ein Pfiffikus der diskursiven Mimikry, der sein aufgeschlossenes Publikum von Links bis Rechts nun schon seit geraumer Zeit in Atem hält. Brodkorb, das ist inzwischen ein Markenzeichen für sich, keinesfalls jedenfalls die handelsübliche Kampf-gegen-Rechts-Meterware .
Man muß schon selber sehr schlau sein und sorgfältig mitlesen, um all die subtilen Pointen, eleganten Doppelbödigkeiten und raffinierten Insider-Witze seiner Texte goutieren zu können. Als studierter Gräzist und Philosoph zieht Brodkorb die sokratische Hebammenkunst des Geistes der platten Agitation der grobschlächtigeren Mitarbeiter in seinem Lager vor. Darunter gibt es einige, die ihm argwöhnisch gegenüberstehen, und wohl nicht ganz zu Unrecht der subversiven, schmugglerartigen Unterwanderung einst ritzendicht abgeschlossener Diskurse verdächtigen.
Allen treuen Stammpostern und Fans seiner Seite Endstation Rechts, darunter Durchschnittslinke, Antifas “gegen jeden Extremismusbegriff”, Preisdemokraten, Quotenkryptorechte und sonstige hat Brodkorb nun eine besonders knifflige Nuß hingelegt.
Er “feiert” die im Auftrag der JF geschriebene Broschüre von Felix Krautkrämer “Das linke Netz” hämisch als Vorstoß in kabarettistische Gefilde, als “Glanzstück politischer Satire, nach dessen Lektüre bei Eingeweihten wohl kaum ein Auge trocken bleiben dürfte”. Der mittel-eingeweihte, nur flüchtig auf die Seite klickende Leser, würde nun an dieser Stelle natürlich sofort den vertrauten Sound genüßlicher Süffisanz bemerken, voller Vorfreude das Taschentuch zücken, und die Hand zwecks heiterer Beklopfung des Schenkels in Anschlag bringen.
Nicht so der geübtere ER-Conoisseur, der bereits ahnt, daß Brodkorb wieder mal einen doppelten Boden eingebaut hat. Der liest dann nämlich folgendes:
Durchaus nicht ohne Berechtigung wurde in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass die „Junge Freiheit“ (and friends) regelmäßig eher undifferenzierten und vor allem politisch motivierten Angriffen ausgesetzt ist als tatsächlich sachlichen und niveauvollen Analysen. Ein zentraler Baustein dieser Angriffe sei dabei einerseits die undifferenzierte und im Grunde synonyme Verwendung der Worte „rechts“, „rechtsextrem“, „rechtsradikal“ und „rechtskonservativ“, andererseits jedoch auch die an Verschwörungstheoretiker und Methoden der Stasi gemahnende „Entlarvung“ von verschwörerischen „Netzwerken“ und „Grauzonen“ – nach dem Motto: Müller, im Jahre 1943 im Alter von 22 Jahren für drei Tage vertretungsweise als Adjutant von Adolf H. aus B. in die „Wolfsschanze“ abkommandiert, besuchte als Gast im Jahre 2007 den Gerhard-Löwenthal-Preis der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF). In dem Raum saß auch Frau Schmidt – nur zwei Reihen entfernt von Müller. Frau Schmidt wiederum war unlängst Gast beim 50. Geburtstag von Dr. W. Und dieser W. muss dann ja ein ganz schön schlimmer Bursche sein, immerhin war Müller mal der Adjutant von H.
Krautkrämer allerdings steht über diesen Dingen. Anstatt eine wütende Entgegnung auf dererlei Absurditäten zu verfassen, hat er sich als passende und überlegene Antwort für die Kunstform der Satire entschieden. Er dreht den Spieß einfach um und konstruiert mit Raffinesse, Souveränität und einem lebendigen Schuss Phantasie ein „linkes Netz“ – gesponnen zwischen dem Bundesfamilien- und ‑Innenministerium, dem „Bundesamt für Verfassungsschutz“, der „Bundeszentrale für politische Bildung“, der „Amadeu Antonio Stiftung“, dem „Netz gegen Nazis“, der „Zeit“ sowie der linksextremistischen Szene.
