… unter den Auswüchsen des modernen, nur um Zersetzung bemühten Regietheaters. Seine furiosen Verrisse legen das jedenfalls nahe. Dennoch versäumt er kaum eine Premiere jener einschlägigen Aufführungen. Ja, so ähnlich ist’s mit der Emma und mir (wobei man dem Theaterfreund raten könnte, doch auf klassische Inszenierungen umzusteigen, die gibt’s nämlich auch – häufiger jedenfalls als gute Frauenzeitschriften).
Die krampfhafte Bemühungen in jüngeren Emma-Ausgaben sich nun der lila (also: radikalfeministischen) Aura zu entledigen und sich den Girlies zuzuwenden, verschlimmern die Sache nur. Wer über Beinrasur lesen will oder einen schlecht geschriebenen Lobpreis zum 50. Geburtstag der Barbie-Puppe (weil man damit ja nicht nur Tussi, sondern auch Architektin oder Chirurgin spielen kann!), der dürfte bei preisgünstigeren Magazinen besser aufgehoben sein.
Nur, es ist halt so: Was Emma-Chefin Alice Schwarzer vor zwanzig, vor dreißig Jahren geschrieben hatte (gegen ungezählte Anfeindungen damals!) ist heute, nahezu vollständig, Gesetz. Drum: Pflichtlektüre.
Hochinteressant ist das Dossier der aktuellen März/April-Ausgabe. Es kreist um den Fall des mißhandelten und wohl (die Leiche wurde nie gefunden) getöteten fünfjährigen Pascal aus Saarbrücken. Vor allem um den Gerichtsprozeß, der aus Mangel an Beweisen mit einem Freispruch für die Angeklagten endete. Die Emma-Autoren rollen den Skandal gründlich auf und beleuchten vor allem den Einfluß der Medien auf die – eigentlich grundgesetzlich verankerte – richterliche Unabhängigkeit.
Wie sehr Richter auf günstige Berichterstattung schielen, ist über diesen Mißbrauchs-Fall hinaus interessant! Ins Visier nehmen die Emmas vor allem eine altgediente Spiegel-Reporterin, der sie einen ganzen Haufen unredlichen Verhaltens vorwerfen. Darunter dies: Daß sie sowohl über den Fall Monika Weimar als auch über “Pascal” dicke Bücher geschrieben hat, ohne auch nur ein Gespräch geführt zu haben mit den Frauen, die sie darin auseinandernimmt.
Die Weimar hier, die Pflegemutter eines Pascal-Freundes da. Die Emmas finden das so unredlich, daß sie im Editorial folgende Sätze fett drucken:
In Emma ist noch nie ein (…) Porträt einer Person erschienen, das ihr bzw. ihm nicht vorab vorgelegt worden wäre
weiter und nicht mehr fett, aber verräterisch:
(d.h. in den Fällen, wo wir vorher mit der/dem Betroffenen geredet hatten.) Das gehört zu unserem journalistischen Selbstverständnis. Wir wollen nichts Falsches oder unnötig Verletzendes über Menschen schreiben und drucken, das in zehntausenden von Exemplaren um die Welt geht und nicht mehr rückholbar ist. Wir wollen mit der (relativen) Macht, die unser Beruf mit sich bringt, kein Schindluder treiben. Kritische Berichterstattung: Ja. Selbstgerechte Berichterstattung: Nein.
So weit, so gut & schön. Aber eben nicht wahr: Denn schon auf der Titelseite heißt es: “Eva Herman – Im Dienste der Sektierer”. Was wir dann finden an Berichterstattung über Herman und die Sektierer ( = Katholiken) spottet der vollmundigen Editorial-Versprechungen Hohn. Wir finden vor: eine präpotente, zutiefst gehässige Hetze, wie sie keiner JournalistIn zur Ehre gereicht. Die “späte Blondine” Herman vergnüge (!) sich als Predigerin bei diversen christlichen Organisationen, die laut Spiegel (ausgerechnet! Siehe oben!) allesamt “erzkonservativ-christlich” seien. Von einem dieser argen Treffen berichtet Emma-Autorin Annika Ross. Alles wird zur Zielscheibe des Spotts; die junge Frau, die als Vorrednerin “unbeholfen” die Bühne betritt und von ihrem Weg zu Gott berichtet und großen Applaus erntet. Ross hämisch: “Fehlt nur noch, daß Gelähmte gehen und Blinde sehen können.” Nach Ross’ Diktion “raunt” dann die Herman (hier: “Evchen”) ins Mikro, sie “ledert kräftig ab”, “erzählt Anekdötchen”, “seufzt tief” und “wettert”, wo sie nicht gerade “plaudert”. Sprich: ob Eva Herman eine brandgefährliche Demagogin ist oder ein dummes Naivchen, weiß die Autorin nicht – nur, daß alles dazwischen ausgeschlossen ist.
Hier erklärt sich die krude Stelle im Emma-Editorial. “Falsches” und “unnötig Verletzendes” schreibt die Emma nicht. Nur, wenn sie vorher nicht mit der/dem Betroffenen gesprochen hat. Wir ahnten es: Logik ist Frauensache nicht.