Vom faschistischen Eros

pdf der Duckfassung aus Sezession 36 / Juni 2010

von Siegfried Gerlich

Was ihn zum Weibe trieb, war nicht Genuß, sonder
eine Wunde, die in der Tiefe brannte.

(Ernst Jünger, Sturm)

In einer poli­ti­schen Kul­tur, die Paul Cel­ans poe­ti­sches Bild vom Tod als Meis­ter aus Deutsch­land zu einem zivil­re­li­giö­sen Dog­ma erho­ben hat, kommt die Rede von einem faschis­ti­schen Eros bei­na­he einem Sakri­leg gleich. Aber bereits der ita­lie­ni­sche Faschis­mus ent­fes­sel­te eine so heil­lo­se Gewalt­sam­keit, daß selbst ein beson­nen Urtei­len­der wie Ernst Nol­te »etwas von urtüm­lich Bösem, von zyni­scher Men­schen­ver­ach­tung und dia­bo­li­scher Freu­de an der Ernied­ri­gung des ande­ren Men­schen, von licht­lo­ser Lie­be zur Gewalt um ihrer selbst wil­len« dar­in erkann­te. Gleich­wohl galt die tiefs­te Sehn­sucht des Faschis­mus der vita­len Rege­ne­ra­ti­on der abend­län­di­schen Kul­tur, und noch sei­ne in ein ras­sis­ti­sches Ver­nich­tungs­den­ken über­schie­ßen­de Gesun­dungs­leh­re ent­sprang dem Emp­fin­den einer im Nie­der­gang begrif­fe­nen bür­ger­li­chen Welt, an die eini­ge sei­ner bedeu­tends­ten Vor­den­ker stets gebun­den blie­ben und die sie eben dar­um so erbit­tert bekämp­fen muß­ten. Ihnen hat Gün­ter Maschke eine poin­tier­te Dia­gno­se gestellt: »Der faschis­ti­sche Intel­lek­tu­el­le ist der radi­ka­le Déca­dent. Er kann den ihn quä­len­den Wert­ni­hi­lis­mus nur ertra­gen, weil er glaubt, daß sich das wirk­li­che Leben erst im Aus­nah­me­zu­stand, im Krieg oder im Augen­blick der Gefahr ent­hüllt. Er fei­ert die vita­lis­ti­sche Sub­stanz gera­de, weil sie fehlt. Nicht in ihr wur­zelt die Gier nach star­ken Erre­gun­gen, son­dern sie steigt aus dem Rausch und dem Traum, ist aus flüch­ti­gem Stoff. Nach der Anspan­nung, die ganz von der schö­nen Ges­te lebt, kommt die Erschöp­fung, die Ver­zweif­lung, der Zynismus.«
Die­se Wor­te waren Drieu la Rochel­le zuge­dacht, aber sie gel­ten auch für Gabrie­le D’Annunzio, des­sen luxu­rie­ren­der Ero­tis­mus den faschis­ti­schen Vita­lis­mus aus sich selbst her­aus erzeugt hat. Es war die Gunst der Stun­de, die dem aben­teu­er­lichs­ten Her­zen des ita­lie­ni­schen Ästhe­ti­zis­mus unmit­tel­bar nach der Nie­der­la­ge Ita­li­ens im Ers­ten Welt­krieg die Füh­rer­schaft der Frei­schär­ler zuspiel­te. Nach sei­ner eigen­mäch­ti­gen Beset­zung Fiu­mes schuf der Kom­man­dan­te der Ardi­ti in der Adria­stadt das schil­lern­de Urbild des Faschis­mus: eine von hedo­nis­ti­schen Sit­ten und pro­mis­ker Sexua­li­tät gepräg­te anarcho-syn­di­ka­lis­ti­sche Volks­de­mo­kra­tie, die durch Mas­sen­mo­bi­li­sie­rung einem auto­ri­tä­ren Stadt­staat mit cha­ris­ma­ti­schem Füh­rer­kult unter­wor­fen war. Die­sen neu­en poli­ti­schen Stil vor Augen sti­li­sier­te der jun­ge Mus­so­li­ni den Faschis­mus zur »Reli­gi­on der Anar­chie«; und wenn der Duce die­se liber­tä­ren Kräf­te um sei­ner eige­nen tota­li­tä­ren Herr­schaft wil­len spä­ter auch unter­drü­cken muß­te, so hat­te sich im fin de siè­cle doch längst ein mäch­ti­ger ero­ti­scher Strom aus deut­schen Quel­len ange­staut, um schließ­lich von D’Annunzio in faschis­ti­sche Gesta­de gelenkt zu wer­den: Scho­pen­hau­ers trieb­haf­te Wil­lens­me­ta­phy­sik, Wag­ners lie­bes­trun­ke­nes Gesamt­kunst­werk und Nietz­sches lebens­be­rausch­te Schick­sals­lie­be schlu­gen in Fiume hohe Wellen.
