30 Jahre Laibach: Total totalitäre Retro-Avantgardisten

Das Kunstmagazin MONOPOL setzt in der aktuellen November-Ausgabe einen Schwerpunkt auf Kollektive und beschäftigt sich in der Titelgeschichte...

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

mit der slo­we­ni­schen Indus­tri­al-Band Lai­bach. Die­se ver­steht sich selbst als „Gesamt­kunst­werk“. Um dies zu doku­men­tie­ren, haben die umstrit­te­nen Musi­ker die­ses Jahr zum 30. Geburts­tag ihrer Band eine Aus­stel­lung, ein Sym­po­si­um und meh­re­re Kon­zer­te durchgeführt.

Dani­el Völz­ke und Mar­tin Fen­gel von MONOPOL durf­ten Ende Sep­tem­ber zu den Fei­er­lich­kei­ten nach Slo­we­ni­en rei­sen. Der Auf­wand hat sich jedoch nicht gelohnt. Haupt­säch­lich trägt ihre Repor­ta­ge die Mei­nun­gen und Erkennt­nis­se zu der pro­vo­kan­ten Band zusam­men, die sich in den letz­ten Jahr­zehn­ten so ange­häuft haben. Auf der einen Sei­te steht dabei der Vor­wurf, Lai­bach wür­den sich faschis­ti­scher Ästhe­tik bedie­nen. Auf der ande­ren dann die Erklä­rung: Das ist nur „Über-Iden­ti­fi­ka­ti­on“ mit tota­li­tä­ren Sys­te­men, mit der die­se letzt­end­lich ad absur­dum geführt werden.

Der Kunst­wis­sen­schaft­ler Boris Groys spricht von einer Insze­nie­rung, die „tota­ler als der Tota­li­ta­ris­mus“ sei. Lai­bach selbst sagen dazu wenig. Ent­we­der geben sie State­ments ab, auf die die Pres­se nur so war­tet. Zum Beispiel:

Wir sind genau­so Faschis­ten, wie Hit­ler ein Maler war.

Oder sie erklä­ren all­ge­mei­ne Sach­ver­hal­te ohne jeg­li­che Spe­zi­fik. Dani­el Völz­ke haben sie vorgeträllert:

Wir glau­ben an eine Kunst, die sozia­le, poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Refor­men vor­an­bringt, aber auch an Kunst, die die Gren­zen ästhe­ti­scher Erfah­rung aus­tes­tet. In kol­lek­tiv orga­ni­sier­ten Bewe­gun­gen ent­wi­ckeln sich die­se bei­den Vor­ha­ben organischer.

Damit sind wir genau­so klug wie vorher.

Das Prin­zip der Retro-Avant­gar­de, das die Slo­we­nen anwen­den, besteht dar­in, mit unzäh­li­gen his­to­ri­schen Ver­satz­stü­cken (NS-Pro­pa­gan­da, Sozia­lis­ti­scher Rea­lis­mus, christ­li­che Iko­no­gra­phie) die emp­find­lichs­ten Stel­len unse­rer Iden­ti­tät anzu­steu­ern. Das Ziel ist dabei kein poli­ti­sches. Es geht viel­mehr um die maxi­ma­le ener­ge­ti­sche Mobi­li­sie­rung des Betrach­ters. Dies kann sich in Empö­rung, fre­ne­ti­schem Jubel oder gar kör­per­li­cher Eksta­se ausdrücken.

Lai­bach sind sich dabei bewußt dar­über, was ihr der­zeit größ­tes Pro­blem ist. Auf dem Sym­po­si­um beton­te Grün­dungs­mit­glied Ivan Novak:

Es ist leicht, neu zu sein, wenn man neu ist, aber es ist schwer, wenn man alt ist wie wir.

Im Klar­text: Pro­vo­ka­ti­on nutzt sich mit der Zeit ab. Wahr­schein­lich hat die Indus­tri­al-Band daher ihren Höhe­punkt schon hin­ter sich und weiß das sogar. Im Dezem­ber gibt sie meh­re­re Kon­zer­te in Deutsch­land. Bei You­tube kann man außer­dem einen faschis­ti­schen Tanz­kurs mit Lai­bach bele­gen. Danach wird jeder – fern­ab jeg­li­cher Poli­tik – wis­sen, wie faschis­ti­sche Ästhe­tik auf ihn wirkt.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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