Die Botschaft ist denkbar einfach: So wie es absurd ist, Dr. W. zur Vorhut im Geiste des Adolf H. aus B. zu erklären, nur weil Frau Schmidt einmal im selben Raum gesessen hat wie Herr Müller, wäre es ebenso absurd, Bundesinnenminister de Maizière einen politischen Pakt mit der linksextremistischen Szene anzudichten. Krautkrämer führt die intellektuell mitunter blamablen Einlassungen seiner politischen Gegner einfach dadurch ad absurdum, dass er sie eins zu eins kopiert und an mancher Stelle sogar noch überschreitet.
So weit, so rhetorisch brilliant und fürwitzig funkelnd. Doch da hat uns der pfiffige Meister wieder mal hinterhältig aufs Glatteis geführt. Denn, Moment mal, ratterratter, klingeling, richtig: betrachtet man sich das in breiten Farben ausgemalte Beispiel des Herrn Müller, ist es ja ganz offensichtlich, daß Krautkrämer in seiner Broschüre nicht dasselbe tut wie “seine politischen Gegner”, sondern etwas ganz anderes.
Denn folgt man Brodkorbs Schilderung, so tun der Herr Müller und die Frau Schmidt und sogar der Dr. W. ja rein gar nichts, ganz im Gegensatz zu den von Krautkrämer attackierten Herrschaften. Sie veröffentlichen keine Pamphlete und Artikel, nicht im Internet und nicht in großen Zeitungen, sie schreiben keine Bücher, bekommen keinen Besuch von Politikern, sie leiten keine Organisationen und Stiftungen, sie werden nicht im Fernsehen und Radio als “Experten” interviewt, sie verdienen ihren Lebensunterhalt nicht mit dem Mundtotmachen und Diffamieren von Andersdenkenden, sie erhalten keine Preise “für Demokratie und Toleranz” und werden auch nicht mit Steuergeldern gefüttert, damit sie sich fleißig gegen “Linksextremismus” engagieren.
Nein, sie sitzen vermutlich lieber zuhause am Kamin bei Kaffee und Kuchen und blättern nostalgisch im Landser, schreiben ab und zu zustimmend empörte Leserbriefe an die JF oder hören CDs mit den schönsten Ostpreußenliedern. Ja, und es befindet sich bei der Gerhard-Löwenthal-Preisverleihung vermutlich nicht einmal eine einzige müde Antifasocke im Raum, die irgendein Interesse an Herrn Müller und Frau Schmidt hätte.
Es ist also ganz offensichtlich nicht dasselbe, wenn Frau Schmidt und Herr Müller bei Dr. W. eine Geburtstagstorte essen, als wenn linke Institutionen bis hin zu knallhart antifantisch ausgerichteten Gruppen Staatssponsering in Millionenhöhe (und damit Machtzuwachs) bekommen, weil sie mit ihrem “Antifaschismus” hausieren gehen. Brodkorb hat also zwei so offensichtlich nicht zusammenpassende Beispiele gewählt, sodaß dem Leser die Diskrepanz zwischen beiden Szenen erkenntnisfördernd ins Auge springen muß.
Ein Meta-Gag von besonderer Raffinesse ist die Erwähnung de Maizières, denn von gerade diesem stammt das Motto der Broschüre:
Ich sehe mit Sorge, daß man sich in der öffentlichen Wahrnehmung zu sehr auf die unerträgliche politische Gewalt von Rechtsextremisten konzentriert hat. Gleichzeitig wurde das, was sich im Schatten und zum Teil als Gegenaktion von Linksextremisten entwickelt hat, unterschätzt.
Daß nun vieles von dem, was sich im “Schatten” (wir ergänzen: des KgR) an Linksextremismus entwickelt hat, eine recht lockere, rege und meistens beiderseitige fruchtbare Anbindung an Massenmedien, staatliche Institutionen und politische Parteien pflegt, kann man nun auch ohne Krautkrämer-Broschüre durch ein bißchen Internetrecherche leicht überprüfen.
Soweit, so hihi also. Aber es kommt noch viel raffinierter. Brodkorb schreibt, wohl um seine trägen Leser zum eigenständigen Nachdenken zu bringen, Krautkrämer konstruiere sich ein “linkes Netz”, mit “einem lebendigen Schuss Phantasie”, und zählt anschließend ganz munter konkret auf:
… Bundesfamilien- und ‑Innenministerium, „Bundesamt für Verfassungsschutz“, „Bundeszentrale für politische Bildung“, „Amadeu Antonio Stiftung“, „Netz gegen Nazis“, die „Zeit“ sowie die linksextremistischen Szene.
