Ergebnisse einmal beiseitegeschoben – Lesen ist eine Fertigkeit, die nicht einfach so im Kinde entsteht und quasi im Vorbeigehen erlernt wird. Der Ablenkungen sind zu viele, das Kind, das die Eltern nur selten zum Buch oder zur Zeitung greifen sieht, wird diese Beschäftigung nicht nachahmen.
Wer also – PISA hin, PISA her – seinen Kindern die Tür zur Bildung aufstoßen möchte, tut gut daran, wenn er das Buch zur Selbstverständlichkeit werden läßt: Vorlesen, weiterlesen lassen, ein Regal einräumen, eine kleine Bibliothek aufbauen, den guten Stoff nie ausgehen lassen. Ellen Kositza hat für die Dezember-Sezession (Nummer 39) einen umfangreichen Beitrag über das Vorlesen und den Übergang zur Leseratte verfaßt, sie beantwortet darin auch die grundsätzlichen Fragen, warum, wann und wie gelesen werden soll.
Warum lesen? Definitiv nicht zum Zwecke irgendeiner Wettbewerbsfähigkeit! Bildung und Karriere sind ohnehin keine Zwillinge; solide Berufswege als Arzt, Ingenieur oder selbst Soziologe sind ohne jegliche Affinität zur Belletristik möglich. … lesen ist Bildung, und Bildung – im humanistischen Sinne und eben nicht zweckorientiert verstanden – macht frei. Lesen fördert Kreativität, Intelligenz, Empathiefähigkeit, nicht zuletzt Widerspruchsgeist.
Wann und wie? … Mit acht, neun Jahren ist es reichlich spät, das Kind mit “Freund Buch” vertraut zu machen. Kleinkinder sind Nachmacher. Wer sein Zweijähriges mit einem (falschherum gehaltenen) Buch auf dem Sofa vorfindet, darf sicher sein, daß die eigene Leselust vorbildlich gewirkt hat. … Wer als Kleinkind die feste, wohl meist abendliche, konzentrierte Vorlese- und Bilderbuchzeit schätzen gelernt hat, wird auch im späteren Schulalter ein dankbarer Zuhörer und Selbstleser sein.
Womit aber wecken wir die Leselust? Es ist ja nicht gleichgültig, was und Hauptsache, daß gelesen wird. … Es gilt, was Miriam Pressler anläßlich der Verleihung des Kinder- und Jugendliteraturpreises sagte, als sie vor den Inhalten und Ausdrucksformen der Groschenhefte warnte, die sich immer stärker in Büchern fänden: “Mit jedem trivialen Buch, das gelesen wird, wird ein literarisches nicht gelesen.” (Quelle: FAZ vom 11. Oktober 2010)
Kositzas Beitrag enthält dann eine Liste mit Buchempfehlungen, einen Querschnitt an Büchern, die man seinen Kindern ohne Bedenken in die Hand geben kann, die also nicht trivial, sondern literarisch wertvoll sind. Und:
Man achte auf die Ausstattung der Bücher! Auch für Kinder, die aus dem frühen Bilderbuchalter längst heraus sind, spielen Illustrationen eine große Rolle. Nicht weniger als ein Abgrund liegt zwischen einer gestutzten, ästhetisch fragwürdigen Walt-Disney-Ausgabe von Rudyard Kiplings Dschungelbuch und einer angemessenen Edition des gleichen Werks.
Die Literaturliste (kommentiert, mit Empfehlungen zur Ausgabe und Verzweigungen zu anderen Autoren) sowie grundsätzliche Ratschläge zum Vorlesen und zum Lesen aus Selbstverständlichkeit sind in der Dezember-Sezession abgedruckt. Man kann dieses Heft hier bestellen.
(Im übrigen ist im selben Heft auch der Beitrag von Günter Scholdt über “Konservative und Literatur” enthalten – ein Plädoyer für eine Belletristik aus unserer Sicht, die es bisher nur in Ansätzen gibt.)