Neben die­sem deka­den­ten Ero­tis­mus, der noch in sei­nen reak­ti­ven aske­ti­schen Idea­len eine Ver­fal­len­heit ans weib­li­che Ele­ment erken­nen ließ, brach sich in Deutsch­land selbst vor allem ein Rege­ne­ra­ti­on ver­hei­ßen­der Eros männ­li­che­ren Cha­rak­ters Bahn: Ernst Jün­ger ent­wi­ckel­te unter Feu­er und Fie­ber eine heroi­sche Ästhe­tik des Schmer­zes, wobei sei­ne gleich­zei­ti­ge Lust an Rausch, Blut und Tod bei allem sol­da­ti­schen Ethos des preu­ßi­schen Anar­chis­ten immer auch wie eine Liber­ti­na­ge des Schüt­zen­gra­bens anmu­te­te. Ste­fan Geor­ge such­te die Wie­der­ge­burt der deut­schen Dich­tung aus dem Geis­te der grie­chi­schen Kna­ben­lie­be ein­zu­läu­ten und ging in sei­nem Ver­hält­nis zu Maxi­min mit gutem Bei­spiel vor­an. Hans Blü­her emp­fahl der eff­emi­nier­ten Män­ner­ge­sell­schaft im gan­zen den ver­schärf­ten Ein­satz des »mann­männ­li­chen Eros«, der ihm als ein »erns­ter und furcht­ba­rer Gott, der kei­ne Gna­de kennt«, begeg­ne­te. Und Gott­fried Benn brach­te in sei­ner Beschwö­rung der »dori­schen Welt« nur deren dun­kels­te Män­ner­chö­re zum Erklin­gen, um den Eros als »Gott mit der gesenk­ten Fackel« sogar in ein Bild des Todes zu bannen.

Sowe­nig es mit­hin dem geis­ti­gen Früh­fa­schis­mus, der sich in sei­nen radi­kals­ten Wort­füh­rern selbst der Herr­schaft des Tha­na­tos unter­stell­te, an einem wie immer gear­te­ten Eros man­gel­te, sowe­nig gewähr­te ande­rer­seits der mythi­sche Eros ein­fach nur Lust und Lie­be — auch er konn­te den Sterb­li­chen Tod und Opfer abver­lan­gen. Die ver­trau­ten ästhe­ti­schen Meta­mor­pho­sen des peit­schen­be­wehr­ten Lie­bes­got­tes zum geflü­gel­ten Jüng­ling und schalk­haf­ten Amor ver­harm­los­ten bereits des­sen dämo­ni­sche Natur. Aber auch sei­ne phi­lo­so­phi­sche Ver­klä­rung zur Alle­go­rie der Schön­heit und sei­ne psy­cho­lo­gi­sche Ver­en­gung zur Meta­pher der Sexua­li­tät ver­fehl­ten sein ele­men­ta­res Wesen, wel­ches Lud­wig Kla­ges und Alfred Schul­er in den orphi­schen Mys­te­ri­en wie­der­ent­deck­ten: Als sich selbst begat­ten­der Gott trug der ursprüng­li­che Eros die Kei­me aller übri­gen Göt­ter in sich, und so wur­de er als mann­weib­li­cher Dämon pla­ne­ta­ri­scher Schwan­ger­schaft und kos­mi­scher Wie­der­ge­burt ver­ehrt. Inso­fern er das Welt­ge­sche­hen nicht nur durch­wal­te­te, son­dern aller­erst her­vor­brach­te, durf­te die­ser »kos­mi­sche« auch der »kosmo­go­ni­sche Eros« hei­ßen. Eini­ge Cha­rak­te­re die­ses welt­schöp­fe­ri­schen und seins­er­füll­ten Eros gin­gen auf Dio­ny­sos über, aber dem Gott der Frau­en