Gestern wirkte Bundeskanzlerin Merkel schon mal werbend: Sie „stärkte” ihrer Parteifreundin den Rücken, man demonstrierte Einigkeit. Wie von Karlheinz Weißmann jüngst gedeutet: Die Zuhörer durchschauten den Schachzug nicht, Steinbach erfüllte ihre Rolle als Stimmenbeschafferin, und die Vertriebenen werden im Oktober doch wieder CDU wählen.
Voriges Wochenende erschien in der Online-Ausgabe der Tageszeitung Die Welt ein in mehrfacher Hinsicht aufschlußreiches Interview mit Steinbach, geführt von Ansgar Graw und Welt-Chefredakteur Thomas Schmid. Steinbach machte darin nicht nur ihrem Ärger über die Einmischungen aus Polen und die Anfeindungen seitens etablierter antideutscher Kräfte im eigenen Land Luft (Stichwort: „inneres Polen”), deren Speerspitze die Sozialdemokraten Markus Meckel, Wolfgang Thierse und Gesine Schwan bilden. Sie erläuterte auch die Strategie ihres Verbandes, mit einer Politik des leeren Stuhls gegen die Anmaßungen ihrer Kontrahenten bei der Besetzung zu protestieren.
Kritisch zu sehen ist die Bereitschaft der BdV-Präsidentin in der Vergangenheit, den Vertreiberstaaten und ihren hiesigen Parteigängern mit allzu großen inhaltlichen Zugeständnissen entgegenzukommen. Keines davon wurde ihr letztlich gedankt. Ganz im Gegenteil liefert selbst die im Rahmen des „Zentrums gegen Vertreibungen” konzipierte Wanderausstellung „Erzwungene Wege” mit der stark in den Mittelpunkt gestellten Geschichte der deutschen Vertreibungs- und Umsiedlungspolitik im besetzten Polen ab 1939, die selbstverständlich auch nicht unterschlagen werden darf, quasi die Rechtfertigung der späteren Vertreibung der Deutschen gleich mit. Die Vorgeschichte des Konflikts in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg kommt in der öffentlichen Wahrnehmung so überhaupt nicht vor – ein blinder Fleck des deutschen und wohl auch des polnischen Geschichtsbewußtseins, der an sich vorrangig geschlossen werden müßte.
Wie wichtig das Wissen um diese Vorgänge der Zwischenkriegszeit ist, die in Kurzform vor einiger Zeit in einem ausgezeichneten Artikel in der Jungen Freiheit behandelt wurden, zeigt exemplarisch, wenn auch sicherlich in besonders drastischer Weise, ein bereits letztes Jahr gesendeter Beitrag in der Satiresendung Extra 3, in der der ehemalige VIVA-Moderator Tobias Schlegl (Jg. 1977) in kaum zu übertreffender Arroganz auf dem „Tag der Heimat” deutsche Vertriebene verhöhnte. Unter anderem bestand die vermeintliche „Satire” darin, daß er T‑Shirts und Baseballkappen mit der Aufschrift „Weggegangen – Platz vergangen” verteilte. Mit der gleichen Verwegenheit würde man ihn zu gerne mal auf einem Palästinensertreffen in Aktion sehen.