Dem materiekundigen Leser fällt natürlich sofort auf, daß unter diesen genannten Institutionen zum Teil dezidiert links ausgerichtete sind (“Amadeu Antonio Stiftung”), zum Teil implizit links ausgerichtete sind (wie das “Netz gegen Nazis”, das überhaupt gegen alles Rechts von der Mitte Front bezieht und Verdacht streut), links okkupierte sind (BpB via Thomas Krüger); daß sie allesamt, wie Krautkrämer nachweist, sich nicht scheuen, Quellen aus dem Antifaspektrum zu benutzen und mit immer derselben Handvoll linker Journalisten, Aktivisten und Schreiberlinge zu arbeiten, die antifantischen Zeitschriften ebenso zuarbeiten wie der bürgerlichen Presse, die einen mit den anderen in der Tat erfolgreich, bewußt und aktiv verlinkend und ins Boot holend. Journalisten, die wohlgemerkt sonst auch gar nichts anderes in ihrem Leben gemacht haben, oder auch nur ein anderes Thema kennen würden, als “gegen Rechts”, wie man so sagt, “aufzuklären”, d.h. entsprechende Netzwerke zu fördern.
Dem aufmerksamen Leser fällt natürlich weiters auf, daß die Deutungshoheit über “Rechts”, wie sie auf “Netz gegen Nazis” vermittelt wird, somit ausschließlich von Links, ja via einschlägige Zuträger von Linksaußen, also von interessierter Seite, übernommen wird. Diese Deutung wird dann aktiv weiterkanalisiert über die extra zu diesem Zweck gewonnenen associates.
Dazu kommen noch ein paar verstreute “soziale Netzwerke” wie:
Myspace, Youtube, Wer-kennt-wen, stayfriends, schüler.cc, webcity, knuddels, meineleute, clipfish, fudder, kicker, ednetz, bendecho, myvideo,…
… plus laut Seitenauskunft weitere “42 soziale Netzwerke seit Kampagnenstart”. Na, wenn das kein prima Networking, kein prima Netz ist!
Nicht anders verhält es sich, wenn z. B. mit SPD-Mann Thomas Krüger nicht nur ein ausgesprochen hemmungsloser Linksausleger an der Spitze der zu politischer Neutralität verpflichteten “Bundeszentrale für politische Bildung” sitzt, sondern unter dessen Ägide auch schon mal unter dem offiziellen Siegel der BpB tendenziöse Kampfschriften erscheinen wie das “Buch gegen Nazis” , das dem interessierten Leser neben anderen Antifantenseiten die Netzseite Indymedia (müssen wir darüber wirklich noch ein Wort verlieren??) als Quelle, um sich “über Nazis zu informieren”, ans Herz legt. Diese Art von Verquickung und Zusammenarbeit ist kein Einzelfall.
Der kluge, gebildete ER-Leser weiß natürlich, daß das alles mit Politik, öffentlicher Raumergreifung, medialer Einflußnahme und Diskursverschiebung nach Links zu tun hat, und er versteht schlagartig, was Brodkorb ihm sagen will, wenn er die beliebte linke Apperzeptionsverweigerungsphrase vom “konstruieren” ad absurdum führt.
Wessen Geistes Kind nun (z.B.) Indymedia ist, wird wohl jedem politisch gebildeten Menschen unweigerlich ins Auge stechen. Dazu braucht man keinen Onkel vom Verfassungsschutz, und auch keine Jesse & Backes, die einem das vordefinieren. Auch hier geht Brodkorb wieder gezielt maieutisch vor, und säumt seinen Text mit didaktisch geschickt plazierten Stolpersteinen:
Krautkrämer stellt seinem Text begriffliche Klärungen voran, die er sich in der Standardliteratur und beim Verfassungsschutz erborgt,
Was natürlich völlig nachvollziehbar ist, denn was soll Krautkrämer sonst tun, als die kritisierten Institutionen an ihren eigenen Maßstäben zu messen? Willkürlich von sich aus bestimmen, was “linksextrem” ist, hätte er sich ja schlecht leisten können. Mit der Übernahme der VS-Definition, und nur mit ihr, ist er innerhalb des Arguments auf sicherem Boden. Den dies ist ja die Ebene, auf der Krautkrämers Gegner sich zu bewegen vorgeben. Der Punkt ist, ihnen zu zeigen, daß sie hier inkonsequent sind, und das zum Teil auf krasse Weise.
um jedoch an einer Stelle en passant und süffisant darauf hinzuweisen, dass anerkannte Wissenschaftler dem Verfassungsschutz selbst eine „verfassungswidrige Arbeitsweise“ (14) attestiert hätten – womit das soeben geschaffene begriffliche Korsett sogleich wieder in sich zusammen purzelt.
