Subversion und Subvention

Widerstand und Subversion sind höchst beliebte Kategorien, in die sich mancher gern einreiht, vor allem, wenn er zur literarischen Klasse gehört.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Ein klu­ger Mensch behaup­te­te, der viel­be­lä­chel­te Deut­sche Michel (= der begeis­te­rungs­fä­hi­ge Ja-Sager) sei unter der Hand zu einem vom Aus­ster­ben bedroh­ten Exem­plar gewor­den, längst hät­te der Ohne-Mich-el die Ober­hand gewon­nen. Ja, alle schwim­men sie gern „gegen den Strom”, die­ser Spaß ist zu einem anstren­gungs­lo­sen Mas­sen­sport gewor­den. Auch auf der Buchmesse.

1. wäre da die Beob­ach­tung, wie hoch­sub­ven­tio­niert oder jeden­falls wohl­do­tiert das soge­nann­te Sub­ver­si­ve daher­kommt. Berühm­tes­ter Fall ist viel­leicht Elfrie­de Jeli­nek, die natür­lich genau­so­we­nig in Leip­zig war (war­um auch) wie damals in Stock­holm, um ihren geld­schwe­ren Nobel­preis ent­ge­gen­zu­neh­men. Da sie rund­um ange­fein­det wer­de, hät­te sie sich unter der Lau­da­to­ren­run­de psy­chisch bedroht gefühlt. Wie das geht: Nach eige­nem Ermes­sen völ­lig quer zum Zeit­geist zu schrei­ben und den­noch einen unglaub­li­chen Rei­bach damit zu machen, bleibt ein Geheim­nis des selbst­er­nann­ten Widerstands.

Ähn­li­ches ließ sich nun fest­stel­len mit dem bloß 26.000 Euro schwe­ren Kurt-Wolff-Preis, der an den Peter Ham­mer-Ver­lag ver­lie­hen wur­de. Man sei immer sub­ver­siv geblie­ben, sag­te die Geschäfts­füh­re­rin des (sei­ner­zeit von Johan­nes Rau mit­be­grün­de­ten) lin­ken Ver­lags. Das erfolg­reichs­te Buch des Hau­ses (vom Maul­wurf, dem jemand auf den Kopf geschis­sen hat­te) ist über 1 Mil­li­on mal ver­kauft wor­den – ganz schön viel Sub­ver­si­on.  Oder das Buch von Mat­thi­as Frings über den an Aids gestor­be­nen schwu­len Schrift­stel­ler Ronald M. Scher­nik­au. Die­se Wür­di­gung über „der letz­ten Kom­mu­nis­ten” (ein Titel, den die Jun­ge Welt als leicht belei­di­gend emp­fand) ist nur knapp am Leip­zi­ger Buch­preis vor­bei­ge­schrammt. Frings sag­te sinn­ge­mäß, daß Scher­nik­au in Ost- und West­deutsch­land ver­ach­tet wur­de, spre­che bereits für ihn. Soviel Ver­ach­tung, so viel Sub­ver­si­on! Und doch eine Nomi­nie­rung und Dut­zen­de Rezen­sio­nen! Wunderland!

2. Am Antai­os-Stand fand sich eine jun­ge, hoch­enga­gier­te Dame ein, die „far­ben­tra­gend” war. Eine Ver­bin­dungs­stu­den­tin. So was gibt es. Die fech­ten auch, aber nur mit Argu­men­ten – so die Selbst­dar­stel­lung. Ers­te Fra­ge der äußerst selbst­be­wuß­ten Frau: „Sie ver­harm­lo­sen?” – „Inwie­fern, und was?” – „Sie ver­harm­lo­sen Rechts­au­ßen?” Du mei­ne Güte. Wie jetzt das ver­ste­hen, und war­um? „Na, hier steht ein Buch über Ver­trei­bung. Muß es sol­che Bücher geben?!” Es wur­de ein Gespräch von Adam und Eva bis zur Gegen­wart. So ein unge­heu­er ermü­den­des Gespräch. Ob not­wen­dig, ob fruch­tend? Man weiß es halt nie. Was soll man denn sagen? Die Dame, eine JuSo, befand etwa: Das Pro­blem sei, daß alles Lin­ke unor­ga­ni­siert sei und sich nur als viel­ge­schol­te­ner Mob arti­ku­lie­ren kön­ne.  Dem­ge­gen­über sei man „Rechts­au­ßen” straff orga­ni­siert und wohl­sub­ven­tio­niert. Hm. Beden­kens­wert! Gut: Rechts­au­ßen haben wir uns nie gese­hen, wahr­schein­lich erwisch­te uns auch des­halb der Preis­re­gen dies­mal nicht.

3. Wah­rer Wider­stand: Den fand ich dort, wo Sprach­dok­tor Bas­ti­an Sick sprach. Sick ist es gewohnt, mit sei­ner klu­gen bis neun­mal­klu­gen Apo­stroph-Schel­te gan­ze Fuß­ball­sta­di­en zum Lachen zu brin­gen. Vor dem Leip­zi­ger Publi­kum begann er sei­nen lau­ni­gen Vor­trag damit, die Aus­spra­che des Taxi­fah­re­res zu imi­tie­ren, der ihn zur Mes­se brach­te. Das kam schlecht an. Weil jeg­li­che Publi­kums­re­ak­ti­on aus­blieb, wie­der­hol­te Sick die mund­art­li­che Rede­wei­se. Nie­mand lach­te. Eisi­ges Schwei­gen. Den Kakao, durch den man gezo­gen wird, auch noch trin­ken? Nicht mit den Leip­zi­gern. Das nenn ich Widerstand.

Bild­quel­le: food for action

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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