Das ist natürlich überzogen, wenngleich die Sicherheit solcher Beurteilung verblaßt, sobald man erfährt, daß in der notorischen Odenwaldschule Homosexualität regelrecht »gepredigt« (Volker Zastrow) wurde und der zuletzt in den Mittelpunkt gerückte Fall des Musiklehrers Wolfgang Held nicht nur auf den Zusammenhang von männlicher Homosexualität und Päderastie verweist, sondern auch auf die Bedeutung von sozialen Bezugssystemen, die es erlaubten, jahrzehntelangen Mißbrauch von Schutzbefohlenen, die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornographie zu decken, weil man sich des Wohlwollens der einen und des Interesses der anderen Gleichgesinnten sicher sein durfte.
Daß es hier auch um Folgen der »sexuellen Revolution« geht und dieser Sachverhalt ebenso benannt wird wie der Tatbestand, daß die Pädokriminellen zum überwiegenden Teil Homosexuelle sind, gehört sicher zu den für viele überraschenden Wendungen der öffentlichen Diskussion. Der Hinweis des inzwischen seines Amtes enthobenen Bischoffs Mixa auf diese Faktoren wurde noch abgeschmettert und rief einhelligen Widerspruch hervor; im April aber griff dann die linke taz das Thema mehrfach auf. Der Beitrag Kuscheln mit den Indianern von Nina Apin zeigt die ganze Unappetitlichkeit eines linksalternativen Milieus der 1970er und 1980er Jahre, das offen mit Pädophilengruppen sympathisierte und die Duldung von Pädophilie forderte. Man betrachtete das als notwendigen Teil der »sexuellen Befreiung« und erinnert sich heute lieber nicht mehr daran oder spricht von Randerscheinungen im Windschatten der »Fundamentalliberalisierung « (Jürgen Habermas) durch die Achtundsechziger; Apin deutet aber immerhin an, daß es sich nicht bloß um ein im Grunde randständiges und insofern harmloses Phänomen handelte, sondern daß die Forderung nach Gleichberechtigung aller sexuellen Orientierungen die Gleichberechtigung auch der Pädophilie mindestens nahelegte.
Bemerkenswert an dem Text Apins ist auch, daß durch den wiederholten Hinweis auf die Schwulenbewegung als Hauptunterstützerin der Pädophilen wie selbstverständlich der Zusammenhang zwischen Pädophilie und Homosexualität aufgedeckt wird. Damit wird implizit bestätigt, was der Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone – wieder ein katholischer Geistlicher – schon Mitte April geäußert hat: Vor Journalisten erklärte er, Zölibat und Pädophilie stünden in keinem Zusammenhang, dafür gebe es aber offensichtlich »eine Beziehung zwischen Homosexualität und Pädophilie «. Die der Äußerung folgende Empörung machte deutlich, daß hier ein besonders heikles gesellschaftliches Tabu verletzt worden war, an das zu rühren in den letzten Jahren niemand gewagt hätte.
Daß die Beziehung von Homosexualität und Pädophilie in der Debatte so lange ausgeblendet wurde, hängt nicht nur mit der Angst zusammen, als »homophob« zu gelten, sondern auch mit dem Einfluß »homosexueller Netzwerke« (Daniel Deckers), die sich auch in der katholischen Kirche ausbreiten konnten. Deren Existenz, so Deckers in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 25. April, sei »eines der bestgehüteten Geheimnisse in der Kirche«. Die Macht dieser Gruppen beruhe im wesentlichen auf dem Priestermangel, der dazu geführt habe, daß der Anteil homosexueller Priesterkandidaten immer größer werde, was wiederum zur Folge habe, daß heterosexuelle Männer immer weniger bereit seien, innerhalb einer »klerikal-homophilen Subkultur« Priester zu werden. Daraus resultiere ein enormes Erpressungspotential, das unter anderem genutzt worden sei, den Zusammenhang zwischen homosexueller Neigung und sexuellem Mißbrauch in der Kirche zu tabuieren.
Das glatte Gegenteil behauptet David Berger, der unlängst wegen seiner Homosexualität von seinem Amt als Herausgeber der konservativ-katholischen Zeitschrift Theologisches zurücktreten mußte. In der Frankfurter Rundschau erklärte er, die katholische Kirche nutze die unbestreitbar große Zahl schwuler Priester für ein »System perfider Unterdrückungsmechanismen «, indem Informationen über die Homosexualität des jeweiligen Priesters gesammelt würden, mit denen der Betreffende im Ernstfall unter Druck gesetzt und gefügig gemacht werden könne. Dementsprechend hält Berger Äußerungen wie die die zitierte von Bertone oder diejenige von Bischof Franz-Josef Overbeck in der ARD-Sendung »Anne Will«, derzufolge Homosexualität eine Sünde sei, für unehrlich und »homophob«. Er selbst orientiere sich an den Prinzipien Thomas von Aquins, dessen theologische und philosophische Praxis die Hinwendung zur »Welt« bejahe, was laut Berger heute eben heiße, die »Ergebnisse der Humanwissenschaften« anzuerkennen und Homosexuellen auch kirchliche Gleichberechtigung zu gewähren. Wirkt diese Begründung bereits konstruiert, so erscheint Bergers Erklärung für seine Neigung zum traditionalistischen Katholizismus und vor allem zu dessen Liturgie bizarr: »prachtvolle Barockgewänder und edle Brüsseler Spitze, klassische Kirchenmusik, Weihrauchschwaden, eine großartige Inszenierung, vor der jeder Opernregisseur neidvoll erblassen muss, und das alles fest in männlicher Hand«. Überhaupt stünden Homosexualität und Ästhetik in einer engen Verbindung, und die Schwulenszene nehme Anleihen bei der katholischen Liturgie für die »Prozessionen « beim Christopher-Street-Day.