und der Frucht­bar­keit stand kei­ne Schöp­fungs- und Deu­tungs­kraft mehr zu Gebo­te, die der Welt im gan­zen hät­te Sinn und Form geben kön­nen. Im phal­li­schen Kult um den ster­ben­den und wie­der­auf­er­ste­hen­den Dio­ny­sos erglüh­te nur­mehr die alle erkal­te­ten Welt­ge­stal­ten und erstarr­ten Lebens­for­men ein­schmel­zen­de oder spren­gen­de Lebens­sub­stanz selbst. Nach der Wie­der­erwe­ckung des trun­ke­nen Got­tes durch die deut­sche Früh­ro­man­tik ließ der spät­ro­man­ti­sche Wag­ne­ria­ner Fried­rich Nietz­sche unter dem schö­nen Schein der grie­chi­schen Kunst- und Kör­per­for­men, die der deut­schen Klas­sik noch als Vor­bild dien­ten, ein schreck­li­ches Cha­os auf­bre­chen: Im dio­ny­si­schen Tau­mel waren Lust und Schmerz, Sexua­li­tät und Grau­sam­keit, Lebens­stei­ge­rung und Selbst­auf­lö­sung noch unge­schie­den, und gera­de in der weib­li­chen Gren­zen­lo­sig­keit die­ses sich selbst genie­ßen­den Lebens­stroms offen­bar­te sich das rausch­haf­te Wesen der Welt, moch­te deren dem männ­li­chen prin­ci­pi­um indi­vi­dua­tio­nis unter­wor­fe­nes Erschei­nungs­bild auch eine apol­li­ni­sche Ruhe und Ord­nung ausstrahlen.
Im Gegen­satz zu Johann Jakob Bacho­fen, der den mythi­schen Wider­streit zwi­schen Dio­ny­si­schem und Apol­li­ni­schem in ein kul­tur­his­to­ri­sches Nach­ein­an­der von Matri­ar­chat und Patri­ar­chat auf­lös­te, such­te der Kos­mi­sche Kreis um Kla­ges die hete­ro­se­xu­el­le Ent­zwei­ung jener bei­den Prin­zi­pi­en in die herm­aphro­di­ti­sche Ein­heit des kosmo­go­ni­schen Eros zurück­zu­neh­men, der noch kein ani­ma­li­sches Ver­lan­gen und kei­nen mensch­li­chen Man­gel kann­te, in dem sich viel­mehr eine gött­li­che Seins­fül­le see­len­voll ver­ström­te. Denn anders als die sexu­el­le Begier­de oder die nar­ko­ti­sche Sucht, die sich in trieb­haf­ter Befrie­di­gung oder rausch­haf­ter Selbst­zer­stö­rung erschöp­fen, hebt die ero­ti­sche Sehn­sucht auf eine auf­op­fern­de Selbst­über­schrei­tung ab, wie sie nur in den Eksta­sen einer aus dem Gefäng­nis des Geis­tes befrei­ten See­le erfah­ren wer­den kann. Schon der »Eros der Nähe«, der die hete­ro­se­xu­el­le Zwei­sam­keit belebt, ver­mag die Ein­sam­keit der See­len auf­zu­he­ben, sofern die Lei­ber nicht ein­fach im Dun­kel des Rau­sches ver­sin­ken; aber allein die homo­ero­ti­sche Gemein­schaft emp­fängt das Licht see­len­vol­ler Begeis­te­rung noch dort, wo sie offen sexu­el­le Züge annimmt. Gemäß die­sem von Alfred Schul­er so genann­ten »Eros der Fer­ne« wur­de nicht der begeh­ren­de und besitz­ergrei­fen­de, son­dern der schen­ken­de und