Da purzelt natürlich durchaus nicht die Bohne nichts, denn Kritik an den Definitionen des VS und der Art ihres Zustandekommens, heißt ja nicht, daß man dann mit ihnen innerhalb eines bestimmten abgesteckten Rahmens (also jenes, der sich momentan offiziell durchgesetzt hat) nicht hypothetisch arbeiten könne, um Vergleiche anzustellen. Den Grund dafür, ebenso wie seinen prinzipiellen Vorbehalt, hat Krautkrämer ja klar gemacht:
Dennoch wird in dieser Studie auf die Beurteilungen
des Verfassungsschutzes zurückgegriffen, nicht zuletzt, weil es an anderer wissenschaftlicher Literatur zu dem Thema mangelt. Hierdurch soll aber auch deutlich gemacht werden, daß es sich bei der Bewertung der verschiedenen Personen, Gruppierungen, Einrichtungen und Publikationen nicht um die persönliche Meinung des Autors handelt, sondern um eine offizielle Einschätzung.
Selbstverständlich ist Brodkorb als streng philosophisch und logisch geschulter Denker in Wirklichkeit durchaus nicht so blöd, daß er diese watscheneinfachen Prämissen und Zusammenhänge nicht begreifen würde – der listige Fuchs hat seinen Lesern einen meisterlich kaschierten Test vorgelegt, und wie wir ihn kennen, kichert er sich genüßlich bei einem Glas Rotwein ins Fäustchen, während er lächelnd darüber nachsinnt, wer ihm wohl alles auf den doppelt gemoppelten Leim gehen wird.
Die weiteren “glanzvollen Beispiele” voller amüsanter Denkfehler, die Brodkorb als spaßfördernde Fallen für wachsame Leser ausgelegt hat, aufzulösen, erspare ich mir – ich will ja kein Spielverderber sein.
Indessen spielen seine verständigen Leser das Spielchen augenzwinkernd und zum Teil virtuos mit, und haben allerhand humorige und metahumorige Kommentare hinterlassen, Perlen des Treppenwitzes, die dem Eingeweihten ein nicht versiegender Quell der gehobenen Unterhaltung sind:
Bravo! Da weiß mann, wo bei der SPD der Wind her weht: Lob für halbfaschistische Zeitungen und Werbung für rechtsradikale Lektüre! (Wayne)
Abgesehen davon empfinde ich es keineswegs anrüchig wenn wie hier im Artikel allein der Arbeitsstil des Autors, nicht aber die inhaltlichen Aussagen, lobend gewürdigt werden. (Birgit K.)
Na das ist aber nobel, Werbung auf Endstation Rechts für eine Publikation aus dem Verlag Junge Freiheit. Da ist anscheinend Hopfen und Malz noch nicht verloren. (xyz)
Ich jedenfalls möchte Ihnen zu diesem unterhaltsamen Hinweis auf die Schwachstellen in Herrn Krautkrämers Werk gratulieren! 🙂 (JF Leser Martin H.)
Eine geniale Rezension! Dieses Level des gehobenen Verrisses über die ironische Brechung können nur ganz wenige, ebenso wie nur wenige Projekte wie Storch Heinar und die Apfelfront erfinden konnten. (Roger)
was zum krautkrämer. man muß halt echt unterscheiden, welches landesamt vom Verfassungsschutz bei einer sache am start ist. als beispiel der verfassungsschutz nrw ist vom niveau am schlechtesten weil die manchmal echt nur im auftrag von parteibonzen leute verleumden. andere länder sind echt besser drauf. trotzdem ist die jf ziemlicher mist. (Quitschi)
Und ich für meinen Teil, ich lache jetzt wirklich Tränen über dieses gelungene Kabarett…