Christian Wulff und die Unterstützer seiner „These“ klammern nämlich, ohne daß dies auch nur mit einer Silbe zur Sprache gekommen wäre, die östlichen Länder der BRD völlig aus. Rund 14 Millionen Menschen auf einem klar abgegrenzten Gebiet haben so gut wie keine Berührungspunkte mit dem Islam.
Man darf es als Regel betrachten, daß, wenn von Sachlagen „in Deutschland“ die Rede ist, Westdeutschland gemeint ist.
Einerlei, ob man den „Islam als Teil Deutschlands“ als Wunsch, Realität oder auch nur als eine einladendes Zugeständnis betrachtet: Hier, in der EX-DDR, ist von Islam keine Spur. In den drei Schulen und dem Kindergarten beträgt der muslimische Anteil der Klientel haargenau 0%, auch darüber hinaus gibt es keine Spur von islamischen Einsprengseln. Wir haben einen Dönerimbiß pro Kleinstadt (im erbarmungswürdigen Weíßenfels sind´s vielleicht 6 oder sieben) und ein paar mehr in Halle und Leipzig, das war´s. Ein verschwindend kleiner Bruchteil der 4,3 Muslime hierzulande lebt in den „Neuen Ländern“ – hier trifft übrigens noch nicht mal die vielgehörte Aussage zu, daß „die Mehrheit der Deutschen einer christlichen Kirche angehört“ (A. Schavan) oder sich auch nur bewußt in einer jüdisch-christlichen Tradition sieht. Der Osten ist die Parallelwelt! Und es sieht nicht danach aus, als würde sich das in absehbarer Zeit ändern.
Eine engagierte Sozialkundelehrerin einer Tochter nahm nun Wulffs Rede als Anlaß, die Debatte in den Unterricht zu tragen. Die Schüler (7.Klasse) hatten größtenteils nichts von der Diskussion mitbekommen, und selbst die anderen wußten nichts aus ihrer „Lebenswirklichkeit“ beizutragen. Es ist, als diskutiere man den Hunger in Afrika oder das Sozialsystem Neuseelands. Den einzigen Anknüpfungspunkt bieten ein paar Grundschulbücher, die die Lebenswelt der Schüler hier deutlich bunter gestalten als sie ist.
Ali will lieber toben. Doch könnten nicht alle gemeinsam ihre Feste feiern? Ganz schwer vorstellbar im Osten der BRD, so ohne islamischen Kulturteil.
Anzumerken wäre noch, daß die freundliche Darstellung dieser multikulturellen Klassengemeinschaft in Schulbüchern kein Westgewächs ist, sondern in Arbeitsmaterialien des Verlags Volk und Wissen (der berührende Name ist auch unter dem heutigen Dach von Cornelsen erhalten geblieben) stattfindet, jenem Verlag also, der vor der Wende nahezu sämtliche DDR-Schulbücher lieferte.