Bergers Einlassungen suggerieren, daß er freiwillig zurückgetreten sei, um nicht länger der Erpressung durch seine Kirche ausgesetzt zu sein. Der Vorsitzende der Fördergemeinschaft der Zeitschrift Theologisches, Manfred Hauke, erklärte dagegen, Berger sei durch seinen Rücktritt lediglich einem Hinauswurf durch den Vorstand zuvorgekommen. Dieser habe Berger um ein klärendes Gespräch gebeten, nachdem dessen öffentlich zugänglicher Facebook-Auftritt ein »Verwurzeltsein in einem homosexuellen Milieu« eindeutig belegte. Daß man dies als Problem betrachte, habe nichts mit einer Diskriminierung Homosexueller zu tun, wohl aber mit der Erwartung, daß der Herausgeber einer katholischen Zeitschrift sich um einen katholischen Lebenswandel bemühe, zu dem auch eine Befolgung des sechsten Gebotes gehöre, »das nach der biblischen und kirchlichen Deutung auch von homosexuell empfindenden Menschen die Keuschheit verlangt«. Man habe vorgehabt, Berger einen diskreten Rücktritt anzubieten und ihm damit die Gelegenheit zu geben, sich neu auf seinen Theologenstand zu besinnen. Berger habe es dagegen vorgezogen, sich auf spektakuläre Weise öffentlich zu »outen« und schwere Vorwürfe gegen die Fördergemeinschaft wie die Kirche zu erheben. Das sei um so bedauerlicher, als Berger jahrelang gegen Kritik in Schutz genommen worden sei, die sich unter anderem auf einen Lexikonartikel über den homosexuellen und pädophilen Dichter Roger Peyrefitte bezog, dessen Verhalten Berger als »mutig« charakterisiert hatte.
Vor dem Hintergrund der Darstellung Haukes erscheint Bergers Rücktritt tatsächlich nicht als Befreiung aus einem Unterdrückungssystem, sondern als Versuch eines homosexuellen Netzwerkers, verlorengegangen Einfluß durch erneute öffentliche Brandmarkung »homophober« kirchlicher Tendenzen auszugleichen. Der Fall Berger zeigt aber auch, wie brüchig das Tabu bereits ist, das bisher in bezug auf schwule Einflußstrategien galt. Wie erfolgreich die sein können, wird in einem Beitrag von Christoph Cadenbach und Georg Dietz für das Magazin der Süddeutschen Zeitung, eher wider Willen aufgedeckt. Denn die Darstellung unter dem Titel »Gemachte Männer« ist ihrerseits homophil, erlaubt aber doch Einblicke in Zusammenhänge, die sonst verborgen bleiben. So geben Cadenbach und Dietz ganz unumwunden eine »mediale Schwulenverklärung« zu und stellen die Frage, ob wir mittlerweile in einer »schwulen Leitkultur« leben, um dann allerdings der Kulturwissenschaftlerin und Gründerin des »Gender Studies«-Studiengangs der Berliner Humboldt-Universität, Christina von Braun, das Wort zu erteilen, die die Dinge wieder ins linke Licht rückt: »Wenn man sagt, dass durch die derzeitige Präsenz der Schwulen neue Machtstrukturen entstehen, dann hat das schon etwas Diffamierendes, Abfälliges.« In Wirklichkeit, so von Braun, diene die Schwulenverklärung lediglich der Mehrheitsgesellschaft, die sich dadurch ihrer Toleranz versichere und ansonsten zu den Homosexuellen auf Abstand bleibe. Im Laufe des Artikels werden dann weitere Diskriminierungen aufgedeckt: schwule Angestellte, die sich in ihrem Betrieb aus Angst nicht »outen« wollen, die hohe Suizidrate unter homosexuellen Jugendlichen und die laut Umfragen zahlreichen Beleidigungen, denen Schwule auch heute noch ausgesetzt seien, besonders in der Wirtschaft, in der Schwulsein nach wie vor zum Karrierehindernis werden könne.
