und Familienministerin Kristina Schröder. Daß es zwischen den beiden Damen „da oben“ mal richtig krachen würde, habe ich seit Jahr & Tag erwartet, klar war mir auch, daß der „bizarre Sex“-Titel sich nicht auf genitale Vergnügungen, sondern auf Geschlechterpolitik beziehen würde.
Ich hatte – die BILD ließ ich liegen – zu Hause dann Schwierigkeiten, auf Anhieb jenen BILD-Artikel im Netz zu finden. Bei der google-Suche wurde ich zwar an erster Stelle auf die aktuelle BILD verwiesen, aber eben nicht auf den Artikel, sondern hatte die Wahl zwischen den Rubriken „Fußball“, Unterhaltung“, „Erotik“ und „Bild-Girls“. Worunter wäre wohl der „bizarre Sexstreit“ einzuordnen?
Also: Bild.de aufgerufen, dort auf den ersten Blick auch keinen Schröder/Schwarzer-Zoff gefunden, sondern zuvörderst die „Große Serie über Sex-Göttinnen“ und einen Hinweis auf den „Penis-Blitzer in der 2. Liga“. Noch einmal: Für diese Zeitung steht Feministin Alice Schwarzer nicht nur als Korrespondentin (im „Fall Kachelmann“) zur Verfügung, sie hat für das „Meinungsblatt“ auch schon mit ihrem Konterfei auf überlebensgroßen Plakaten geworben!
Und nun wirft ebendiese BILD-Schwarzer der Familienministerin Schröder vor, „Stammtisch-Parolen“ zu „reproduzieren.“
Was war los?
Schröder zeigt sich seit ihrem Antritt gleichsam als Gegenbild der klassischen Emma-Rezipientin. Dieses naiv-mädchenhafte Auftreten, dazu die kindlich hohe Stimme, und nicht zuletzt die (nicht gerade vehemente, aber doch spürbare) inhaltliche Abkehr von der dezidiert feministischen Politik, die sämtliche ihrer VorgängerInnen seit 1968 betrieben haben!
Daß den Emmas die neue Ministerin stinke, war absehbar. Mit anderen CDU-Alphaweibchen gab´s in den vergangenen Jahren massig ausführlich-heitere Interviews (Schavan, von der Leyen, Merkel), zur Personalie Kristina Schröder nur Süffisantes. Als „eingeknickt“ hatte die Emma Schröder bereits deshalb bezeichnet, weil sich die junge Ministerin Kristina Köhler auf die „Mogelpackung“ einließ, nach ihrer Heirat den Namen des Mannes anzunehmen. Der Emma-Frühlingsausgabe war es zwei volle Seiten wert, darauf hinzuweisen, daß “das Recht von Ehefrauen auf den eigenen Namen genauso hart erkämpft ist wie alle anderen Rechte, die Frauen heutzutage in Ehen haben.“
Diese Klage, daß die Töchtergeneration nachlässig, ja undankbar mit den hart erkämpften feministischen Errungenschaften umgehe, ist seit Jahren virulent in Schwarzers Blatt. Schwarzer wird in drei Wochen 68, die 33jährige Schröder könnte also ihre Tochter sein und sieht sich nun in der Situation, als Angehörige der Tochtergeneration eine Art Stellvertreterkrieg gegen die kinderlose Schwarzer führen zu müssen.
In einem Spiegel-Interview am Wochenende hat Schröder nun Schwarzer erstmals dezidiert kritisiert. Einige derer Thesen seien zu radikal und falsch, zum Beispiel, daß “der heterosexuelle Geschlechtsverkehr kaum möglich sei ohne die Unterwerfung der Frau. Es sei „absurd, wenn etwas, das für die Menschheit und deren Fortbestand grundlegend ist, per se als Unterwerfung definiert wird.“ Außerdem bekräftigte Schröder, daß sie Frauenquoten ablehnend gegenüberstünde und denke, daß die Politik Männer- und Jungenprobleme sträflich vernachlässigt habe.
Nun ist es bei Alice Schwarzer so, daß sie durchaus ein dickes Fell hat, so lange Kritik von als subaltern empfundener Seite kommt. Die ficht sie nicht an. Die Kommentarspalten auf ihren Netzseiten sind kaum oder sehr milde moderiert, in ihrem Blatt selbst scheut sie sich nicht, auch harte, zugespitzte und treffende Kritik an ihr selbst abzudrucken. Ausgeholt wird nur, wenn ihr jemand „auf Augenhöhe“ kommt. Das hat mir dem intellektuellen Niveau wenig zu tun, sondern bezieht sich auf die mediale Aufmerksamkeit und die Stellung der jeweiligen Kontrahentin im öffentlichen Leben. Dann wird die joviale Talkshow-Ratesendung-Schwarzer zur Kratzbürste, mindestens.
