Emmanation des Zeitgeistes

Beim Kauf der Emma fühle ich mich immer ein wenig, als wäre ich dieser Theaterkritiker der FAZ, der anscheinend extrem leidet ...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

… unter den Aus­wüch­sen des moder­nen, nur um Zer­set­zung bemüh­ten Regie­thea­ters. Sei­ne furio­sen Ver­ris­se legen das jeden­falls nahe. Den­noch ver­säumt er kaum eine Pre­mie­re jener ein­schlä­gi­gen Auf­füh­run­gen. Ja, so ähn­lich ist’s mit der Emma und mir (wobei man dem Thea­ter­freund raten könn­te, doch auf klas­si­sche Insze­nie­run­gen umzu­stei­gen, die gibt’s näm­lich auch – häu­fi­ger jeden­falls als gute Frauenzeitschriften).

Die krampf­haf­te Bemü­hun­gen in jün­ge­ren Emma-Aus­ga­ben sich nun der lila (also: radi­kal­fe­mi­nis­ti­schen) Aura zu ent­le­di­gen und sich den Gir­lies zuzu­wen­den, ver­schlim­mern die Sache nur. Wer über Bein­ra­sur lesen will oder einen schlecht geschrie­be­nen Lob­preis zum 50. Geburts­tag der Bar­bie-Pup­pe (weil man damit ja nicht nur Tus­si, son­dern auch Archi­tek­tin oder Chir­ur­gin spie­len kann!), der dürf­te bei preis­güns­ti­ge­ren Maga­zi­nen bes­ser auf­ge­ho­ben sein.

Nur, es ist halt so: Was Emma-Che­fin Ali­ce Schwar­zer vor zwan­zig, vor drei­ßig Jah­ren geschrie­ben hat­te (gegen unge­zähl­te Anfein­dun­gen damals!) ist heu­te, nahe­zu voll­stän­dig, Gesetz. Drum: Pflichtlektüre.

Hoch­in­ter­es­sant ist das Dos­sier der aktu­el­len Mär­z/A­pril-Aus­ga­be. Es kreist um den Fall des miß­han­del­ten und wohl (die Lei­che wur­de nie gefun­den) getö­te­ten fünf­jäh­ri­gen Pas­cal aus Saar­brü­cken. Vor allem um den Gerichts­pro­zeß, der aus Man­gel an Bewei­sen mit einem Frei­spruch für die Ange­klag­ten ende­te. Die Emma-Autoren rol­len den Skan­dal gründ­lich auf und beleuch­ten vor allem den Ein­fluß der Medi­en auf die – eigent­lich grund­ge­setz­lich ver­an­ker­te – rich­ter­li­che Unabhängigkeit.

Wie sehr Rich­ter auf güns­ti­ge Bericht­erstat­tung schie­len, ist über die­sen Miß­brauchs-Fall hin­aus inter­es­sant! Ins Visier neh­men die Emmas vor allem eine alt­ge­dien­te Spie­gel-Repor­te­rin, der sie einen gan­zen Hau­fen unred­li­chen Ver­hal­tens vor­wer­fen. Dar­un­ter dies: Daß sie sowohl über den Fall Moni­ka Wei­mar als auch über “Pas­cal” dicke Bücher geschrie­ben hat, ohne auch nur ein Gespräch geführt zu haben mit den Frau­en, die sie dar­in auseinandernimmt.

Die Wei­mar hier, die Pfle­ge­mut­ter eines Pas­cal-Freun­des da. Die Emmas fin­den das so unred­lich, daß sie im Edi­to­ri­al fol­gen­de Sät­ze fett drucken:

In Emma ist noch nie ein (…) Por­trät einer Per­son erschie­nen, das ihr bzw. ihm nicht vor­ab vor­ge­legt wor­den wäre

wei­ter und nicht mehr fett, aber verräterisch:

(d.h. in den Fäl­len, wo wir vor­her mit der/dem Betrof­fe­nen gere­det hat­ten.) Das gehört zu unse­rem jour­na­lis­ti­schen Selbst­ver­ständ­nis. Wir wol­len nichts Fal­sches oder unnö­tig Ver­let­zen­des über Men­schen schrei­ben und dru­cken, das in zehn­tau­sen­den von Exem­pla­ren um die Welt geht und nicht mehr rück­hol­bar ist. Wir wol­len mit der (rela­ti­ven) Macht, die unser Beruf mit sich bringt, kein Schind­lu­der trei­ben. Kri­ti­sche Bericht­erstat­tung: Ja. Selbst­ge­rech­te Bericht­erstat­tung: Nein.

So weit, so gut & schön. Aber eben nicht wahr: Denn schon auf der Titel­sei­te heißt es: “Eva Her­man – Im Diens­te der Sek­tie­rer”. Was wir dann fin­den an Bericht­erstat­tung über Her­man und die Sek­tie­rer ( = Katho­li­ken) spot­tet der voll­mun­di­gen Edi­to­ri­al-Ver­spre­chun­gen Hohn. Wir fin­den vor: eine prä­po­ten­te, zutiefst gehäs­si­ge Het­ze, wie sie kei­ner Jour­na­lis­tIn zur Ehre gereicht. Die “spä­te Blon­di­ne” Her­man ver­gnü­ge (!) sich als Pre­di­ge­rin bei diver­sen christ­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen, die laut Spie­gel (aus­ge­rech­net! Sie­he oben!) alle­samt “erz­kon­ser­va­tiv-christ­lich” sei­en. Von einem die­ser argen Tref­fen berich­tet Emma-Autorin Anni­ka Ross. Alles wird zur Ziel­schei­be des Spotts; die jun­ge Frau, die als Vor­red­ne­rin “unbe­hol­fen” die Büh­ne betritt und von ihrem Weg zu Gott berich­tet und gro­ßen Applaus ern­tet. Ross hämisch: “Fehlt nur noch, daß Gelähm­te gehen und Blin­de sehen kön­nen.” Nach Ross’ Dik­ti­on “raunt” dann die Her­man (hier: “Evchen”) ins Mikro, sie “ledert kräf­tig ab”, “erzählt Anek­döt­chen”, “seufzt tief” und “wet­tert”, wo sie nicht gera­de “plau­dert”. Sprich: ob Eva Her­man eine brand­ge­fähr­li­che Dem­ago­gin ist oder ein dum­mes Naiv­chen, weiß die Autorin nicht – nur, daß alles dazwi­schen aus­ge­schlos­sen ist.

Hier erklärt sich die kru­de Stel­le im Emma-Edi­to­ri­al. “Fal­sches” und “unnö­tig Ver­let­zen­des” schreibt die Emma nicht. Nur, wenn sie vor­her nicht mit der/dem Betrof­fe­nen gespro­chen hat. Wir ahn­ten es: Logik ist Frau­en­sa­che nicht.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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