Das alles paßt aber offenbar nicht zusammen mit den im selben Text erwähnten Feststellungen des amerikanischen Soziologen Richard Florida, dessen These vom »Aufstieg der kreativen Klasse« durchaus plausibel wirkt. Unter Hinweis auf empirische Studien in den USA erklärt Florida, Schwule seien im Durchschnitt »mobil, bindungslos, international, vernetzt, gut ausgebildet, kreativ und, ja, kinderlos« und erfüllten damit hervorragend die Anforderungen des postindustriellen Kapitalismus; wo viele Schwule lebten, da floriere auch die Wirtschaft. Ganz ähnlich hatte bereits 2005 der amerikanische Rechtslibertäre Hans-Hermann Hoppe argumentiert, der in einer universitären Lehrveranstaltung von der vor allem aus der Kinderlosigkeit resultierenden geringen »Zeitpräferenz« Homosexueller gesprochen hatte, was sie in besonderem Maße globalisierungskompatibel mache. Diese These spricht natürlich für die tatsächliche Existenz einer homosexuellen Leitkultur; die Autoren übersehen das aber und führen stattdessen die Klage über einen »Backlash der Liberalisierung«. Der führe erstens zu einer Wiederkehr von bereits ausgerottet geglaubten Vorurteilen und konstituiere zweitens ein Dilemma für die Homosexuellen, da sie einerseits nur dann wirklich emanzipiert seien, wenn man sie nicht mehr als eigene »Spezies« betrachte, andererseits aber nur durch das Bekenntnis zur Homosexualität an der bestehenden Ordnung zu rühren sei.
In diesem Schwanken zwischen dem Wunsch nach Anders- und dem nach Normal-Sein liegt das entscheidende Dilemma des schwulen Aktivismus. Das mag auch an spezifischen Identitätsproblemen hängen, ist aber vor allem durch zwei verschiedene Konzepte begründet, mit deren Hilfe Homosexualität legitimiert werden soll. Denn einerseits wird die Gleichberechtigung aller sexuellen »Vorlieben« unter Verweis auf ein linkes Gleichheitspostulat eingefordert, andererseits die »ethische Neutralisierung « (Karlheinz Weißmann) der Sexualität durch die technisch ermöglichte Trennung von Sexualität und Fortpflanzung genutzt. Die Folge ist ein merkwürdiges Oszillieren zwischen dem Streben nach vollständiger Auflösung von Normalität, weil man nur noch den freien, sich selbst erfindenden Einzelnen kennen will, der sich seiner »Orientierung« entsprechend sexuell betätigt, und der Bildung eines neuen Normbegriffes, in den Pädophilie aus Gründen des Kinderschutzes nicht fallen kann, der aber die Homosexualität ausdrücklich mit umfaßt. Beides führt aber zu erheblichen logischen Problemen: Die vollständige Aufhebung des Normbegriffes in bezug auf die Sexualität widerspräche dem Grundgesetz, das Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, und wäre politisch wie gesellschaftlich kaum durchsetzbar. Das Festhalten an der Vorstellung, daß es bestimmte Arten von Sexualität gibt, die als »normal« zu gelten haben, während andere das nicht sind, birgt aber für die homosexuelle Lobby die Gefahr in sich, daß die Normalität des Schwul-Seins – etwa unter Verweis auf die Erkenntnisse von Medizin und Biologie – wieder zur Disposition gestellt werden könnte.
Um dem vorzubeugen, genügt das bisher erreichte Maß an Straffreiheit und weitgehender politischer Gleichberechtigung den homosexuellen Aktivisten nicht. Bezeichnend ist etwa, daß man im Bundestag mit Unterstützung von Grünen, SPD und Linkspartei eine Grundgesetzänderung anstrebt, durch die eine völlig neue Konzeption von »sexueller Identität « etabliert werden soll. Es geht dabei um den Zusatz, daß niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden dürfe. Gemeint sind damit nicht nur Homo- und Bi‑, sondern auch Trans- und Intersexualität, wodurch laut Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung »eine ganze Reihe sexueller Störungen, denen beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation Krankheitswert beimißt, unter den Schutz der Verfassung « gestellt würden. Als Sachverständigen für die Grundgesetzänderung hat die Linkspartei den Anwalt und Homosexuellen-Aktivisten Helmut Graupner bestellt, der sich bereits mehrfach im Sinne einer Legalisierung »gewaltfreier« Pädophilie äußerte. Die enge Verschränkung von Schwulen- und Pädophilen-Lobby macht es aber auch nicht einfach, einen Schwulen-Lobbyisten zu finden, der Pädophilie explizit ablehnt. Das gilt schon für Deutschlands bekanntere Sexualwissenschaftler wie Gunter Schmidt und Rüdiger Lautmann und wird völlig unübersichtlich bei Vereinen wie der »Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität«, ganz zu schweigen von der 2003 aufgelösten Pädophilengruppe »Krumme 13«. Gemeinsam ist allen das Werben um Verständnis für pädophile Veranlagung. In bezug auf Graupner macht sich allerdings Widerstand bemerkbar: Die Deutsche Kinderhilfe hat Graupners Berufung wegen dessen Pädophilie-Äußerungen kritisiert. Das läßt immerhin hoffen, daß nicht alle verdeckten Strategien aufgehen und die Auseinandersetzung mit der »schwulen Verschwörung« durchaus einen rationalen Kern hat.