ver­klä­ren­de Lieb­ha­ber zum Mus­ter­bild aller abend­län­di­schen Füh­rer- und Erlö­ser­ge­stal­ten bis zu jenem völ­ki­schen Ret­ter, des­sen »Neu­es Reich« Ste­fan Geor­ge her­bei­sehn­te. Die Gefolg­schaft frei­lich kann­te neben dem lie­ben­den von jeher auch einen krie­ge­ri­schen Eros, wie er in der alt­ger­ma­ni­schen Bluts­brü­der­schaft exem­pla­ri­sche Gestalt ange­nom­men hat­te. Hans Blü­her ließ auf dem jugend­be­weg­ten Wir­ken der män­ner­bün­di­schen Ero­tik schließ­lich die gesam­te patri­ar­cha­li­sche Geschich­te beru­hen, denn nicht die Fami­li­en­ge­mein­schaft, son­dern die Män­ner­ge­sell­schaft bil­de­te die Keim­zel­le des star­ken Staa­tes und aller höhe­ren Kul­tur. Mit der Ver­hän­gung der Mono­ga­mie indes­sen war der Mann vor dem stren­gen Ethos die­ses Eros zurück­ge­wi­chen, des­sen Macht im alten Spar­ta noch unge­bro­chen war. Sehn­sucht nach der har­ten dori­schen Män­ner­welt ergriff auch den zivi­li­sa­ti­ons­mü­den Gott­fried Benn, der die spar­ta­ni­sche Züch­tung von »ewig jugend­li­chen Krie­gern« und die ihr die­nen­de Kna­ben­lie­be pries, bei wel­cher der Gelieb­te die im Samen lie­gen­de See­le des Lieb­ha­bers in sich auf­zu­neh­men hat­te, um des­sen Stär­ke und Tap­fer­keit zu erlangen.

Bereits Ana­kre­ons Dich­ter­wort, Eros schla­ge auf ihn mit mäch­ti­gem Ham­mer und bade ihn dann wie der Schmied den glü­hend gewor­de­nen Stahl im Gieß­bach, gemahn­te an die Gewalt, die der Mensch sich selbst antun muß­te, um jenes mit sich iden­ti­sche Selbst des phal­lo­zen­tri­schen Man­nes zu schaf­fen, des­sen durchs Vater­ge­setz sank­tio­nier­te Kul­tur­ord­nung ein heroi­sches Boll­werk gegen die archai­sche weib­li­che Natur­macht dar­stell­te. Noch die frü­hen von Eros ange­führ­ten Mys­te­ri­en­göt­ter bil­den nur das Gefol­ge der gro­ßen Mut­ter­gott­hei­ten, die durch­weg Schick­sals­mäch­te sowohl des Lebens wie des Todes waren, und die grie­chi­sche Mytho­lo­gie alle­go­ri­siert immer wie­der den tra­gi­schen Über­gang von zyklisch in sich krei­sen­der matri­ar­cha­ler Vor­ge­schich­te zur line­ar fort­schrei­ten­den patri­ar­cha­li­schen Kul­tur­ge­schich­te. Jene mythi­sche Vor­welt aber, die Bacho­fen kurz­schlüs­sig als eine rea­le »Gynai­ko­kra­tie« aus­mal­te, steht für nichts als die noto­ri­sche Angst des auf sei­ne Auto­no­mie pochen­den Man­nes, in die cht­ho­ni­sche Natur zurück­zu­sin­ken und vom weib­li­chen Cha­os ver­schlun­gen zu wer­den, wenn er der Ver­lo­ckung nach­gä­be, aus sei­nem star­ren Cha­rak­t­er­pan­zer her­aus­zu­tre­ten und Tuch­füh­lung mit dem Leben­di­gen aufzunehmen.
