entsprechenden Gesetzgebung verweigerte). Gegenüber dem Katholizismus ist die französische Linke unnachgiebig, willfährig jedoch im Fall des Islam. In den Lehrerzimmern der Gymnasien wurde ich in Aushängen am Schwarzen Brett bereits gelyncht: Da schrieben die Philosophielehrer, ich hätte schließlich die Meinungsfreiheit mißbraucht.”
Es verwundert kaum, daß innerhalb einer solchen Linken dem Islamismus-Opfer Redeker sogar vorgeworfen wurde, daß – neben Nicolas Sarkozy – auch Philippe de Villiers, Präsident des nationalkonservativen MPF, sich mit dem Bedrohten solidarisierte und dieser die Solidaritätserklärung des Rechtskatholiken nicht zurückwies.