Es handelt sich bei dem Autor um Günter Franzen (Jg. 1947), einen Sozialarbeiter und Schriftsteller, der seit einigen Jahren für die FAS schreibt. In dem leider nur für Abonennten zugänglichen Artikel nimmt Franzen das Buch Gefühlte Opfer von Ulrike Jureit und Christian Schneider zum Anlaß, die Trauerarbeit der 68er zu kritisieren.
Das Interessanteste an dem Artikel ist dabei die Überschrift, die doch sehr an den Titel der Schuldstolz-Studie des IfS erinnert. Wenn Franzen sie gelesen haben sollte, kann er sie nicht verstanden haben, da er den entscheidenden Punkt nicht sehen will. Die Einsicht, daß es den 68er nicht um die Opfer ging, sondern um sich und ihren Aufstieg auf Kosten der Elterngeneration (und ihrer angeblichen “Unfähigkeit zu trauern”), ist ein alter Hut.
Was dabei ausgeblendet bleibt, ist die Tatsache, daß mittlerweile für die meisten Deutschen gelten dürfte: Meine Ehre heißt Reue. Es ist bezeichnend, daß Franzen sich in die Vergangenheit flüchtet, wo dieser Schuldstolz doch täglich im gegenwärtigen Deutschland mit Händen zu greifen ist. Aber vielleicht ist allein, die Tatsache, daß auf eine solch fatale Weichenstellung an prominenter Stelle hingewiesen wird, ein positives Signal. Immerhin schließt Franzen mit dem Satz:
Unsere Ehre hieß Reue. Eine auf diesen neurotischen Verzerrungen beruhenden Erinnerungskultur hat keine Zukunft, und sie hat auch keine verdient.
Wie sehr dieser Schuldstolz zementiert ist, zeigt übrigens eine Beilage zur FAZ vom vergangenen Samstag. “Denk ich an Deutschland” heißt sie, und sie verweist auf eine Tagung der Alfred Herrhausen Gesellschaft, die morgen in Dresden stattfindet. Es geht in dieser Beilage um inspirierende Gedanken zur Lage Deutschlands, und bebildert ist sie mit Denk-Mälern. Das erste Bild im ersten Beitrag ist das Holocaust-Mahnmal. Damit beginnt man also, wenn man an Deutschland denkt …