In der Odys­see setzt Homer sei­nen Hel­den tod­brin­gen­den weib­li­chen Ver­su­chun­gen aus, die zum här­te­ren Prüf­stein sei­ner männ­li­chen Sou­ve­rä­ni­tät wer­den, als es der Tro­ja­ni­sche Krieg gewe­sen war. Vor der Sire­nen­in­sel, die mit Gebei­nen modern­der Men­schen gesäumt ist, muß Odys­seus den rudern­den Gefähr­ten die Ohren mit Wachs ver­stop­fen und sich selbst an einen Mast bin­den las­sen, um dem eben­so betö­ren­den wie ver­der­ben­den Lied der Sire­nen, dem kei­ner sich ent­zie­hen kann, gefahr­los lau­schen zu kön­nen. Aber er weiß schon, daß er im Augen­blick der Vor­über­fahrt ver­zwei­felt dar­um fle­hen wird ihn los­zu­bin­den, und so befiehlt er vor­ab, dann nicht zu gehor­chen, son­dern ihn nur noch fes­ter zu fes­seln und uner­schro­cken wei­ter zu rudern. Die von Hork­hei­mer und Ador­no als Alle­go­rie der Dia­lek­tik der Auf­klä­rung erschlos­se­ne Epi­so­de lehrt, war­um ohne ein grund­le­gen­des Weib­lich­keits­op­fer die abend­län­di­sche Zivi­li­sa­ti­on nicht hät­te ent­ste­hen kön­nen; sie zeugt aber nicht min­der von den Grau­sam­kei­ten und Schmer­zen männ­li­cher Selbst­kas­tei­ung, wel­che die Geschich­te des Patri­ar­chats stets beglei­tet haben und die gera­de ange­sichts sei­nes dro­hen­den Unter­gangs in eine blin­de Ent­schlos­sen­heit zu sei­ner bedin­gungs­lo­sen, näm­lich faschis­ti­schen Ver­tei­di­gung umschla­gen soll­ten. In der Ago­nie der bür­ger­li­chen Welt nach dem Ers­ten Welt­krieg such­te die Bohè­me eines geschla­ge­nen und gede­mü­tig­ten Vol­kes die kol­lek­ti­ve Depres­si­on mit ero­tisch-nar­ko­ti­schen Eupho­rien zu über­täu­ben und die eige­ne poli­ti­sche Impo­tenz und men­ta­le Eff­emi­nie­rung durch einen mani­schen Hedo­nis­mus zu ver­drän­gen. Die Wider­stän­di­gen dage­gen, die der ver­zwei­fel­ten Liber­ti­na­ge der Gol­de­nen Zwan­zi­ger nicht ver­fie­len, hiel­ten sich umso ver­bis­se­ner an die unter­ge­gan­ge­ne Ord­nung und erwar­te­ten mit dem Res­sen­ti­ment der Zukurz­ge­kom­me­nen den Tri­umph eines Wil­lens, der die­se halt­lo­se Deka­denz durch Zucht und Ord­nung bän­di­gen, wenn nicht durch eine radi­ka­le Gewalt­kur aus­mer­zen würde.
In einer bis zu den Leh­ren der Orphik zurück­rei­chen­den Geis­tes­tra­di­ti­on hat­te bereits Otto Wei­nin­ger das Männ­li­che mit der »Form« und das Weib­li­che mit dem »Stoff« iden­ti­fi­ziert, um die ein­bre­chen­de Hier­ar­chie der Geschlech­ter noch ein­mal in einer unver­rück­ba­ren Ord­nung der Din­ge zu ver­an­kern. Aber erst Goeb­bels zog aus die­ser Ero­ti­sie­rung der Onto­lo­gie die faschis­ti­sche Kon­se­quenz einer Ästhe­ti­sie­rung der Poli­tik: Der form­ge­ben­de Künst­ler­po­li­ti­ker hat­te die »Roh­stoff­mas­se Mensch« zu einem stäh­ler­nen Volk in einem schö­nen Staat zu schmieden.