Gegen Esther Vilar, Eva Herman und selbst die arme Verona Feldbusch – nachdem die der Schwarzer telegen ordentlich Paroli geboten hat – hat sie verbale Keulen geschwungen und teils üble Denunziationskampagnen angeschoben. Und jetzt die Familienministerin, die „hanebüchenen Unsinn“ von sich gebe – allein deshalb „hanebüchen“, weil Schröder sich auf etwas bezieht, das Schwarzer „1975(!)“ also “zwei Jahre vor Ihrer (Schröders, E.K.) Geburt“ geschrieben habe. Daß die Schwarzer ihre alten und uralten Einlässe regelmäßig als Artikel in der Emma abdruckt und zwischen frische Buchdeckel pressen läßt – keine Rede davon bei Schwarzer 2010. Weiter schreibt Schwarzer in ihrem „Offenen Brief“ (eine ihrer beliebten Kommunikationsformen), die von Schröder erwähnte und kritisierte „Feminiserung pädagogischer Berufe“ liege daran, daß „Kindergärtner und Lehrer schlecht bezahlte und gesellschaftlich nicht anerkannte Berufe seien“. Ja klar: Deshalb arbeiten wohl auch in Bergwerken, bei der Müllabfuhr, auf Schlachthöfen fast nur ausgebeutete Frauen.
Schwarzer möchte Schröder eigentlich „noch vieles sagen“. Tut sie aber nicht, denn: „Darf ich offen sein? Ich halte Sie für schlicht ungeeignet. Zumindest für diesen Posten. Vielleicht sollten Sie Presse-Sprecherin der neuen, alten so medienwirksam agierenden, rechtskonservativen Männerbünde werden.“
Hier ist eine eindeutig übergeschnappt, und um das zu kaschieren und sich die Stimme einer angemaßten Mehrheit geben , unterschreibt Schwarzer mit dem ihre Position stärkenden Zusatz: „eine von vielen frühen Feministinnen.”
Die Diskussion, die um diese Aufregung nun allein auf Schwarzers Netzseite entbrannt ist, ergänzt das hiesige Meinungsbild ganz vortrefflich: Schwarzers Claqueure üben sich eifrig darin, sich selbst zu diskredietieren. Wie etwa “lullaby”, die ernsthaft klagt, inwiefern sie sich als „radikalfeministisch indoktrinierte lesbische Erzieherin“ von Schröder diskriminiert sieht. Oder wie „Kaktus“, die sich beim Lesen des Schröder-Interviews „wirklich fremdgeschmämt“ habe, daß sie „in Deutschland geboren“ ist. Interessant auch die biologistische Stutenbissigkeit einer Kommentatorin, die vermutet, Schröder seien „nach dem Eintritt in den Ehestand die Hormone durcheinandergeraten“. „Morning Star“ sieht die Schröderschen Einlassungen als Beleg dafür, daß „wir noch im Patriarchat, d.h. der Vateranbetung (s. Gott etc.)“ lebten.
Whow!
Letztlich überwiegt hingegen die Kritik an Schwarzer, und die ist im Schnitt auch intelligenter formuliert, etwa durch „Peter“:
Liebe Frau Schwarzer, wenn Sie recht haben mit Ihrer Meinung, dass Frau Schröder inkompetent ist, und gleichzeitig recht haben damit, dass Frau Schröders Karriere auch durch den Feminismus ermöglicht wurde, dann haben wir jetzt, was zu erwarten war: Einen Anteil inkompetenter Frauen in hohen Positionen. Keine Sorge, Sie werden auch inkompetente Frauen in DAX-Vorstände hieven. Warum sollten nur inkompetente Männer ganz nach oben kommen?
Deutlich auch „Katharina M.“
Ich finde es eine Unverschämtheit ihrerseits, wie Sie Menschen behandeln, die eine andere Meinung vertreten als Sie! Jemand der nicht Ihrer Meinung ist scheint immer inkompetent zu sein?! Sie maßen sich scheinbar an, allwissend zu sein…Und Sie wundern sich über jemanden, der beschließt, den Namen des Mannes anzunehmen?Es sollte das Recht der Frau sein, dies zu tun, wenn sie es will. (…) Wissen Sie was? Ja, ich bin eine Frau und ja, ich bin gegen eine Quote. Ich habe keine Lust den Arbeitsplatz nur wegen meines Geschlechts zu bekommen. Lieber bekomme ich ihn wegen meiner Leistung (…). Wenn alle Menschen so wären wie Sie, gäbe es Deutschland wohl nicht mehr, da keine Frau mehr Kinder bekommen würde.
Oder „Eine Frau“:
Sie haben den Zeitpunkt verpasst, an dem es besser gewesen wäre, aufzuhören. Sie haben Frauen aus dem “Käfig der Männer” rausgeholt, und sperren diese jetzt in ihren eigenen Käfig ein. So fühlt sich für mich, als Frau, ihr Ideologiengebäude an. Eine Frau, die nicht ihre Ideologien teilt, das ist ein Weltuntergang. Wir schreiben das Jahr 2010, Frau Schwarzer. Das Mittelalter ist vorbei und es wäre gut, wenn auch sie mal ein bisschen Realität unter den Füßen finden würden
Schließlich: Wer die Debatte als „bizarren Sex-Streit“ oder als „Zickenkrieg“ auffaßt, begibt sich im Grunde auf das Niveau, mit dem Gerhard Schröder seinerzeit Familienpolitik als vernachlässigenswertes „Gedöns“ abtat.