Indem Hit­ler die deut­schen Män­ner in spar­ta­ni­schem Geist von ihrer ver­weich­lich­ten See­le kurier­te und ihre ver­letz­li­chen Kör­per zu stäh­ler­nen Kampf­ma­schi­nen ertüch­tig­te, tilg­te er noch die letz­ten Spu­ren von Weib­lich­keit im Man­ne selbst. Im Gegen­zug jedoch wur­de die­ser über­züch­te­te Blü­her­sche »Mann­mann« von einer Dia­lek­tik des Opfers ereilt: Das ver­wor­fe­ne Weib­li­che kehr­te rächend wie­der und ent­fes­sel­te schließ­lich einen ver­nich­tungs­wü­ti­gen Todes­trieb. Schon in Frie­dens­zei­ten ent­wi­ckel­te manch her­ri­scher Volks­ge­nos­se eine skla­vi­sche Hörig­keit einem Füh­rer gegen­über, der sei­ner­seits Züge eines hys­te­ri­schen Wei­bes an den Tag leg­te. Voll­ends im Krie­ge brach die weib­li­che Opfer­ra­che mit dio­ny­si­scher Ele­men­tar­ge­walt über den sol­da­ti­schen Mann her­ein: In den orgi­as­ti­schen Stahl­ge­wit­tern, im inzes­tuö­sen Rausch des Blut­ver­gie­ße­nes, im sym­bio­ti­schen Sumpf des Schüt­zen­gra­bens übte der Gott der Frau­en mas­si­ve Ver­gel­tung. Anders als der deut­sche Front­sol­dat brauch­te sich der faschis­ti­sche Fol­ter­knecht dem Sog sol­cher Selbst­zer­stö­rung nicht mehr aus­zu­set­zen: Er hielt sich durch sei­nen Macht­wil­len zusam­men, indem er den unein­ge­stan­de­nen Schmerz unter sei­ner ver­här­te­ten Cha­rak­ter­nar­be in sei­nen Opfern unauf­hör­lich erzeug­te; denn gera­de dem sei­ne Lei­den­schaf­ten bis zur sadis­ti­schen Apa­thie dis­zi­pli­nie­ren­den Gewalt­tä­ter spie­gel­te die gequäl­te Krea­tur auf­rei­zend den Schein von ohn­mäch­ti­gem Glück und wil­len­lo­ser Hin­ga­be wider. Der zwang­haf­te Impuls, die ver­haß­te über­mäch­ti­ge Regres­si­ons­an­lo­ckung ein für alle­mal aus­zu­rot­ten, durch­zieht die Geschich­te des Abend­lan­des, aber dem radi­ka­len Faschis­mus der Natio­nal­so­zia­lis­ten blieb es vor­be­hal­ten, die­sen Aus­rot­tungs­wunsch hero­isch-büro­kra­tisch in die Tat umzu­set­zen und gegen alles zu rich­ten, was irgend im Bann­kreis weib­li­cher Natur­nä­he zu vege­tie­ren schien: das kul­tu­rell Ent­ar­te­te, das bio­lo­gisch Kran­ke, das ras­sisch Minderwertige.
Der­ge­stalt trieb der Radi­kal­fa­schis­mus am Ende nur die patri­ar­cha­li­sche Ord­nung selbst in den Unter­gang. Sein über­schie­ßen­der Rein­heits­wahn per­ver­tier­te die homo­ero­ti­sche Trieb­kraft der Män­ner­ge­sell­schaft, bis in einem von allen ero­ti­schen Bei­mi­schun­gen gerei­nig­ten Todes­trieb das sado­ma­so­chis­ti­sche Ske­lett von Herr­schaft und Sexua­li­tät zum Vor­schein kam. Als ulti­ma­ti­ve Per­ver­si­on des kosmo­go­ni­schen Urbil­des eines lebens­durch­flu­ten­den Eros ver­schanz­te sich der radi­kal­fa­schis­tisch ver­stüm­mel­te Eros in des­sen düs­te­rem Schat­ten­reich und gab sich bis zum bit­te­ren Ende sei­ner Lust an der Grau­sam­keit und der Lie­be zum Tode hin. All dies keim­te bereits in der Peri­ode des Ver­falls. Aber vor dem Hin­ter­grund der uner­sätt­li­chen Flam­men­mee­re der Hit­ler­schen Göt­ter­däm­me­rung nimmt sich das deka­den­te Feu­er­werk, das D’Annunzio einst in Fiume ent­zün­det hat­te, nach­ge­ra­de als ein Fest über­schäu­men­der Lebens­freu­de aus.

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